LEITARTIKEL

Schrecklich nette Familien

Die erste Generation baut auf, die zweite erhält, meine Generation ist die dritte. Und die ruiniert normalerweise." Also sprach Ferdinand Piëch (76). Doch muss der Gesellschafter und Aufsichtsratschef von Volkswagen, des größten Familienunternehmens...

Schrecklich nette Familien

Die erste Generation baut auf, die zweite erhält, meine Generation ist die dritte. Und die ruiniert normalerweise.” Also sprach Ferdinand Piëch (76). Doch muss der Gesellschafter und Aufsichtsratschef von Volkswagen, des größten Familienunternehmens der Republik, noch einiges tun, um den Wahrheitsgehalt seiner Aussage zu beweisen. Während VW erst im hohen Alter Familienunternehmen wurde, sind es andere traditionell. Ausgerechnet dort haben frühere Finanzchefs das Sagen.Das gilt für Bertelsmann, Haniel und Schaeffler, die über ihre Beteiligungen an RTL, Metro und Continental auch am Kapitalmarkt wichtige Adressen sind. Thomas Rabe, Stephan Gemkow und neuerdings Klaus Rosenfeld haben die Führungspositionen inne. Damit stehen die früheren CFO zwar nicht allein, werden doch etwa auch BASF oder Siemens heute von einstigen Finanzchefs geleitet. Doch Lenkern familieneigener Unternehmen kommt eine besondere Rolle zu, sie können zwar unabhängig von der Kurzatmigkeit der Kapitalmärkte gestalten, doch sie benötigen stets den Rückhalt der Gesellschafter. Sonst ist schnell Schluss mit lustig. Das hat vor Jahren Thomas Middelhoff in Gütersloh erfahren, und das erlebte jüngst Jürgen Geißinger in Herzogenaurach.Familienfirmen stützen die deutsche Wirtschaft, sorgen für Beschäftigung, begeistern andere fürs Unternehmertun und setzen auf Eigenkapital. Kurz: Sie sind die Guten. Doch einige der schrecklich netten Familien haben der Masse gerade auch in puncto Governance Bärendienste erwiesen – und auch außenstehenden Aktionären. So Haniel mit den Führungsquerelen, die auf die Portfoliofirmen Metro und Celesio durchschlugen. Oder der als Kampf Davids gegen Goliath dargestellte Angriff von Schaeffler auf Continental. Und auch Mohns haben Bertelsmann mit einer Hü-und-hott-Politik lange strategisch gelähmt.Familienunternehmen bewegen sich nun einmal, wenn sie selbst oder Töchter börsennotiert sind, auf dem schmalen Grad zwischen Transparenz und persönlicher Vermögensverwaltung. Wie sieht es bei Erfolgreichen aus? Da ziehen Quandts als Ankeraktionäre ganz im Hintergrund die Strippen bei BMW. Die Familie Henkel mischt sich kaum in die Strategie des Waschmittelkonzerns ein.Die Erfahrungen mit externen Managern sind ganz unterschiedlich. Den Rückhalt von Friede Springer (71) hat Mathias Döpfner beim Verlagskonzern Springer ganz gewiss. Und Rabe kann sich der Unterstützung von Liz Mohn (72) sicher sein. Maria-Elisabeth Schaeffler (72) und ihr Sohn Georg haben Rosenfeld gerade an die Spitze des Auto- und Industriezulieferers gesetzt. Doch zuvor war in Herzogenaurach das Tischtuch mit dem langjährigen Geschäftsführer Geißinger zerschnitten. Die mit ihm gestartete Übernahme von Conti trieb Schaeffler beinahe in den Ruin. Heute hält die Familie 47 % an dem Dax-Konzern und sitzt noch immer auf einem Schuldenberg von 9 Mrd. Euro. Nun haben die Matriarchin und ihr Filius Geißinger fallen gelassen. Andererseits: Wohin bedingungslose Treue – in diesem Fall zu Middelhoff – führen kann, davon kann Madeleine Schickedanz (70) ein Lied singen.Ist aber ein “Finanzer” der Richtige an der Spitze eines Technologieunternehmens? Solange es um “Financial Engineering” und nicht in erster Linie Ingenieur-Know-how geht, gewiss. Haniel ist mit dem Verkauf von Celesio zwar bilanziell ein Befreiungsschlag gelungen. Doch das Portfolio schnurrt zusammen, eine Vorwärtsstrategie ist nicht zu erkennen. Noch weit davon entfernt ist auch Schaeffler. In Herzogenaurach geht es um Entschuldung unter Inanspruchnahme des Kapitalmarktes und Aufnahme externer Investoren – und um die Klärung des Verhältnisses zu Conti.Lenkt ein “gelernter” CFO die Geschicke eines Unternehmens, das der Vermögensverwaltung einer Familie dient, besteht die Gefahr, dass Visionen und große Perspektiven fehlen. Bei den Medienhäusern Bertelsmann und Springer ist der Trend mit der Digitalisierung vorgegeben, die Wege der Kapitalbeschaffung aber erfordern Fantasie. Was aber Schaeffler mit Conti vorhat, steht auch fünf Jahren nach der Übernahme in den Sternen. Und wie es mit Haniel weitergeht, ebenso.Eine Familie, die zeigt, wie ein Imperium mit Hilfe findiger Manager um- und aufgebaut werden kann, ist der 11 Mrd. Euro schwere Benckiser-Clan der Reimanns. Sie scheuen keine Übernahmen, lassen aber die Finger davon, wenn es zu teuer wird. Der strategische Weitblick ist unbestritten. Doch das Konglomerat aus Reinigungsmitteln, Parfüm, Luxus und Kaffee muss erst noch beweisen, dass es sich rechnet.——–Von Walther BeckerGelernte Finanzchefs an der Spitze von Familienunternehmen? Da besteht die Gefahr, dass Visionen und Perspektiven ausgehen.——-