OECD

Europas Niedrigsteuer­länder ziehen mit

Irland, Ungarn und Estland blockieren nicht länger die Neuregelung der internationalen Unternehmensbesteuerung. Der Zeitplan ist ambitioniert. Schon 2023 soll alles umgesetzt sein.

Europas Niedrigsteuer­länder ziehen mit

wf Berlin

Die neuen internationalen Steuerregeln für Unternehmen im digitalen Zeitalter werden nun auch von einigen bislang kritischen Staaten unterstützt. In Paris stellten sich 136 Länder von insgesamt 140 hinter eine aktualisierte Erklärung zu einem Zwei-Säulen-Modell zur Unternehmensbesteuerung. In Säule 1 geht es um die Neuverteilung von Steuersubstrat zwischen Markt- und Sitzländern, in Säule 2 um die Einführung eines Mindeststeuersatzes von 15%. „Die heutige Vereinbarung wird unsere internationalen Steuerregelungen fairer und praktikabler machen“, erklärte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann. „Dies ist ein Sieg für effektiven und ausbalancierten Multilateralismus.“ Die Erklärung ist Grundlage für einen Beschluss beim Treffen der G20-Finanzminister der führenden Indus­trie- und Schwellenländer am kommenden Mittwoch in Washington. Ende Oktober wird das abschließende Votum der G20-Staats- und Regierungschefs in Rom dazu erwartet.

Eine grundsätzliche Zustimmung zu dem – unter dem Dach der Indus­trieländerorganisation OECD ausgearbeiteten – Steuerkonzept hatte es bereits im Juli beim Treffen der Finanzminister in Venedig gegeben. Es fehlten aber bis dato drei europäische Länder: Irland, Estland und Ungarn. Alle drei Länder haben sich nun bereiterklärt mitzuziehen. Dies ist in Europa bedeutend, da in Steuerfragen das Einstimmigkeitsprinzip herrscht. Damit können einzelne Länder ganze Vorhaben blockieren. „Insbesondere die Zustimmung der Staaten der Europäischen Union ist ein großer Erfolg“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz laut Nachrichtenagentur Reuters. „Wir sind heute einen weiteren wichtigen Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit gegangen.“ Vier Länder tragen das Konzept bislang nicht mit, die Teil der OECD-Arbeitsgruppe sind: Kenia, Nigeria, Pakistan und Sri Lanka­. Das EU-Mitglied Zypern ist nicht unter den 140 beteiligten Staaten.

Schwellenländer profitieren

Fiskalisch erwartet die OECD durch die Neubewertung von Be­steuerungsrechten eine Umverteilung von 125 Mrd. Dollar Steuersubstrat zwischen Sitzländern und den Marktstaaten. Diese mit Säule 1 des Konzeptes geplante Novelle reagiert auf die zunehmende Digitalisierung. Unternehmen wie Google, Amazon oder Facebook können ihre Dienstleistungen anbieten, ohne Betriebsstätten in den Absatzländern zu haben. Damit sind sie dort nicht steuerpflichtig. Durch die Neuverteilung von Steuersubstrat nach Gesichtspunkten einer digitalisierten Unternehmenslandschaft sollen die unterschiedlichen nationalen Digitalsteuern obsolet werden. Für international tätige Unternehmen resultiert daraus mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie. Betroffen sind 100 der weltweit profitabelsten multinationalen Unternehmen mit einem globalen Umsatz von mehr als 20 Mrd. Euro und einer Profitabilität von mehr als 10%. Es wird davon ausgegangen, dass diese Unternehmen Gewinner der Globalisierung sind. Von ihrem Gewinnanteil, der 10% überschreitet, soll ein Viertel an die Marktländer verteilt werden. Profitieren dürften davon besonders Schwellenländer.

Steuermehreinnahmen von 150 Mrd. Dollar erwartet die OECD durch den neuen Mindeststeuersatz von 15%. Betroffen sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Mill. Euro. Die neuen Regeln sollen nicht den Steuerwettbewerb unter den Ländern ausschalten, ihm aber multilateral vereinbarte Schranken auferlegen, schreibt die OECD. Unter dem Druck des internationalen Steuerwettbewerbs waren die Steuersätze in den vergangenen Dekaden stark gesunken (siehe Grafik). Irland, Ungarn und Estland liegen unter der künftig kritischen Schranke von 15%. Die Spannbreite der Sätze ist groß. Als Folge der Coronakrise sind in manchen Ländern wieder steigende Sätze angekündigt.

Irlands Finanzminister Paschal Donohoe sagt der Financial Times, er glaube, der Wechsel sei gut für Irland und es sei gut für das Land, eine positive Rolle bei der Einführung der neuen Steuerregeln zu spielen. Der Unternehmenssteuersatz liegt dort aktuell bei 12,5%. Irland erwartet Steuerausfälle von rund 2 Mrd. Euro. Betroffen sind mehr als 1500 Firmen. Ungarns Steuersatz liegt mit 9% für Unternehmen am unteren Ende. Finanzminister Mihály Varga verwies auf eine zehnjährige Übergangszeit, die Teil der Vereinbarung sei. Damit könne das Land die Abmachung mittragen. Der Steuersatz soll dort unverändert bleiben.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.