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Der Personenkult am Kryptomarkt gerät ins Wanken

Der Absturz von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried und Ex-Binance-CEO Changpeng Zhao bringt den Personenkult am Kryptomarkt ins Wanken. Hinter ihnen stehen nur wenige neue führende Köpfe bereit.

Der Personenkult am Kryptomarkt gerät ins Wanken

Personenkult am Kryptomarkt gerät ins Wanken

Von Alex Wehnert, New York

Der Fall zweier führender Köpfe am Kryptomarkt weckt Zweifel um den Personenkult. Das junge Segment stützt sich bisher stark auf einzelne Gründer und Manager – was der Chef einer großen Handelsplattform prognostiziert oder welche Investitionsentscheidungen der Lenker eines Cyberdevisen-Hedgefonds trifft, bewegt die Kurse oft stärker als in liquideren Anlageklassen. Doch der Kollaps der Kryptobörse FTX und die Verhaftung des Gründers Sam Bankman-Fried brachte den Glauben vieler Kryptojünger an ihre Idole ins Wanken.

Ruf als Wohltäter

Bankman-Fried galt lange Zeit als verantwortungsbewusster Visionär. Vermeintlich sprang der heute 31-Jährige anderen Kryptodienstleistern wie dem Broker Voyager und der Lending-Plattform Blockfi bei, als der Crash der dollargekoppelten Stablecoin Terra USD sie ab dem Frühjahr 2022 in Bedrängnis brachte. Er nutzte sein zeitweise 26 Mrd. Dollar schweres, durch FTX angehäuftes Vermögen, um für angebliche wohltätige Zwecke zu spenden. Und er verwandte seinen Einfluss darauf, sich in Washington für eine progressivere Regulierung des Blockchain-Sektors einzusetzen.

Nach dem Bekanntwerden eines gewaltigen Bilanzlochs bei FTX Ende 2022 ging die Kryptobörse in die Insolvenz. Bankman-Fried musste sich gegen Vorwürfe verteidigen, er habe Kundengelder für Trades seiner Firma Alameda Research missbraucht. Eine Jury sprach ihn vor einem Bundesgericht in New York Anfang November unter anderem des Betrugs und der Verschwörung schuldig, ihm drohen mehr als 100 Jahre Haft.

Nach Bankman-Fried wurde der chinesisch-kanadische Unternehmer Changpeng Zhao zum neuen Hoffnungsträger der globalen Kryptoszene, fiel aber zwischenzeitlich ebenfalls in Ungnade: Er hat nach Geldwäsche-Vorwürfen der US-Behörden im November auf schuldig plädiert und ist als CEO der Digital-Assets-Börse Binance zurückgetreten.

Zhao droht Haft in den USA

Auch ihm droht in den USA nun Haft – ein Richter verhängte einen Ausreisebann gegen Zhao, der somit nicht an seinen Wohnort in den Vereinigten Arabischen Emiraten zurückkehren kann. Er muss eine Strafzahlung von 50 Mill. Dollar leisten. Binance muss rund 4,3 Mrd. Dollar entrichten, um neben Ermittlungen wegen Geldwäsche, Bankbetrugs und Sanktionsverstößen auch zivilrechtliche Klagen in den USA beizulegen.

Auch das Schicksal von Terra-Gründer Do Kwon ist unklar. Nach dem Kollaps seines Stablecoins klagten ihn die USA unter anderem des Wertpapier- und Überweisungsbetruges an. Der 32-Jährige wurde im März verhaftet, als er mit einem gefälschten Pass aus Montenegro ausreisen wollte. Ein Gericht hat seine Auslieferung abgesegnet – ob in seine Heimat Südkorea oder die USA, ist nicht bekannt.

„Cooler“ Mashinsky wartet auf Prozess

Dagegen wartet Alex Mashinsky, Gründer der Lending-Plattform Celsius Network, auf seinen Prozess in den USA. Sein Unternehmen lockte Investoren mit hohen Renditeversprechen, verhängte aber im Juni 2022 einen Auszahlungsstopp und beantragte später Insolvenz. Seine Plattform führte der 1965 in der damaligen Sowjetunion geborene Manager laut Anklägern wie einen riskanten Investmentfonds. Gegenüber Vorwürfen des Betrugs und der Marktmanipulation plädiert er auf „nicht schuldig“, sein Strafverfahren soll im September 2024 beginnen.

Zahlreiche weitere sogenannte „Crypto Bros“, die nach dem Kollaps von FTX um die Nachfolge Bankman-Frieds als führender Kopf der Krypto-Szene rangen, sind inzwischen zumindest mit Zivilklagen konfrontiert. Zu diesen zählt auch der schillernde Gründer der Tron-Blockchain, Justin Sun, der im vergangenen November noch eine Rettung von FTX versprach. Im März verklagte die Börsenaufsicht SEC ihn wegen des mutmaßlichen Verkaufs nicht registrierter Wertpapiere.

Nach dem Absturz Bankman-Frieds und Zhaos sind am Kryptomarkt nur wenige übrig, die für einen neuen Personenkult taugen. Brian Armstrong, CEO der Kryptobörse Coinbase, hätte das Potenzial, führt aber einen erbitterten Streit mit der SEC. Diese wirft Coinbase vor, ohne Lizenz als Börse und Broker agiert zu haben.

Novogratz lässt aufhorchen

Auch der Ex-Goldman-Sachs-Partner Michael Novogratz gehört zu den führenden Stimmen im Markt. Der 59-Jährige leitet heute den Finanzdienstleister Galaxy Digital. Zuletzt hat er sich mit offensiven Einschätzungen vorgewagt. Den Vergleich zwischen Binance und den US-Behörden sieht er als „nettopositiv“ für den Kryptomarkt, da er rechtliche Unsicherheit beseitige. Die US-Freigabe spotbasierter Bitcoin-ETFs werde zu hohen institutionellen Zuflüssen führen und die größte Cyberdevise 2024 auf ihr Allzeithoch nahe 69.000 Dollar steigen lassen.

Und tatsächlich: Obwohl Spot-ETFs auf Bitcoin noch fern scheinen, hat die Spekulation auf eine Freigabe den Kurs der Kryptowährung seit Oktober angeschoben. Zumindest Novogratz’ Wort hat im Kryptomarkt offenbar noch Gewicht.

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