GASTBEITRAG

Hat die EZB ein Recht auf den Troika-Austritt?

Börsen-Zeitung, 23.1.2015 Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Pedro Cruz Villalón, hat am 14. Januar in seinem Schlussantrag in dem Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Outright-Monetary-Transactions-Programms (OMT) der...

Hat die EZB ein Recht auf den Troika-Austritt?

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Pedro Cruz Villalón, hat am 14. Januar in seinem Schlussantrag in dem Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Outright-Monetary-Transactions-Programms (OMT) der Europäischen Zentralbank (EZB) dem EuGH vorgeschlagen, bei seiner Antwort an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwei Voraussetzungen für die Vereinbarkeit des OMT-Programms mit Europarecht aufzustellen. Erstens: Das OMT-Programm wird, wenn es zur Anwendung gelangen sollte, unter zeitlichen Umständen durchgeführt, die tatsächlich die Bildung eines Marktpreises für die Staatsschuldtitel ermöglichen. Zweitens: Die EZB enthält sich, wenn das Programm zur Anwendung gelangen sollte, jedes unmittelbaren Eingreifens in die Finanzhilfeprogramme, an die das OMT-Programm anknüpft. Das OMT-Programm wird begründet und ist verhältnismäßig. Auflagen sind zu erfüllenLaut EZB-Ankündigung vom September 2012 darf das OMT-Programm nur durchgeführt werden, wenn der Staat, dessen Anleihen auf dem Sekundärmarkt gekauft werden sollen, ein bestimmtes Finanzhilfeprogramm mit den Rettungsschirmen ESM oder EFSF vereinbart hat und die Auflagen des Programms auch erfüllt. Sollte der EuGH der Empfehlung Villalóns folgen, müssten nach Einschätzung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) ihre Kontrollfunktionen künftig ohne die EZB wahrnehmen.Das EZB-Ausscheiden aus der Troika ist jedoch nach der von den Euro-Staaten ratifizierten verbindlichen Fassung des ESM-Vertrages unmöglich. Der ESM-Vertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der nach den Prinzipien der Wiener Vertrags-rechtskonvention (WVK) auszulegen ist. Ein Vertrag, der in Kraft ist, bindet die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen (Art. 26 WVK, “Pacta sunt servanda”). Auszulegen ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes (Art. 31 Abs. 1 WVK). Der Zusammenhang ergibt sich dabei zunächst einmal aus dem Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen (Art. 31 Abs. 2 WVK).Schon aus Erwägungsgrund 10 des ESM-Vertrages ergibt sich, dass der EZB Aufgaben nach dem ESM-Vertrag zugewiesen sind. Diese Aufgaben sind vorwiegend in Art. 13 des ESM-Vertrages – “Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe” – konkretisiert. Aus Art. 13 des ESM-Vertrages ergibt sich, dass nicht zwingend eine Dreiergruppe – umgangssprachlich “Troika” – aus EU-Kommission, EZB und IWF tätig werden muss, sondern dass auch ein Duo tätig sein kann. Freiwillig ist aber nur die Beteiligung des IWF, nicht die der EZB und die der EU-Kommission. Im Benehmen mit der EZBSowohl die EU-Kommission als auch die EZB haben nach Art. 13 des ESM-Vertrages fest definierte Aufgaben. Nachdem ein Euro-Staat beim Gouverneursrat des ESM um Finanzhilfe nachgesucht hat, bewertet die EU-Kommission unter Einbeziehung der EZB (“im Benehmen mit der EZB”), ob eine Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten vorliegt, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist und wie hoch der Finanzierungsbedarf des antragstellenden Staates ist.Wenn der Gouverneursrat des ESM beschließt, dem Antragsteller Finanzhilfe zu gewähren, wird die EU-Kommission vom Gouverneursrat damit beauftragt, “im Benehmen mit der EZB” sowie “nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF” ein sogenanntes “Memorandum of Understanding” mit dem Antragsteller auszuhandeln, in dem die mit der Finanzhilfe verbundenen Auflagen definiert werden. Sobald das Finanzhilfeprogramm vereinbart worden ist, überwacht die EU-Kommission “im Benehmen mit der EZB” sowie “nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF” die Einhaltung der mit dem Euro-Staat vereinbarten Auflagen. Optional ist nach dem Vertragswortlaut daher nur die IWF-Mitwirkung, nicht aber die Mitwirkung von EZB und EU-Kommission. Hieraus ergibt sich, dass ein Verstoß gegen den ESM-Vertrag vorläge, wenn die EZB nicht in der im ESM-Vertrag vorgesehenen Form am Prozedere mitwirken würde. Bei der Auslegung nach Art. 31 der WVK ist neben dem Vertragswortlaut auch noch jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht, zu berücksichtigen. In der Vergangenheit wurden für die ESM-Programme für Spanien und Zypern jeweils die EU-Kommission, die EZB und der IWF als Troika tätig. Auch dies spricht gegen ein Recht der EZB auf Ausscheiden aus der Troika. Vertragsänderung nötigEin Ausscheiden der EZB aus der Troika wäre daher nur möglich nach einer Änderung des ESM-Vertrags, die in Deutschland vom Plenum des Bundestags zu ratifizieren wäre. Wenn der ESM-Vertrag nicht geändert wird und der EuGH der Ansicht des Generalanwalts folgt, dürfte die EZB aufgrund ihrer zwingenden unmittelbaren Involvierung in die Finanzhilfeprogramme des ESM das OMT-Programm nicht durchführen.—-Bettina Brück, Rechtsanwältin Corporate/M&A der Luther Rechtsanwaltgesellschaft