Die britische Zuckersteuer schmeckt bitter

In anderen Ländern offenbar wenig effektiv - Mehreinnahmen für Schulsport und Ausbildung

Die britische Zuckersteuer schmeckt bitter

Von Gerald Hosp, LondonStarkoch Jamie Oliver konnte seine Freude nicht unterdrücken. Als der britische Schatzkanzler George Osborne in seiner Haushaltsrede eine Abgabe auf zuckerhaltige Getränke ankündigte, raste Oliver mit seinem Motorrad zum Parlament in Westminster, um das süße Ereignis zu feiern. Der Brite engagiert sich schon seit längerem für gesünderes Essen in Schulen und ist ein langjähriger Verfechter einer Zuckersteuer. Dadurch will der Starkoch gegen Übergewicht bei Kindern ankämpfen, auch eine Zunahme von Typ-2-Diabetes und schlechte Zähne können Folgen von allzu viel Zucker sein.Die daraus entstehenden Gesundheitskosten sollen mit der fiskalischen Maßnahme gesenkt werden. Die Abgabe dürfte aber wenig wirksam sein und leistet der Bevormundung durch den Staat Vorschub.Britische Schatzkanzler sind bekannt dafür, in den Haushaltsreden Kaninchen aus dem Hut zu zaubern. Mit der Einführung einer Zuckersteuer gelang dem konservativen Osborne in der Tat ein Überraschungscoup bei Freund und Feind. Die Abgabe soll bei den Produzenten und Importeuren von Limonaden und zuckerhaltigen Getränken anfallen. Fruchtsäfte und Produkte auf Milchbasis sind davon ausgenommen. Getränke mit weniger als 5 Gramm Zucker pro 100 Milliliter werden mit einer Steuer von 18 Pence je Liter (8 Cent) belegt, solche mit mehr als 8 Gramm Zucker mit 24 Pence. Einführung in zwei JahrenDie Abgabe soll in zwei Jahren eingeführt werden, damit die Unternehmen ihre Rezepte anpassen können. Zudem ist unklar, inwiefern die Hersteller die Mehrkosten auf die Konsumenten abwälzen werden. Die Regierung rechnet bei der Einführung mit Mehreinnahmen von rund 500 Mill. Pfund, die für den Schulsport und für den allgemeinen Schulbetrieb eingesetzt werden sollen.Großbritannien reiht sich damit in eine Gruppe von Ländern wie Mexiko, Frankreich, Finnland oder Ungarn sowie von einigen amerikanischen Bundesstaaten und die Gemeinde Berkeley in Kalifornien ein, die Abgaben auf Zucker kennen. Dabei sind zuckerhaltige Getränke die Hauptzielscheibe, weil diese viele Kalorien ohne weiteren Nährwert enthalten. Ziel ist es vor allem, die Gesundheitskosten zu senken.Eine Zuckerabgabe soll folgendermaßen funktionieren: Aufgrund der höheren Preise werden weniger Limonaden konsumiert. Damit werden weniger Kalorien aufgenommen. Dadurch sollten weniger Leute übergewichtig werden. Der Gesundheitszustand der Bevölkerung steigt.Ökonomische Studien zeigen, dass zumindest der erste Teil der Argumentationskette stimmt. Gut dokumentiert ist die Einführung der Zuckersteuer in Mexiko anfangs 2014: Zunächst zeigte sich im mittelamerikanischen Land, dass die Steuer an die Konsumenten weitergegeben wird. Die Preise erhöhten sich gar mehr als der Umfang der Steuer, die rund 10 % beträgt. Ähnliches konnte auch in anderen Ländern beobachtet werden. Höhere Preise haben tatsächlich den Konsum eingeschränkt. Laut einer Studie vom Januar 2016, die auf Haushaltsbefragungen beruht, ging im ersten Jahr der Einführung der durchschnittliche Konsum von besteuerten Getränken im Vergleich mit dem Trend zuvor um 6 % zurück. Dies heißt aber auch, dass der Konsum weniger stark gefallen ist als der Anstieg der Preise. Die Steuer ist wenig effektiv. Nur eine Konsumart erfasstOb die Mexikaner gesünder wurden, lässt sich anhand der Studien nicht sagen, weil die Steuer erst vor kurzem eingeführt wurde. Weil aber, wie auch in Großbritannien vorgesehen, nur eine Art der Zuckerzufuhr besteuert wird, ist es mehr als unklar, ob auch insgesamt weniger Süßes konsumiert wird. Diejenigen, die den Zuckerschock lieben, könnten auch Fruchtsäfte oder Schokoriegel zu sich nehmen. Laut dem Institute for Fiscal Studies tragen süße Getränke nur knapp ein Fünftel zum gesamten Zuckerverbrauch in Großbritannien bei.