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Chinas Tech-Barone nehmen sich aus der Schusslinie

Für die milliardenschweren Gründer von Chinas führenden Internet- und Technologiefirmen ist das politische Klima heißer geworden und schafft eine ungemütliche Atmosphäre. Eine ausufernde Pekinger Regulierungskampagne nimmt die Turbogeschäftsmodelle...

Chinas Tech-Barone nehmen sich aus der Schusslinie

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Für die milliardenschweren Gründer von Chinas führenden Internet- und Technologiefirmen ist das politische Klima heißer geworden und schafft eine ungemütliche Atmosphäre. Eine ausufernde Pekinger Regulierungskampagne nimmt die Turbogeschäftsmodelle der Internetriesen in die Zange. Sie verbindet sich mit einer nicht weniger bedrohlich wirkenden Rhetorikoffensive des Staatspräsidenten Xi Jinping, die eine massive Umverteilungskampagne im Dienste des Gemeinwohls apostrophiert.

Wer immer an der Spitze eines der führenden Tech-Unternehmen steht, muss sich Gedanken darüber machen, wie mit der staatlichen Kontrollwut für die Digitalwirtschaft umzugehen ist, um das eigene Unternehmen und die eigene Haut bestmöglich zu schützen. Dabei hat sich eine probate Verhaltensweise durchgesetzt. Es gilt zunächst, den Kopf einzuziehen, indem man Lenkungsfunktionen an die nächste Führungsgeneration weitergibt und sich erst einmal aus der politischen Schusslinie nimmt. Dann darf man den Kopf wieder hervorstrecken, um sich mit wohldosierten Wohltätigkeitsaktionen hervorzutun und somit soziales Gewissen zu beweisen.

Mittlerweile gibt es eine ganze Hand voll von chinesischen Tech-Milliardären, die sich aus ihrem eigenen Tagesgeschäft zurückgezogen haben, um sich mehr Zeit für philanthropische Tätigkeiten zu nehmen und in Peking damit guten Wind zu machen. Neben dem mittlerweile politisch geächteten Gründer und Chef des E-Commerce-Riesen Ali­baba, Jack Ma, sind auch die Miteigentümer und Chefs der Tech-Riesen Bytedance, Zhang Yiming, und Pinduoduo, Colin Huang, diesen Weg gegangen und haben unternehmerische Verantwortung abgegeben, um soziale Verantwortung zu demonstrieren.

JD-Chef tut sich schwer

Nun hat es auch Liu Qiangdong (Richard Liu), den Gründer und Chief Executive Officer des nach Alibaba zweitgrößten chinesischen Onlinehändlers JD.com, erwischt. Am Montag wurde bekannt gegeben, dass sich Liu mit sofortiger Wirkung aus dem Frontlinien-Management des JD-Konzerns zurückzieht und das Tagesgeschäft anderen überlässt. Nun soll der bisherige Chef der E-Commerce-Kernsparte JD Retail, Xu Lei, als Präsident des JD-Konzerns den obersten Manager spielen, während Xin Lijun und Jin Enlin die Führungsposten bei den Sparten JD Retail und JD Health übernehmen.

Liu dürfte der Rückzug nicht ganz leichtgefallen sein, denn er ließ es sich bisher nicht nehmen, neben der Strategieverantwortung auch sämtliche Geschäftseinheiten des Tech-Riesen persönlich zu führen. Im Gegensatz zu Jack Ma, Zhang Yiming und Colin Huang hat sich der als kontrollverliebt geltende Liu denn auch nicht völlig aus dem Spiel genommen. Er wird weiterhin in der Rolle des Chairman und Chief Executive von JD verweilen.

Immerhin aber will er sich nun mehr Zeit nehmen, um langfristige Strategien zu entwickeln, eine Mentor-Rolle für talentierten Manager-Nachwuchs zu spielen und sich auf der Wohltätigkeitsschiene für ländliche Entwicklungsprojekte einsetzen.