EU-Parlament

Die Taxonomie-Revolution fällt aus

Trotz massiver Proteste von Umweltschützern hat das EU-Parlament den Weg für die Einbeziehung von Atomkraft und Erdgas in die Taxonomie frei gemacht. Investitionen in beide Energiearten können damit als „nachhaltig“ eingestuft werden. Allerdings wurden dagegen mehrere Klagen angekündigt.

Die Taxonomie-Revolution fällt aus

ahe Brüssel

In der EU werden künftig bestimmte Investitionen in die Atomenergie und in die Gasinfrastruktur mit einem grünen Nachhaltigkeitslabel versehen. Im EU-Parlament schafften es Kritiker nicht, eine Mehrheit zustande zu bringen, um das hoch umstrittene Vorhaben noch zu stoppen. Damit dürften die neuen Taxonomie-Regeln für den Finanzmarkt ab 2023 greifen. Theoretisch könnten die EU-Mitgliedstaaten noch ein Veto einlegen, was wegen der hohen Hürden aber als unwahrscheinlich gilt. Denn es müssten sich mindestens 20 Länder zusammenschließen, die mindestens 65% der EU-Bevölkerung vertreten.

Bei einer namentlichen Abstimmung im Europaparlament in Straßburg stimmten am Mittwoch lediglich 278 Abgeordnete dafür, das grüne Label für Atom und Gas noch abzulehnen. 328 waren dagegen bei 33 Enthaltungen. Für ein Veto des Parlaments wäre eine absolute Mehrheit von 353 Stimmen nötig gewesen. Ein Großteil der konservativen Abgeordneten hatte sich der Ablehnung aber nicht angeschlossen – auch wenn einige deutsche CDU/CSU-Abgeordnete die Pläne der EU-Kommission nicht mittragen wollten. Ein Großteil der Liberalen wollte sich einer Blockade ebenfalls nicht anschließen.

Eine Mehrheit der Sozialdemokraten und der Linken lehnte die umstrittenen Taxonomie-Pläne hingegen ab, die die EU-Kommission Anfang Februar vorgelegt hatte. Die komplette Fraktion der Grünen plädierte ebenfalls für ein Veto. Der Sprecher der deutschen Grünen, Rasmus Andresen, sprach von einem schwarzen Tag für das Klima: „Die Gas- und Atomlobby hat gewonnen – das Klima hat verloren“, monierte er. Konservative und liberale Abgeordnete hätten die Zeichen der Zeit auf gefährliche Weise völlig ignoriert. „Statt einer Taxonomie, die uns den Weg aus der Energieunabhängigkeit ebnet, profitieren nun ausgerechnet Putin und fossile Energiegiganten davon.“

Die EU-Finanzmarktkommissarin, Mairead McGuinness, begrüßte hingegen die Entscheidung. Es gehe um einen pragmatischen Vorschlag, der sicherstellen solle, dass private Investitionen in Gas und Kernenergie, die für die Energiewende benötigt würden, strengen Kriterien genügten. Investitionen in erneuerbare Energien würden in der Taxonomie bereits priorisiert.

Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala, dessen Land bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hatte kurz vor der entscheidenden Abstimmung ebenfalls noch einmal für das umstrittene Nachhaltigkeitslabel geworben. Er rief die Abgeordneten am Mittwoch dazu auf, den „schwierig ausgehandelten und fragilen Kompromiss“ zu unterstützen. Eine Reihe von EU-Staaten könnten ihre Verpflichtungen aus den gemeinsamen Klimazielen nur auf diese Weise erfüllen.

Der delegierte Rechtsakt, der nun wohl in Kraft treten kann, sieht vor, dass Investitionen in neue Gaskraftwerke bis 2030 als nachhaltig gelten, wenn sie unter anderem Kohlekraftwerke ersetzen und bis 2035 komplett mit klimafreundlicheren Gasen wie Wasserstoff betrieben werden. Bei den Gaskraftwerken gelten zudem strenge Emissionsvorgaben.

Klagen angekündigt

Neue Atomkraftwerke sollen bis 2045 als nachhaltig klassifiziert werden, wenn ein konkreter Plan für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ab spätestens 2050 vorliegt. Auch der Umbau von alten Atomkraftwerken kann als klimafreundliche Investition gelten.

Greenpeace kündigte am Mittwoch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) verwies ebenfalls auf eine schon vorbereitete Nichtigkeitsklage. Und die luxemburgische Regierung bekräftigte, sie werde Österreich bei diesem Vorgehen unterstützen.

Die Bundesregierung bekräftigte hingegen, dass sie Kernenergie weiterhin als nicht nachhaltig ansehe. Einer Klage will sich die Bundesregierung allerdings nicht anschließen, machte ein Sprecher in Berlin klar.

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