Paris

In aller Pracht

Das Marais mit seinen prächtigen Stadtpalästen hat bereits mehrere grundlegende Wandel erlebt. Vielen Parisern ist es inzwischen zu herausgeputzt. 

In aller Pracht

Auf der einen Seite Guerlain, Dip­tyque und Acqua di Parma, auf der anderen L’Artisan Parfumeur, Atelier Cologne, Frédéric Malle und Bon Parfumeur: Noch nicht mal 150 Meter lang ist der Abschnitt in der Rue des Francs Bourgeois. Und doch reiht sich hier eine Boutique exklusiver Parfümhersteller an die andere. In den umliegenden Straßen des Marais sieht es nicht anders aus. Edle Geschäfte von Luxusmarken dominieren das Bild. An den Wochenenden herrscht auf den Straßen dichtes Gedränge und Sprachengewirr.

Dabei hätte noch vor ein paar Jahrzehnten so mancher alteingesessene Einwohner von Paris keinen Fuß in das zentral zwischen der Bastille und dem Centre Pompidou gelegene Viertel gesetzt. Das Marais war heruntergekommen und galt als Sanierungsfall. Viele der prächtigen Stadtpaläste verfielen, genau wie andere, oft jahrhundertealte Gebäude des historischen Stadtteils, in dem einst Tempelritter, Könige und andere Mitglieder des Hochadels wohnten. Sie waren Mitte des 18. Jahrhunderts auf die Rive Gauche in den Faubourg Saint-Germain umgezogen.

Er habe die ersten Jahre seiner Kindheit im Marais gewohnt, weil seine Eltern damals noch studierten und sich keine andere Gegend leisten konnten, erzählt ein Freund. Heute dagegen wäre das unvorstellbar. Für Studenten ist das Viertel längst zu teuer. Denn die Immobilienpreise dort sind in den letzten 20 Jahren explodiert. Unter 15000 Euro pro Quadratmeter ist im Marais kaum etwas zu finden. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Wohnungen betrug in Paris intra muros zuletzt im Schnitt 10570 Euro. Für ein an der Place des Vosges im Marais gelegenes Appartement fallen 30000 Euro an.

Wie die Boutiquen der Luxusmarken zeugen die Immobilienpreise von dem grundlegenden Wandel, den das Marais vollzogen hat, seit André Malraux als Kulturminister 1962 mit einem Gesetz die Renovierung historisch und ästhetisch wertvoller Gebäude vorantrieb. Das als historisches Zentrum des jüdischen Lebens bekannte Viertel mit seinen verwinkelten Gassen und prächtigen Stadtpalästen feierte seine Renaissance. Erst entdeckte es danach die homosexuelle Gemeinde für sich, später wohlhabende Ausländer. So manchem Pariser ist es dort jedoch längst zu voll und geschniegelt geworden. Authentisch ist es lange nicht mehr.

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Auch auf der nur ein paar Hundert Meter vom Marais entfernten Île de la Cité drängen sich die Touristen, um einen Blick auf Notre-Dame zu erhaschen. Fast auf den Tag drei Jahre ist es her, dass die berühmte Kathedrale am Abend des 15. April bei einem Brand schwer beschädigt wurde. Sie soll am 16. April 2024 wieder für Besucher geöffnet werden. Nachdem die rund 151 Mill. Euro teuren Arbeiten zur Sicherung des gotischen Bauwerks im Sommer letzten Jahres beendet wurden, haben inzwischen die eigentlichen Wiederaufbauarbeiten begonnen.

Die Reinigung und Restauration der Orgel, die seit 1733 als die Stimme von Notre-Dame gilt, hat schon 2020 begonnen. Das Instrument wurde beim Brand von Flammen und Löschwasser verschont, jedoch nicht von dem dabei freigesetzten Bleistaub. In monatelanger Arbeit wurde die zweitgrößte Orgel Frankreichs auseinandergenommen, da­mit ihre 19 Windladen und 8000 Orgelpfeifen gereinigt und renoviert werden können. Diese Arbeit teilen sich die drei im Süden und dem Zentrum Frankreich beheimateten Orgelbauer Quoirin, Cattiaux-Chevron und die Manufacture Langue­docienne de Grandes Orgues.

Ab Sommer nächsten Jahres soll die Orgel dann wieder zusammengebaut und gestimmt werden. Da dafür absolute Stille erforderlich ist, soll dies nachts geschehen. Die Gesamtkosten der Renovierung des Instruments werden auf 1 bis 2 Mill. Euro geschätzt. Finanziell hilft dabei auch die Stiftung Bettencourt Schuel­ler der L’Oréal-Erben. Sie gehört seit langem zu den Mäzenen von Notre-Dame. Nach dem verheerenden Brand hatten zahlreiche französische Konzerne für die Renovierung der Kathedrale gespendet. Denn das Unglück hat nicht nur Paris, sondern ganz Frankreich im Herzen getroffen. Viele Pariser schauen seit dem Brand regelmäßig bei Notre-Dame vorbei, um zu sehen, wie es ihrer Kathedrale inzwischen geht.