Bayer

Neuanfang

Mit der Wahl von Bill Anderson zum neuen CEO von Bayer ist die Voraussetzung für einen Neuanfang geschaffen. Zur vielfach geforderten Aufspaltung muss es deshalb aber nicht zwangsläufig kommen.

Neuanfang

­Mit der Wahl von Bill Anderson zum neuen CEO von Bayer hat der Aufsichtsrat die richtige Entscheidung getroffen. Anderson, der von Roche kommt, gilt als Idealbesetzung, bringt der US-Amerikaner doch nicht nur breite Erfahrung aus der Pharma- und Biotech-Branche mit, sondern auch profunde Kenntnisse im (Um-)Steuern großer Konzerne. Zwar hätte es auch intern potenzielle Kandidaten für den Top-Job gegeben, aus Sicht des Aufsichtsrats unter Vorsitz von Norbert Winkel­johann war das jedoch schon länger keine Option mehr.

Es ist müßig, darüber zu sinnieren, ob es am Ende der Druck der Straße, sprich der Aktionärsaktivisten war, der zur Bestellung von Anderson führte, oder ob sich Winkeljohann von Beginn an auf eine externe Besetzung festgelegt hatte. Das zu Beginn des Jahres in die Öffentlichkeit getragene Postulat der Aktionärsaktivisten, zügig eine externe Nachfolgeregelung für Werner Baumann an der Konzernspitze zu treffen, war letztlich nur eine – wenngleich aufmerksamkeitswirksame – Show. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung längst gefallen, Anderson hatte seinen Rückzug bei Roche schon im Dezember besiegelt.

Das alles täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass sich der Vertrauensverlust in das aktuelle Management über einen langen Zeitraum verfestigt hat. Weithin sichtbar wurde das erstmals in der Hauptversammlung 2019, in welcher der Vorstand nicht entlastet wurde. Doch auch beim Aktionärstreffen im vorigen Jahr ließen die Entlastungsergebnisse sowohl für den Vorstand als auch für den Aufsichtsrat Luft nach oben. Zugleich verwarfen die Aktionäre den Vergütungsbericht in Bausch und Bogen, obwohl sie dem Vergütungssystem im Jahr davor mit breiter Mehrheit zugestimmt hatten. Damit war auch Winkeljohann angezählt und trat die Offensive an.

Mit Erfolg, wie die Kursreaktion nach Bekanntgabe der externen Nachfolgelösung belegt: Binnen weniger Minuten erreichte der Dax-Wert Kursniveaus, die zuletzt im Juni 2022 gesehen worden waren. So bitter das für den scheidenden Vorstandschef Werner Baumann auch sein muss, der Wunsch der Eigentümer nach einem Neuanfang bei Bayer war nicht länger zu ignorieren. Andersons Bestellung sendet das richtige Signal, kann der von außen kommende Manager doch ohne Schere im Kopf auf den Konzern und seine einzelnen Geschäfte blicken.

Keine Frage, mit der Personalie sind die Probleme nicht beseitigt. Denn obgleich die Übernahme von Monsanto inzwischen fast fünf Jahre zurückliegt – Baumann hatte die verhängnisvolle Transaktion praktisch mit seinem Amtsantritt im Mai 2016 in die Wege geleitet –, sind die Folgen der größten Übernahme der Firmengeschichte bis heute nicht verdaut. Damit sind nicht nur die milliardenschweren Schadenersatzklagen gemeint, die den Aktienkurs seit Jahren deckeln. Vielmehr stehen auch der Pharmasparte herausfordernde Jahre bevor, laufen doch die Patente der beiden mit Abstand umsatzstärksten Pharmaprodukte – sie standen zuletzt für 40 % des Segmentumsatzes – sukzessive aus.

Daran kann zwar auch der ausgewiesene Pharmaexperte Anderson nichts ändern. Doch dürfte dem Medikamentengeschäft künftig mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden, gerade auch wenn es um die Verteilung von Forschungs- und Investitionsgeldern geht. Mit dem Argument, dass die Kunststoffsparte bei der Verteilung des Investitionsbudgets unter Renditegesichtspunkten stets den Kürzeren zog, hatte Marijn Dekkers – der erste Bayer-Chef, der nicht aus den eigenen Reihen kam – 2014 die Entscheidung zur Abspaltung begründet. Die heutige Covestro ist seit März 2018 Dax-Mitglied.

Als Blaupause für das künftige Vorgehen von Anderson sollte das allerdings nicht verstanden werden. Denn Dekkers traf die Entscheidung aus der Position der Stärke. Der Neue dagegen trifft auf einen Konzern, der mit der 63 Mrd. Dollar schweren Übernahme von Monsanto nicht nur die Kriegskasse bis auf den letzten Cent geplündert hat, sondern dem wegen der milliardenschweren Vergleichszahlungen auch die Innenfinanzierungskraft ein Stück weit abhandengekommen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die vielfach geforderte Aufspaltung des Konzerns alles andere als ein Selbstläufer wäre. Von daher ist Anderson gut beraten, sich die erforderliche Zeit zur Portfolioanalyse zu nehmen. Schnellschüsse zur Befriedigung der Interessen von kurzfristig orientierten Aktionären sind das Gegenteil von strategischer Weitsicht. Ein Plädoyer für Bestandswahrung ist das jedoch nicht.

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