Fußball-Weltmeisterschaft

Heikles Geschäft der Sponsoren

Viele Unternehmen unterstützen die umstrittene WM in Katar. Schadet das dem Image oder bringt es zusätzlichen Umsatz?

Heikles Geschäft der Sponsoren

Die Nationalmannschaft ist längst ausgeschieden. Doch die deutschen Sportartikelkonzerne Adidas und Puma  sind im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft dabei. Auch wenn es für die Marke mit den drei Streifen in Katar bisher nicht besonders gut lief. Von anfangs sieben Nationen in Adidas-Trikots ist nur noch Argentinien im Rennen. Auch andere große Fußballnationen wie Spanien und Belgien sind raus. Puma erreichte dank Marokko mit einer von anfangs sechs Mannschaften die Runde der letzten vier: ein großer Überraschungserfolg sowohl für die Mannschaft als auch für ihren Ausrüster. Nike schneidet am besten ab: Von den 13 Mannschaften standen zehn im Achtelfinale, Kroatien sowie Titelverteidiger Frankreich sind im Halbfinale und könnten wie 2018 das Endspiel am Sonntag erreichen.

Für Adidas hat die Weltmeisterschaft nicht nur als Ausrüster eine besondere Bedeutung. Das Unternehmen ist einer von sieben globalen Sponsoren des Weltfußballverbands Fifa, für Fernsehzuschauer sichtbar auf den Banden in den Stadien. Die Fifa gilt vielen Fans nach unzähligen Bestechungsvorwürfen geradezu als Synonym für Korruption. Die Nähe zum Verband kann auch für Sponsoren ein Imageproblem werden. Zumindest in Deutschland, wo die Öffentlichkeit besonders kritisch ist. Die WM in Katar verstärkt das angesichts der Lage für Menschen- und Arbeitsrechte dort. Jetzt kommt auch noch der Vorwurf der Bestechung von EU-Abgeordneten hinzu.

Die Skepsis bestätigt eine Umfrage der Universität Hohenheim, die im Oktober stattfand. „Aufgrund der politischen Missstände in Katar ist rund die Hälfte der Deutschen der Meinung, dass die Sponsoren auf Werbung für die Fußball-WM verzichten sollten.“ Verglichen mit den Turnieren 2014 und 2018 sei die deutsche Bevölkerung deutlich skeptischer geworden, sagt Co-Studienleiter Yannick Urbitsch.

Sponsoren müssten hierzulande mit deutlichen Einbußen der Wirkung ihres Engagements rechnen. Bezogen auf deren Image meint Urbitsch: „Es ist ein Spiel mit dem Feuer für die Unternehmen.“

Doch international scheint sich das Sponsoring auch der WM in Katar zu lohnen. Adidas stützt sich auf Zahlen der Fifa, nach denen die Begeisterung weltweit sehr groß sein soll. Der Verband spricht von Rekordeinschaltquoten im Fernsehen. „Die Faszination WM ist ungebrochen“, sagt ein Sprecher von Adidas. „Das spiegelt sich auch in unseren Zahlen wider.“ Mit Produkten zur WM – vom Ball „Al Rihla“ bis zu den Trikots – erziele Adidas wie geplant einen Umsatz von mehr als 400 Mill. Euro. Das sei mehr als vor vier Jahren – eine Zahl wird nicht genannt.

Vor der WM seien vor allem die Trikots der Mexikaner gefragt gewesen, berichtet der Sprecher, während des Turniers besonders die der japanischen Mannschaft, die die früheren Weltmeister Deutschland und Spanien besiegte. Die Shirts mit dem Bundesadler und dem Adidas-Markenlogo gibt es dagegen seit dem Tag nach dem Ausscheiden zum halben Preis.

„Augen zu und durch“

Aus der Sicht von York von Massenbach lohnt sich auch diese WM für die Sponsoren. Der Experte für Konsumgüter und Handel von der Managementberatung Atreus weist auf die weltweite Resonanz und ein besonders in Asien gestiegenes Interesse hin. „Adidas muss bei solchen Mega-Events dabei sein“, sagt er. Zum einen wachse die Bedeutung der Großereignisse im Sport immer weiter, zum anderen gewännen Sponsoren die Aufmerksamkeit der auf vielfältige Weise abgelenkten Konsumenten.

