KommentarWacker Chemie

Schlechte Nachrichten in guter Gesellschaft

Die Warnung des Münchner Konzerns Wacker Chemie vor einem schwächeren Jahresergebnis beeindruckt die Investoren nicht. Denn die ganze Branche kämpft mit der Nachfrageflaute.

Schlechte Nachrichten in guter Gesellschaft

Wacker Chemie

In bester Gesellschaft

Von Joachim Herr

Mit der schlechten Nachricht ist Wacker Chemie in guter Gesellschaft. Vor dem Münchner Konzern senkte schon eine ganze Reihe anderer Unternehmen der Branche ihre Jahresziele: etwa Lanxess, Evonik, Clariant und zuletzt der Primus BASF. Verglichen mit dem Rekordjahr 2022 rechnet Wacker Chemie nun im schlimmsten Fall mit einem Umsatzrückgang von 20% auf 6,5 Mrd. Euro. Das wäre schon happig. Und für das operative Ergebnis (Ebitda) stellt der Vorstand jetzt im Idealfall – also der besten Entwicklung in der tristen Gemengelage – 1 Mrd. Euro in Aussicht. Das wäre eine glatte Halbierung.

Geschäft bleibt zyklisch

Die Aktionäre reagierten am Mittwoch jedoch nur mit einem Schulterzucken: Aus einem Kursverlust von 4% zu Beginn wurde zwischenzeitlich ein kleines Plus und zum Xetra-Schluss ein Anstieg von immerhin 0,7%. Die Gründe für die moderate Abrechnung: Zum einen überraschte Wacker Chemie nach den Vorlagen der Konkurrenz nicht mehr mit der Warnung. Zum anderen ist und bleibt das Geschäft zyklisch. Zum Beispiel in der Bauwirtschaft, die mit einem Anteil von 30% am Konzernumsatz größter Kunde ist. Die Branche steckt in einem Konjunkturabschwung fest und braucht weniger Silikone und Polymere von Wacker.

Marktexperten täuschten sich

Die noch Ende April vom Vorstand bekräftigte Hoffnung auf eine Belebung in der zweiten Jahreshälfte bleibt aus. Der Glaube an die Prognosen von Marktexperten erwies sich als Trugschluss, die Nachfrage ist weiterhin schwach, die Lager der Kunden sind noch gut gefüllt. Höhere Preise lassen sich in dieser Flaute nicht durchsetzen. Im Gegenteil: Für viele Produkte von Wacker Chemie sind sie im Jahresvergleich gesunken.

Einige Zeit lang hatten die Preisaufschläge den Absatzrückgang überdeckt. Schon im dritten Quartal des vergangenen Jahres waren die Mengen gesunken, aber der Umsatz weiter gestiegen. Wacker Chemie konnte damals im Durchschnitt gut ein Viertel höhere Preise im Jahresvergleich durchsetzen. Der Erlösanstieg 2022 um 2 Mrd. Euro resultierte zu 89% aus Preis- und zum Rest aus Währungseffekten. Die Absatzentwicklung war leicht negativ. Das hat sich verschärft.

Polysilizium dämpft Abschwung

Und wie andere in der Branche richtet Wacker Chemie einen bangen Blick nach China. Dort kommt die Konjunktur auch nach Corona nicht richtig in Fahrt. In dem riesigen Markt erzielte das Münchner Unternehmen zuletzt knapp 30% seines Jahresumsatzes. Recht robust entwickelt sich das Geschäft mit Polysilizium für die Halbleiterindustrie. Diese Diversifizierung dämpft die Abwärtsbewegung in der Chemie.

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