KommentarMedienbranche

Horrorprogramm aus Unterföhring

ProSiebenSat.1 schockiert die Anleger zur Bilanzvorlage mit schlechten Nachrichten. Die Sendergruppe aus Unterföhring bei München sorgt an der Börse für ein Horrorprogramm.

Horrorprogramm aus Unterföhring

ProSiebenSat.1

Horrorshow aus München

Von Stefan Kroneck

Unterföhring im Nordosten von München gehört eigentlich zu den ruhigen Vororten der bayerischen Landeshauptstadt. Doch was die dort residierende Mediengruppe ProSiebenSat.1 derzeit in die Öffentlichkeit ausstrahlt, gleicht einer Horrorshow. Anleger wenden sich von dem MDax-Mitglied ab. Zur Bilanzvorlage am Freitag stürzte die Aktie um fast ein Fünftel ab. Die schlechten Nachrichten, die der neue Vorstandsvorsitzende Bert Habets lieferte, sorgten nicht nur für Unruhe an der Börse, sondern auch in der Unterföhringer Konzernzentrale.

Die Neuigkeiten der Reihe nach: Der Aufsichtsrat wechselt den Finanzvorstand aus, die Gutschein-Affäre bei den beiden Konzerntöchtern Jochen Schweizer und Mydays bekommt eine größere Tragweite, die Verwaltung kürzt die Dividende deutlich, und die Geschäftsleitung legt eine maue Prognose für das laufende Jahr vor.

In der Tat sind die Baustellen, mit denen sich der seit sechs Monaten an der Unternehmensspitze stehende Niederländer herumschlagen muss, beachtlich. Habets‘ Start als CEO von ProSiebenSat.1 ist alles andere als gelungen. Die wegen der Gutschein-Causa um fast zwei Monate verschobene Bilanzvorlage lieferte ein ernüchterndes Bild über die Lage des weit verzweigten Konzerns. Aufgrund der Affäre drohen ProSiebenSat.1 weitere negative Schlagzeilen. In den Fall hat sich mittlerweile die Staatsanwaltschaft München I eingeschaltet. Es besteht ein Anfangsverdacht von Straftaten. ProSiebenSat.1 warnt in diesem Zusammenhang vor hohen finanziellen Belastungen für den Konzern. Die Causa legt Schwachstellen in der hausinternen Rechnungskontrolle offen.

Die Aufarbeitung des Sachverhalts bindet im Unternehmen viele Managementkapazitäten. Das dürfte Habets von seiner Kernaufgabe ablenken, die Sendergruppe operativ wieder auf Kurs zu bringen. Auf diesem Feld benötigen die Aktionäre mit der Firma viel Geduld.

Aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds wird das operative Ergebnis auch 2023 rückläufig sein. Die Werbeeinnahmen schrumpfen. In dieser Gemengelage ist ein umfangreicher Stellenabbau denkbar. Zugleich beträgt der Berg an Netto-Finanzverbindlichkeiten 1,6 Mrd. Euro. Der Verschuldungsgrad wird sich dieses Jahr deutlich verschlechtern. Dass die Verwaltung vor diesem Hintergrund die Dividende für 2022 faktisch streichen will, verstimmt die Anteilseigner. Habets schlägt einen Sparkurs ein. Das für den 30. Juni angesetzte diesjährige ordentliche Aktionärstreffen wird für den Aufsichtsratsvorsitzenden Andreas Wiele und für den CEO kein Honigschlecken.

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