Notiert in FrankfurtBundesliga

Eine typische Eintrachtsfliege

Hertha ist die "Alte Dame", Mainz der "Karnevalsverein und die Eintracht aus Frankfurt die "launische Diva". Das will der Verein zwar am liebsten ändern, das ist aber gar nicht so einfach - wie die vergangenen Tage gezeigt haben.

Eine typische Eintrachtsfliege

Notiert in Frankfurt

Eine typische Eintrachtsfliege

Von Detlef Fechtner

Der Schlusspfiff von Schiedsrichter Felix Zwayer war noch nicht verhallt, als Frankfurts Stadionsprecher den gut 50.000 Eintracht-Fans im Waldstadion aus der Seele sprach: „Ja, ist denn schon Weihnachten?“ Gerade hatten die Frankfurter den deutschen Dauermeister Bayern München mit 5:1 (in Worten fünf zu eins) zusammengefaltet. Dass sich der Stadionsprecher, um das kollektive Hochgefühl zum Ausdruck zu bringen, dann auch noch ausgerechnet jenes Slogans bediente, mit dem Bayern-Legende Franz Beckenbauer jahrelang für E-Plus geworben hatte, mag man an der Grenze der Unsportlichkeit ansiedeln, schließlich – alte Fußballerweisheit! – muss man auch gewinnen können. Andererseits sollten in diesem Fall strafmindernde Umstände gelten. Denn die geplagte Eintracht-Seele war in den Tagen vor dem Spiel gegen die Bayern ja auch ziemlich strapaziert worden, nach peinlichen Niederlagen gegen Stuttgart, Augsburg und Thessaloniki – und einer noch peinlicheren Schlappe gegen Saarbrücken.

Im Waldstadion – oder für die, die es so lieber wollen: im Deutsche-Bank-Park – machte am Samstag denn auch schnell das Wort von der typischen Eintagsfliege die Runde. Oder, wie es einer formulierte, von der „typischen Eintrachtsfliege“. Und natürlich war auch rasch wieder von der „launischen Diva“ die Rede.

Dabei arbeiten die Verantwortlichen des Fußballklubs seit Jahren daran, das Image der Eintracht als besonders schwankungsanfälliger Verein abzulegen. Ohne Zweifel ist es der Geschäftsführung gelungen, die Phase der extremen Ausschläge, die beispielsweise in den Neunzigern die Eintracht kennzeichnete, weit hinter sich zu lassen. Längst vergessen, dass die damalige „Fahrstuhlmannschaft“ binnen anderthalb Dekaden viermal ab- und viermal aufstieg. Andererseits zählt Frankfurt auch heute noch zu den – positiv formuliert – unberechenbaren Teams. Die Volatilität ist nach wie vor überdurchschnittlich. So ist die Eintracht gegen Spitzenteams wie München oder Leipzig gerade auf heimischem Terrain oft top. Beispielsweise weist die Heimstatistik der SGE gegen Bayern München seit dem Start der Bundesliga in den sechziger Jahren 20 Siege bei nur 16 Niederlagen aus. Gegen vermeintlich leichtere Gegner wie etwa den FC Augsburg sieht die Bilanz derweil nicht so erfreulich aus.

Stellt sich die Frage: Ist der landauf, landab verbreitete Titel der "launischen Diva" eigentlich eine Schmähung oder nicht doch eher ein Kompliment? Schließlich kommt darin zum Ausdruck, dass man dem Verein vieles zutraut. Hand aufs Herz: Launische Diva klingt jedenfalls besser als die "Alte Dame Hertha" oder der "Meenzer Karnevalsverein". Und auch als die "Unabsteigbaren", wenn man bedenkt, dass die Bochumer in Zweitligazeiten damit leben mussten, als die "Unwiederaufsteigbaren" verspottet zu werden.

Fünf Tage nach dem Triumph gegen Bayern hat sich Eintracht Frankfurt am Donnerstag in der Conference League mit 2:0 von Aberdeen düpieren lassen. Man könnte sagen: Quod erat demonstrandum. Eigentlich müsste den Eintracht-Anhängern deshalb vor dem Sonntagsspiel gegen die derzeit überragend aufspielenden Leverkusener bange sein. Aber nein: Im Grunde sollte sich ganz Frankfurt darauf freuen, dass die Mannschaft gerade jetzt vor einem aussichtslosen Auswärtsspiel steht. Genau das sollte ihre Chance sein!

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