Paris

Ein Traum für Regisseure

Die Corona-Beschränkungen in Frankreich sind nicht für alle negativ. Die Filmindustrie freut sich, in Paris nahezu ungestört drehen zu können. Und die Weinbranche in Bordeaux besinnt sich wieder auf alte Werte.

Ein Traum für Regisseure

Paris, ein Fest fürs Leben? Derzeit nicht unbedingt. Alles, was Frankreichs Hauptstadt zum Leben ausmache, sei derzeit nicht möglich, beklagen viele Einwohner. Mit Freunden oder der Familie draußen auf der Terrasse eines Cafés sitzen oder gemeinsam ein Restaurant, Theater, Kino oder Ausstellungen zu besuchen, das geht seit Monaten nicht mehr. Viele Pariser Bürger sind nicht nur deshalb seit dem neuerlichen Inkrafttreten von Ausgangsbeschränkungen wieder aufs Land geflohen.

In den meisten Straßen ist es abends, sobald die nächtliche Ausgangssperre gilt, deutlich dunkler geworden. Ohne die Beleuchtung der Cafés und Restaurants wirken einige Viertel auf den ersten Blick, als sei dort der Strom ausgefallen. Das Leid der Anwohner ist jedoch die Freud der Filmschaffenden. Sie profitieren von den neuen Beschränkungen, die ihnen ermöglichen, in den Straßen von Paris weitestgehend ungestört filmen zu können, vor allem abends. Seit ein paar Wochen finden dort immer mehr Dreharbeiten statt.

Normalerweise würden die Produktionsgesellschaften bis zum Höhepunkt der Sommerpause in den ersten beiden Augustwochen vor Mariä Himmelfahrt am 15. August warten, um die schwierigsten Szenen wie Verfolgungsjagden oder solche, die in einer anderen Epoche stattfinden, zu drehen, sagt Schauspieler und Regisseur Nicolas Ploux. Jetzt hätten sie quasi jeden Tag dieselben Bedingungen wie im August.

Ploux hat die strenge Ausgangssperre vor einem Jahr für Aufnahmen der Straßen genutzt, die später als Hintergrund für im Studio gedrehte Szenen benutzt werden können. Nicht nur er, sondern etliche andere Regisseure profitieren nun von der den Parisern auferlegten Zwangspause. Pro Tag fänden derzeit im Schnitt Dreharbeiten für 20 verschiedene Filme statt, berichtet Michel Gomez, der in der Stadtverwaltung von Paris für Filmproduktionen zuständig ist. Er geht deshalb davon aus, dass die französische Hauptstadt in diesem Jahr einen neuen Rekord an Drehtagen aufstellen wird.

Keinen Rekord der Fachbesucher, die in die Stadt reisen, um den jüngsten Jahrgang zu probieren, wird es in diesem Jahr dagegen in Bordeaux geben. Normalerweise empfängt der Winzerverband Union des Grands Crus de Bordeaux (UGCB) jedes Jahr Ende März, Anfang April mehrere Tausend Einkäufer, Weinkritiker und andere Fachleute zur traditionellen Verkostung der Primeur-Weine, die zwar schon in den folgenden Wochen bestellt und bezahlt, aber erst in zwei Jahren geliefert werden. Nachdem die Verkostungswoche letztes Jahr auf Juni verschoben werden musste, findet sie dieses Jahr in Etappen statt. Erst gab es vor Ort ein paar Termine unter Einhaltung strenger Auflagen, dann gab der Winzerverband aus Bordeaux diesen Montag den Startschuss für Verkostungen, die diese Woche für auserwählte Fachleute in Zürich, Brüssel, Frankfurt, Hongkong und Paris stattfinden.

Als die erste Coronavirus-Welle vor einem Jahr das öffentliche Leben lahmlegte, befürchteten viele Experten das Schlimmste für das berühmte Anbaugebiet im Südwesten Frankreichs. Denn Bordeaux-Weine bekamen zusätzlich zu den Auswirkungen der Pandemie auch die Strafzölle von 25% zu spüren, die die amerikanische Regierung unter Donald Trump als Wiedergutmachung für unrechtmäßige Subventionen der Europäischen Union für Airbus verhängt hatte.

Dennoch fällt die Bilanz bisher nicht ganz so negativ wie zunächst befürchtet aus, auch wenn nun gerade der Nachtfrost zu Beginn des Monats einen Teil der künftigen Ernte zerstört hat. Vom Volumen her sind die Verkäufe von Bordeaux-Weinen im letzten Jahr um 5% auf 3,92 Mill. Hektoliter eingebrochen, vom Wert her sogar um 12% auf 3,5 Mrd. Euro. Die Krise habe jedoch auch dazu geführt, das für Bordeaux traditionelle System zumindest ein wenig in Frage zu stellen und neue Ansätze zu entwickeln, urteilen Branchenvertreter. Denn zuletzt war es zu gewissen Spannungen zwischen namhaften Gütern und Weinhandelshäusern gekommen. Die Pandemie hat ihnen jedoch wieder bewusst gemacht, dass sie aufeinander angewiesen sind.

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