Medienlandschaft

​Milliardäre bestimmen Schicksal französischer Medien

Ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen verfolgt der Élysée-Palast die Entscheidung, wer von Bertelsmann den Zuschlag für die Fernsehsendergruppe M6 bekommt, ganz genau. Dafür haben sich mehrere Milliardäre in Stellung gebracht.

​Milliardäre bestimmen Schicksal französischer Medien

Von Gesche Wüpper, Paris

Der Countdown läuft. Mit Spannung verfolgen der Élysée-Palast und Vertreter der Oppositionsparteien den geplanten Verkauf der Fernsehsender-Gruppe M6 durch Bertelsmann. Eine Entscheidung könnte nach dem Himmelfahrtswochenende bekannt gegeben werden, heißt es in Paris. Es sei das derzeit heißeste Fusions-/Akquisitionsprojekt Frankreichs. Denn ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen kommt dem Verkauf des zweitgrößten französischen Privatfernsehsenders und dem ebenfalls zu M6 gehörigen Radiosender RTL – der reichweitenstärkste Privatsender des Landes – besondere Bedeutung zu.

An dem Casting beteiligen sich mit Bouyuges-Chef Martin Bouyuges, Vivendi-Hauptaktionär Vincent Bolloré, Iliad-Großaktionär Xavier Niel und dem tschechischen Investor Daniel Kretinsky gleich mehrere Milliardäre, die in den letzten Jahren die französische Medienlandschaft aufgemischt haben. Mediaset aus Italien hat ebenfalls Interesse bekundet. Derzeit gilt der Bouygues-Fernsehsender TF1 als Favorit. So betonte Bertelsmann-Chef Thomas Rabe kürzlich, ein Zusammengehen von M6 mit TF1 würde der RTL-Strategie entsprechen, aktiv zu konsolidieren. TF1 soll dem Vernehmen nach auch den Segen des Élysée-Palastes haben.

Doch die Übernahme durch TF1 könnte bei Wettbewerbshütern auf Bedenken stoßen. Die Bertelsmann-Tochter und der Sender von Martin Bouygues sollen deshalb bereits sondieren, welche Zugeständnisse sie machen müssten. Da sie zusammen auf zehn frei empfangbare Sender (TF1, TF1 Séries Films, LCI, TMC, TFX, M6, W9, 6ter, Gully, Paris Première) kämen, müssten sie drei kleinere davon verkaufen, um den wettbewerbsrechtlichen Auflagen in Frankreich zu entsprechen. Das dürfte möglicherweise nicht ausreichen, da TF1 und M6 zusammen rund 75% des Fernsehwerbemarktes kontrollieren würden.

Xavier Niels Imperium

Die möglichen kartellrechtlichen Probleme von TF1 stärken die Chancen der anderen Kandidaten. Dabei soll Iliad-Großaktionär Niel aus Sicht des Élysée-Palastes die zweitbeste Lösung sein. Der 53-jährige Lebensgefährte von Delphine Arnault, der Tochter von LVMH-Chef Bernard Arnault, hat sich in den vergangenen Jahren ein kleines Medienimperium aufgebaut, das er gerade in die Stiftung Fonds pour l‘indépandance de la presse eingebracht hat.

Niel ist einer der Hauptaktionäre der Le Monde-Gruppe. Ihm gehören zudem das Nachrichtenmagazin „L’Obs“, die beiden Regionalzeitungen „France-Antilles“ und „Nice-Matin“ sowie das auf Pferderennen spezialisierte Blatt „Paris-Turf“. Einen Fernsehsender besitzt er nicht, doch hat er zusammen mit Matthieu Pigasse, einem der anderen „Le Monde“-Großaktionäre, und dem Theaterproduzenten Pierre-Antoine Capton die Produktionsgesellschaft Mediawan aufgebaut.

Präsident Emmanuel Macron und er seien Freunde geworden, vertraute er einmal der Presse an. Die beiden Männer kennen sich aus der Zeit, in der Macron für die Rothschild-Bank tätig war und Le Monde vor dem Einstieg neuer Aktionäre beriet. Es wäre nicht das erste Mal, dass Niel als weißer Ritter auftaucht und so die Übernahme durch einen Interessenten verhindert, der eine deutlich rechtskonservative Richtung vorgegeben hätte. So übernahm er 2019 „Nice-Matin“, als die Regionalzeitung in die Hände des franco-libanesischen Geschäftsmanns Iskandar Safa zu fallen drohte. Safa gehört die rechtskonservative Zeitschrift „Valeurs Actuelles“, die gerade mit rechtsnationalen Namensbeiträgen aktiver und ehemaliger Generäle den Boden für den Wahlkampf von Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National (RN) be­reitet. Jetzigen Umfragen zufolge gilt es als sicher, dass sie bei den Präsidentschaftswahlen 2022 in die Stichwahl kommen wird.

Bei dem M6-Verkauf könnte Niel nun mit seinem Angebot verhindern, dass eine rechtskonservative Sendergruppe wie Fox News in den USA entsteht. Denn zu den anderen Interessenten gehört Vivendi-Großaktionär Vincent Bolloré, dessen Nachrichtensender CNews dem Élysée mit der abendlichen Sendung des für seine islamfeindlichen, nationalistischen Hasstiraden bekannten Mo­derators Eric Zemmour ein Dorn im Auge ist.

Der Bolloré-Gruppe, deren Herzstück aus Transport und Logistik in Afrika besteht, gehört neben CNews auch der Fernsehsender C8. Vivendi wiederum besitzt den Bezahlfernsehsender Canal+ sowie Beteiligungen an Prisa („El País“) und Lagardère (Europe 1, Paris Match, JDD). Zudem dürfte der Kauf der Bertelsmann-Tochter Prisma Press, die in Frankreich Magazine wie „Capital“, „Geo“ und „Gala“ verlegt, diesen Monat finalisiert werden, heißt es in Paris.

Die enge Verflechtung von Wirtschaft und Medien in Frankreich hat Tradition – spätestens seit Bouygues TF1 nach der Privatisierung 1987 übernommen hat. Seitdem hat die Dassault-Gruppe die konservative Tageszeitung Figaro erworben und LVMH nach Radio Classique die Wirtschaftszeitung „Les Échos“, das Finanzblatt „Investir“, „Le Parisien“ sowie eine Beteiligung an dem Wirtschaftsmagazin „Challenges“.

LVMH-Chef Bernard Arnault ist zudem an der Lagardère-Gruppe beteiligt, an deren Titeln JDD und Paris Match er interessiert sein soll. Firmenerbe Arnaud Lagardère hat jedoch gerade versprochen, dass die Gruppe nicht zerschlagen werden soll.