US-Staatsverschuldung

Neues Politdrama um Schuldenlimit

Mit den neuen Parlamentsmehrheiten ab Januar droht der Streit um eine Erhöhung der Schuldenobergrenze in den USA aufs Neue zu eskalieren. Böse Erinnerungen an das Debakel 2011 werden wach.

Neues Politdrama um Schuldenlimit

Von Peter De Thier, Washington

Mehr als 80 Mal in der Geschichte der USA hat der Kongress die staatliche Schuldengrenze entweder angehoben oder vorübergehend suspendiert, um die Zahlungsunfähigkeit des Fiskus abzuwenden. Im kommenden Jahr wird das Verschuldungslimit, das derzeit bei knapp 31,4 Bill. Dollar liegt, ein weiteres Mal erreicht sein, und ohne eine weitere Anhebung wird der Staat außer Stande sein, seinen Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nachzukommen. Ökonomen warnen vor potenziell katastrophalen Konsequenzen, die vor dem Hintergrund steigender Zinsen und hoher Volatilität an den Finanzmärkten umso gravierender wären. Die Aussichten auf eine Einigung zwischen Republikanern und Demokraten sind aber gering.

Der Streit um das Schuldenlimit zählt zu den immer wiederkehrenden politischen Dramen in Washington: Viele Demokraten vertreten seit Jahren die Auffassung, dass das Limit ganz abgeschafft werden sollte. Die Republikaner hingegen machen ihre Zustimmung davon abhängig, dass im Gegenzug umfangreiche Ausgabenprogramme zusammengestrichen werden. Dabei besteht die Ironie des verbissenen Tauziehens darin, dass das Limit im Jahr 1917 verabschiedet wurde, um das Gegenteil zu erreichen, nämlich während des Ersten Weltkriegs die fiskalpolitische Flexibilität des Finanzministeriums zu erhöhen. Damals wurden mehrere zweckgebundene und großzügig ausgestattete Haushaltstöpfe verabschiedet, deren sich die Regierung während des Kriegs bedienen durfte, ohne jedes Mal die Genehmigung seitens der Parlamentarier einholen zu müssen.

Zuletzt hatten der Senat und das Repräsentantenhaus im Dezember 2021 die Grenze um 2,5 Bill. Dollar hochgesetzt. Die meisten Ökonomen rechnen damit, dass das neue Limit spätestens im Frühherbst 2023 erreicht sein wird. Pessimistischer ist hingegen Finanzministerin Janet Yellen, die den Kongress aufgefordert hat, sofort aktiv zu werden und ein höheres Limit zu verabschieden, das bis Ende 2024 reichen und nicht zu einem politischen Spielball während des Präsidentschaftswahlkampfs wird.

Neue Kongressmehrheiten

Yellen weiß aber auch, dass am 3. Januar die Republikaner im Repräsentantenhaus die Mehrheit übernehmen werden und sich bisher hartnäckig dagegen stemmen, ohne massive Einsparungen einen höheren Schuldendeckel zu billigen. Yellen fürchtet zudem, dass im Falle einer Rezession die Regierung wieder eine expansivere Haushaltspolitik verfolgen müsste, das Limit folglich viel früher erreicht werden könnte und der fiskalpolitische Handlungsspielraum erheblich eingeengt wäre.

Was auf dem Spiel steht, das illustriert das Debakel vor elf Jahren. Im Sommer 2011, nur wenige Jahre nach der globalen Finanzkrise, zögerten die Republikaner lange Zeit, die höhere Schuldengrenze zu genehmigen. Daraufhin stufte zum ersten Mal in der Geschichte die Ratingagentur S&P die Bonität von US-Staatsanleihen herab. Es kam zu tiefen Einbrüchen an den Finanzmärkten, der Dollar trat eine steile Talfahrt an und das weltweite Vertrauen in das US-Finanzsystem war schwer angeschlagen. Überwunden werden konnte die Krise erst durch ein neues Haushaltsgesetz, das die Republikaner erst billigten, als der damalige Präsident Barack Obama und seine Demokraten umfangreichen Zwangseinsparungen zustimmten.

Parallelen zu 2011

Die Parallelen zu 2011, die sich abzeichnen, sind beängstigend. Auch diesmal erkennen führende Vertreter beider Parteien an, dass an einer Erhöhung des Schuldenlimits kein Weg vorbei führt. Doch ab kommender Woche können die Republikaner im Repräsentantenhaus einen entsprechenden Beschluss blockieren und sind dazu offenkundig bereit. Absegnen wollen sie die Anhebung nur, wenn gleichzeitig Kürzungen bei gesetzlich vorgeschriebenen Ausgabenprogrammen, nämlich den staatlichen Krankenversorgungsprogrammen Medicare und Medicaid oder der Rentenversicherung Social Security, beschlossen werden.

Dagegen stemmen sich wiederum Präsident Joe Biden und die Demokraten. Ohne einen Kompromiss würde Yellen, sobald die Obergrenze erreicht ist, einige Wochen lang auf „außerordentliche Maßnahmen“ zurückgreifen können. Beispielsweise kann sie Einzahlungen in die Rentenkasse für Bundesbedienstete suspendieren. Damit aber ist das Problem nicht gelöst, und dann wäre eine Neuauflage des Desasters von 2011 in greifbarer Nähe.

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