Frankfurt

Ich darf Ihnen dazu nichts sagen

Die Erfahrung im redaktionellen Alltag zeigt: Oft sind Gespräche mit Managern, die ausdrücklich sagen, dass sie nichts sagen dürfen, durchaus journalistisch ertragreich.

Ich darf Ihnen dazu nichts sagen

Zu den Höhepunkten im Alltag eines Journalisten gehören Scoops – also exklusive Meldungen, die eine Nachrichtenagentur, eine Zeitung oder ein Sender vor allen anderen Medien verbreitet. Die meisten Journalisten können sich an ihre Scoops noch lange Zeit erinnern – so wie Fußballprofis an Seitfallzieher oder direkt verwandelte Eckbälle. Ein Teil dieser Scoops ist das Ergebnis harter und geduldiger Recherche. Ein anderer Teil jedoch ist schlicht Glück. Oder der Lohn dafür, mit ein paar Fragen Ge­sprächspartner dazu zu verleiten, Vertrauliches auszuplaudern.

So gelang es Frankfurter Finanzjournalisten einst, ausgerechnet jenem Bereichsvorstand einer Großbank recht präzise Hinweise auf die Höhe des Jahresgewinns zu entlocken, der sich stets öffentlich darüber entrüstete, dass da scheinbar irgendwer in der Führungsetage oder im Aufsichtsrat nicht dichthalten konnte. „Ich werde“, seufzte der Manager, „ja bestimmt auch dieses Jahr noch vor der Vorlage der Zahlen bei Ihnen oder Ihren Kollegen lesen, wie viel wir voriges Jahr verdient haben.“ „Na ja, dass es mehr als eine Milliarde sein wird, ist ja bereits durchgesickert“, lautete die Entgegnung von einem der Journalisten. „Sehen Sie: Das ärgert mich maßlos, dass sich da irgendwer schon wieder verplappert hat“, beklagte der Bereichsvorstand. „Und ich habe läuten gehört, dass die Bank sogar das Vorjahr getoppt hat“, setzte rasch sein Kollege den Bluff fort. „Na, da hat Ihnen aber jemand einen Bären aufgebunden“, lautete die Antwort des Bankers. Eine Woche später berichtete das Institut über ein Jahresergebnis von 1,07 Mrd. Euro – und bestätigte damit eine Meldung der beiden Journalisten, die mit Verweis auf Bankenkreise über ein Ergebnis zwischen 1,0 Mrd. und 1,1 Mrd. Euro berichtet hatten.

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Die Liste der Vorstände oder Finanzpolitiker, die ohne Absicht Vertrauliches preisgegeben haben, ist ellenlang. Zu ihnen zählt auch ein deutscher Staatssekretär, der sich so sehr über die EU-Kommission ärgerte, dass man ihn lediglich mit angeblichen Behauptungen der EU-Behörde konfrontieren musste, um ihn zu – äußerst aufschlussreichen – Klarstellungen zu provozieren. „Wenn die EU-Kommission behauptet, sie hätte die Landesbank zu einem Verkauf der Sparte binnen zwei Jahren verdonnert, dann ist das eine freche Lüge. Die Bundesregierung hat auf vier Jahren bestanden – und sich durchgesetzt.“ Vielen Dank für die Information, Herr Staatssekretär!

Die eigene Erfahrung und der Austausch mit Kollegen zeigt: Un­terhaltungen mit Gesprächspartnern, die von Vorneherein ausdrücklich klarstellen, dass sie nichts mitzuteilen haben, fördern überraschenderweise oft mehr zutage als der Austausch mit Managern, die augenzwinkernd insinuieren, sie würden große Geheimnisse offenbaren. Insofern ist die Einleitung mit den Worten „Ich darf Ihnen nichts dazu sagen“ oft journalistisch ertragreicher als das „Ganz unter uns, ich kann Ihnen da was erzählen, aber das haben Sie nicht von mir“.

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