Energiepolitik

EU-Kommission strebt behutsame Strommarkt-Reform an

Ein Entwurf für Änderungen am Strommarktdesign sieht etliche Neuerungen für Unternehmen vor. Spekulationen über einen kompletten Systemwechsel erhärten sich nicht.

EU-Kommission strebt behutsame Strommarkt-Reform an

rec Brüssel

Ein radikaler Systemwechsel am europäischen Strommarkt ist offenbar vom Tisch. Vielmehr strebt die EU-Kommission eine behutsame Reform an. Das geht aus einem Entwurf für den Gesetzesvorschlag hervor, den die Brüsseler Behörde kommende Woche vorstellen will. Er liegt der Börsen-Zeitung vor und zeigt, dass die EU-Kommission am sogenannten Merit-Order-Prinzip zur Preisfindung festhalten will. Geplant sind darüber hinaus staatliche Preisgarantien für die Industrie in Form spezieller Verträge.

Mit der Reform reagiert die EU-Kommission auf die Energiekrise infolge von Russlands Krieg gegen die Ukraine. Einerseits geht es ihr darum, heftigen Preisausschlägen wie phasenweise im vorigen Jahr vorzubeugen. Andererseits kommt sie immer lauteren Forderungen aus der Wirtschaft nach, langfristig für wettbewerbsfähige Strompreise in Europa zu sorgen.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte eine fundamentale Reform des Strommarktdesigns angekündigt. Das löste Spekulationen über eine Abkehr vom Merit-Order-System aus. Darin richtet sich der Strompreis nach dem teuersten Kraftwerk, das die Stromnachfrage deckt. Im Grundsatz dürfte es dabei bleiben. Somit wären auch Strom- und Gaspreise nicht entkoppelt. Stattdessen setzt die EU-Kommission auf einen Mix aus rückläufigem Bedarf an fossilen Energieträgern, umfangreicheren Energiespeichern und Ausbau der Erneuerbaren.

Die EU-Kommission strebt mehr Planungssicherheit für Unternehmen und Private an. Insbesondere will sie dafür sorgen, dass Mittelständler sich langfristig Strom zu stabilen Preisen sichern können. Zu diesem Zweck will sie Versorger dazu drängen, vermehrt Terminkontrakte anzubieten. Die EU-Staaten sind beauftragt, Versorger der letzten Instanz einzurichten, die im Notfall einspringen. Außerdem gewinnen Power Purchase Agreements (PPA) an Bedeutung. Staatliche Garantien sollen sicherstellen, dass höhere Kreditrisiken im Geschäft mit kleinen und mittelgroßen Firmen (KMU) kein Hindernis mehr für solche langfristigen Stromabnahmeverträge sind.

Geteiltes Echo

Außerdem sollen Differenzverträge kommen. Dahinter stecken staatlich abgesicherte Mindestpreise bei Investitionen in erneuerbare Energien. Der EU-Kommission schwebt zugleich ein Höchstpreis für Strom vor. Energieunternehmen müssten Erträge über einer solchen Maximalschwelle dann zurückzahlen. Die EU-Kommission will erkennbar Preisexzesse zulasten privater und gewerblicher Stromkunden unterbinden. Dieses Vorhaben erinnert an die Debatte zu Übergewinnen von Energiekonzernen im Zuge der Krise.

Markus Ferber, wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, begrüßt die behutsame Reform: Das Merit-Order-System habe sich im Grundsatz bewährt. „Es gibt also keinen Grund, das Rad komplett neu zu erfinden.“ Dagegen kommt Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, die Förderung erneuerbarer Energien zu kurz.

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