Martin Friedberg

Bei der globalen Mindestbesteuerung sind noch viele Punkte offen

Regierungswechsel in den USA gibt den Plänen der OECD neuen Schwung

Bei der globalen Mindestbesteuerung sind noch viele Punkte offen

Helmut Kipp

Herr Dr. Friedberg, eine globale Mindestbesteuerung rückt näher. Wie ist der Stand der Gespräche?

Das Thema der globalen Mindestbesteuerung wird schon seit einigen Jahren auf vielen Ebenen diskutiert. Am weitesten fortgeschritten ist die Diskussion im Aktionspunkt 1 des Base Erosion and Profit Shifting Project von OECD und G20. Darin setzen sich OECD und G20 seit 2015 mit der Besteuerung der digitalen Wirtschaft und dabei auch mit einer globalen Mindestbesteuerung auseinander. Aber die Corona-Pandemie und die ablehnende Haltung der ehemaligen US-Regierung­ unter Donald Trump hatten zwischenzeitlich dazu ge­führt, dass die Thematik ins Stocken geriet. Zuletzt hat der Regierungswechsel in den USA den Plänen der OECD wieder Aufschwung verliehen. Denn die neue US-Finanzministerin Janet Yellen hat deutlich signalisiert, dass man den Ball wieder aufnehmen wolle. Der Plan ist nun, eine Lösung bis Mitte 2021 zu erarbeiten und diese dann auf Ebene der einzelnen Staaten umzusetzen.

Um welche Themenbereiche geht es im Einzelnen?

Der Vorschlag von OECD und G20 umfasst ein Zwei-Säulen-Modell. Die erste Säule legt neue Regeln für die Zuordnung von Besteuerungsrechten an Staaten und die Zuweisung von Gewinnen fest. Die zweite Säule beinhaltet die eigentliche Mindeststeuer für große multinationale Konzerne. Bei dieser wird – grob formuliert – der Effektivsteuersatz auf alle einem Staat zuzurechnenden Gewinne geprüft. Liegt dieser unter dem Mindeststeuersatz, wird die Differenz aufgeschlagen.

Welche Punkte sind strittig?

Strittig ist die Höhe des Mindeststeuersatzes. Zuletzt hatte Janet Yellen hier einen Satz von 21% vorgeschlagen. Ebenso wird um mögliche Vereinfachungsregeln wie Schwellenwerte gerungen. Sowohl aus Sicht der Verwaltung als auch der Steuerpflichtigen sind noch zahlreiche ad­mi­nistrative Themen ungeklärt. Zu­dem ist die Abstimmung beziehungsweise Vereinbarkeit mit der Antisteuervermeidungsrichtlinie der EU offen.

Welche Konsequenzen haben die Pläne für US-Internetriesen in Deutschland und Europa?

Das lässt sich im derzeitigen Stadium sehr schwer prognostizieren. Nach der aktuellen Konzeption sollen die neuen Besteuerungsregeln nur auf multinationale Konzerne mit einem konsolidierten Umsatz von mehr als 750 Mill. Euro Anwendung finden. Die bekannten Großunternehmen können daher durchaus von der Mindestbesteuerung betroffen sein. Ob dies zu einer Erhöhung der effektiven Steuerlast oder mehr zu einer Verschiebung der Steuern zwischen den Staaten führt, bleibt abzuwarten. Das gilt insbesondere, da mehrere Staaten bereits nationale Lösungen eingeführt haben, beispielsweise Steuern auf digitale Serviceleistungen in Italien und Frankreich.

Nimmt auch innerhalb der EU der Druck zu, die stark unterschiedlichen Unternehmenssteuern zu vereinheitlichen?

Die Thematik der EU-einheitlichen Unternehmenssteuer würde ich nur mittelbar in diesem Kontext sehen. Diese Frage ist beinahe so alt wie die EU selbst, sie unterscheidet sich von den Bestrebungen der OECD/G20 dadurch, dass es nicht den gleichen digitalen Fokus gibt. Was die EU-Kommission bereits geäußert hat, ist, dass man – sofern die Initiative von OECD und G20 fehlschlägt – sich wieder auf EU-Ebene mit einer Digital-/Mindeststeuer beschäftigen will.

Verlagert sich der internationale Standortwettbewerb künftig auf andere Faktoren?

Auch wenn die neuen Regeln das internationale Steuerumfeld erheblich verändern würden, bezweifle ich angesichts der vorgesehenen Schwellenwerte, dass die Auswirkungen auf den internationalen Standortwettbewerb wesentlich sein werden. Sollte sich das Reglement allerdings auf dieser Ebene bewähren, ist durchaus wahrscheinlich, dass der Anwendungsbereich erweitert wird, etwa durch eine Schwellenabsenkung. Wenn dies dann – wie geplant – dazu führt, dass für die Unternehmen ein mehr oder weniger einheitliches Steuerniveau herrscht, unabhängig vom Staat der Ansässigkeit und Aktivität, kommen sicherlich andere Standortfaktoren wie In­frastruktur, Attraktivität für Arbeitnehmer et cetera in den Fokus.

Dr. Martin Friedberg ist Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

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