Jenny Broekmann und Jens-Uwe Hinder

„Die Grunderwerb­steuer ist nur ein Entscheidungsparameter von vielen“

Steuerexperten von Morrison & Foerster zu den Verschärfungen für Share Deals

„Die Grunderwerb­steuer ist nur ein Entscheidungsparameter von vielen“

Helmut Kipp

Frau Broekmann, Herr Hinder, nach langer Diskussion bringt die Bundesregierung eine Reform der Grunderwerbsteuer auf den Weg. Welche Änderungen sind geplant?

Broekmann: Zum 1. Juli wird die Besteuerung von Share Deals verschärft. Bereits ab einer mittelbaren oder unmittelbaren Übertragung von 90% der Anteile an einer Grundbesitz haltenden Gesellschaft innerhalb von zehn Jahren wird Grunderwerbsteuer ausgelöst. Dasselbe gilt ohne zeitliche Befristung, wenn durch den Erwerb mindestens 90% der Anteile in der Hand eines Anteilseigners vereinigt werden. Beide Regelungen gelten künftig unabhängig davon, ob das Grundstück von einer Kapital- oder Personengesellschaft gehalten wird. Bislang lag die steuerauslösende Beteiligungsgrenze bei 95% und der relevante Zeitraum bei fünf Jahren.

Werden Anteilseignerwechsel von grundbesitzenden Gesellschaften erschwert?

Hinder: Konzerninterne Umstrukturierungen und Anteilserwerbe an börsennotierten Unternehmen werden von den Neuregelungen unter bestimmten Voraussetzungen ausgenommen. In allen anderen Fällen der Erwerbe von (auch) grundbesitzenden Gesellschaften im Wege eines Share Deals ist im Einzelfall zu prüfen, ob die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich mit dem Rückbehalt von etwas mehr als 10% der Anteile noch darstellen lassen oder ob im Ergebnis das Tragen der Steuer doch wirtschaftlich sinnvoller ist. Bei den Überlegungen ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Verwaltungsaufwand mit der Verdoppelung der Haltefristen deutlich erhöhen wird.

Wie stark sind geschlossene und offene Immobilienfonds betroffen?

Hinder: Da Immobilienfonds anders als börsennotierte Unternehmen von den Neuregelungen nicht ausgenommen sind, können diese auf unterschiedlichste Weise betroffen sein. Insbesondere kann es mit Rücksicht auf mittelbare Anteilserwerbe zu unerwünschten Auswirkungen auf die prognostizierte Rendite für Anleger kommen.

Welche Regelungen gelten bei börsennotierten Gesellschaften, für die ein ständiger Wechsel der Anteilseigner der Normalfall ist?

Broekmann: Börsennotierte Unternehmen unterliegen auch bei häufigem Anteilseignerwechsel nicht der Grunderwerbsteuer, es sei denn, mindestens 90% der Anteile werden bei einem einzelnen Aktionär gebündelt.

Führt die Neuregelung zu höheren Steuereinnahmen?

Broekmann: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die bisherigen Regelungen zu Share Deals zu erheblichen Grunderwerbsteuer-Mindereinnahmen geführt hätten, die künftig vermieden würden. Hier sind viele Zahlen im Raum, die aber kaum belastbar sind, auch weil Share Deals keiner Meldepflicht unterliegen. Die Grunderwerbsteuer ist nur ein Entscheidungsparameter von vielen. Der Gesetzgeber hat mit der Reform reine Immobilienunternehmen vor Augen; die Mehrzahl der Share Deals betrifft aber Unternehmen, die anderen Tätigkeiten nachgehen und denen die grunderwerbsteuerneutrale Veräußerung ihrer Anteile bei Vorhandensein eines Firmengrundstücks weiter erschwert wird. Ob und inwieweit es tatsächlich zu höheren Steuereinnahmen kommt, bleibt abzuwarten.

Während Privatpersonen und andere Direktkäufer keine Möglichkeit haben, die Grunderwerbsteuer zu vermeiden, bleiben Share Deals bei entsprechender Konstruktion steuerfrei. Warum gibt es diese Begünstigung überhaupt?

Hinder: Grunderwerbsteuer knüpft an den Eigentümerwechsel am Grundstück an, der im Wege eines Share Deals nicht eintritt. Es stellt sich also vielmehr die Frage, warum ein Anteilseignerwechsel überhaupt der Grunderwerbsteuer unterliegt. Die Erfassung von Share Deals geht bei einem nahezu vollständigen Austausch der Gesellschafter von einem faktisch neuen Grundstückseigentümer aus. Ob bereits die Übertragung von 90% wirtschaftlich einem Wechsel des Grundstückseigentümers gleichkommt, hält einer dogmatischen Prüfung nur schwer stand, zumal die Gesellschaft ja bereits beim Erwerb des Grundstücks Grunderwerbsteuer gezahlt hat. Diese dogmatischen Schwächen werden besonders deutlich, wenn Anteilsübertragungen im Interesse des Fortbestands von Unternehmen, der Sicherung von Arbeitsplätzen erfolgen.

Dr. Jens-Uwe Hinder ist Partner und Dr. Jenny Broekmann Senior Associate von Morrison & Foerster.

Die Fragen stellte .