Angesichts der Kritik in Deutschland an der WM in Katar, die er für berechtigt hält, meint von Massenbach mit Blick auf Adidas: „Augen zu und durch.“ Denn entscheidend für internationale Konzerne sei die Wirkung in Wachstumsmärkten, zum Beispiel in Lateinamerika. „Ein börsennotiertes Unternehmen ist zum Wachstum verdammt“, fügt der Berater hinzu. „Die Aktionäre verlangen das.“ Er sieht eine Parallele zu China: Adidas und andere Branchen wie die deutsche Autoindustrie könnten es sich nicht leisten, dort keine Geschäfte mehr zu machen.

Beirat für Menschenrechte

Adidas ist seit 1970 Partner der Fifa und wird immer wieder mit der öffentlichen Kritik an der Weltorganisation konfrontiert. Im Fall von Katar betont das Unternehmen, 2010 an der Entscheidung für das Emirat nicht beteiligt gewesen zu sein. „Dennoch haben wir mit unserem Partner Fifa und anderen wichtigen Stakeholdern zusammengearbeitet, um die Menschenrechtssituation zu verbessern“, heißt es in einer Stellungnahme von Adidas. Von den anderen Beteiligten nennt das Unternehmen etwa die Regierung Katars und die Internationale Arbeitsorganisation ILO. Der Sprecher erwähnt das Human Rights Advisory Board der Fifa, einen 2017 gegründeten unabhängigen Beirat für Menschenrechte. Diesen habe Adidas gefordert.

Unabhängige Partner wie die internationale Bauarbeitergewerkschaft BWI hätten verbesserte Arbeitsbedingungen in Katar bestätigt, vor allem dank der internationalen Aufmerksamkeit für die WM. Menschenrechtsorganisationen bezweifeln allerdings trotz einiger Fortschritte, dass Reformen über die Ankündigungen weit hinauskommen.

Die Universität Hohenheim stellte in ihrer Umfrage fest, Coca-Cola gefolgt von Qatar Airways und Adidas sind in Deutschland die bekanntesten WM-Sponsoren. Jeweils ein Drittel oder etwas mehr der 1 000 Befragten nannte diese Fifa-Partner. Kurios: Rund jeder Fünfte gab Mercedes-Benz und Nike an, obwohl diese gar nicht dazugehören.

Bezogen auf die Vertrauenswürdigkeit und das Image der Sportlichkeit hebt sich Adidas von den anderen positiv ab, wie in der Studie festgehalten wird. Die Durchschnittswerte auf einer Skala von 1 bis zur höchsten Stufe 6 lägen für das Unternehmen über 5 und über 4,5. Co-Studienleiter Urbitsch sieht in den relativ hohen Werten allerdings auch die Gefahr eines Vertrauensverlusts hierzulande: „Für Adidas steht relativ viel auf dem Spiel.“

Für Rewe ging es dagegen nicht mehr um viel, als der Handelskonzern vor drei Wochen bekanntgab, auf seine Werberechte aus dem Vertrag mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) von sofort an zu verzichten. Anlass war die Entscheidung des Verbands, die Mannschaft doch nicht mit einer One-Love-Kapitänsbinde aufs Spielfeld zu schicken, nachdem die Fifa Sanktionen angedroht hatte. Rewe hatte schon im Oktober entschieden, den bis Ende dieses Jahres laufenden Partnervertrag mit dem DFB nicht zu verlängern. Das Hin und Her um „One Love“, das Zeichen für Vielfalt und Toleranz, geißelte Rewe als „skandalöse Haltung“ der Fifa.

Ein Kritiker der Aktion wirft Rewe Trittbrettfahrerei vor, gibt aber zu, dass die Distanzierung von der Fifa und dem DFB öffentlichkeitswirksam war und damit erfolgreich. Atreus-Berater Massenbach ist der Meinung, hinter der Entscheidung von Rewe stecke nüchternes Kalkül: „Wo sind unsere Kunden und welche Werte haben die?“ Der Konzern erzielt rund 70 % seines Umsatzes in Deutschland. Rewe könne sich daher einen solchen Beschluss gegen die Fifa leisten.

Von Joachim Herr, München

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