Crowdfunding

Europa harmonisiert Schwarmfinanzierung

Mit der europäischen Regulierung des Crowdfunding steigen die Anforderungen an die Plattformbetreiber, sie profitieren aber von der Möglichkeit, grenzüberschreitend Kapital einzusammeln.

Europa harmonisiert Schwarmfinanzierung

Von Marco Brand *)

Schwarmfinanzierung bezeichnet eine Finanzierungsform, bei der eine Vielzahl von Geldgebern Kapital für die Finanzierung bestimmter Projekte über eine Internetplattform zur Verfügung stellt. Es ist eine wichtige alternative Finanzierungsquelle für innovative Unternehmen und Start-ups, denen der Zugang zu herkömmlichen Finanzierungen (vor allem Bankdarlehen) oftmals versperrt ist. In Deutschland ging die erste Crowd­funding-Plattform 2011 an den Start. Seither hat die Schwarmfinanzierung kontinuierlich an Bedeutung gewonnen.

Bislang richteten sich Zulässigkeit und Grenzen der Schwarmfinanzierung mangels europaweiter Harmonisierung nach dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten. In Deutschland operieren Crowdfunding-Plattformen überwiegend als Finanzanlagenvermittler mit einer Erlaubnis der Industrie- und Handelskammern oder Gewerbeämter nach §34f Ge­werbeordnung (GewO). Um erlaubnispflichtiges Kredit- und Einlagengeschäft auf Seiten der Anleger und Projektträger zu vermeiden, werden überwiegend Darlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt oder zuvor von einer lizensierten Bank ausgereichte nichtnachrangige Kredite vermittelt. Ein grenzüberschreitendes Tätigwerden ist unter §34f GewO nicht möglich. Die europäische Crowdfunding-Landschaft gleicht einem regulatorischen Flickenteppich.

Diesem Zustand versucht der europäische Gesetzgeber mit der am 20. Oktober 2020 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Verordnung 2020/1503 (Schwarmfinanzierungs-VO) abzuhelfen. Mit der ab 10. November 2021 geltenden und in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbaren Verordnung wird Schwarmfinanzierung in weiten Teilen europäisch vereinheitlicht. Spätestens mit Ablauf der Übergangsfrist am 10. November 2022 (und vorbehaltlich einer Fristverlängerung um ein weiteres Jahr) dürfen Schwarmfinanzierungsdienstleistungen nur noch mit einer Zulassung als Schwarmfinanzierungsdienstleister (Plattformbetreiber) erbracht werden. Schwarmfinanzierungsdienstleistungen sind – vereinfacht – definiert als die Vermittlung von Krediten sowie die Vermittlung und Platzierung ohne feste Übernahmeverpflichtung von übertragbaren Wertpapieren mithilfe einer Schwarmfinanzierungsplattform. Zuständig für die Erteilung der Erlaubnis in Deutschland ist die BaFin.

Die Anforderungen an die Zulassung sind deutlich höher als diejenigen nach §34f GewO. So muss im Rahmen des Erlaubnisverfahrens etwa ein Geschäftsplan, eine Be­schreibung der Regelungen der Un­ternehmensführung und der internen Kontrollmechanismen sowie der Systeme der Datenverarbeitung und der Risikomanagementsysteme vorgelegt werden. Darüber hinaus ist der nicht immer leicht zu erbringende Nachweis über die Zuverlässigkeit und Eignung der Geschäftsleiter zu erbringen.

Diese deutlich erhöhten regulatorischen Anforderungen bringen den Schwarmfinanzierungsdienstleister allerdings in den Genuss des sogenannten Europäischen Passes, der das grenzüberschreitende Einsammeln und Investieren von Kapital über Schwarmfinanzierungsplattformen in der Union ermöglicht. Dies erleichtert es insbesondere kleinen- und mittleren Unternehmen (KMUs) aus innovativen Industrien, wie etwa Fintechs, die für ihre Geschäftsmodelle notwendigen Finanzmittel zu beschaffen. Anleger erhalten die Möglichkeit, über Crowdfundingplattformen in der gesamten EU breitgefächert zu investieren.

Eine weitere zentrale Erleichterung besteht darin, dass die Anleger und kapitalsuchenden Unternehmen in Bezug auf Kredite, die von einem Schwarmfinanzierungsdienstleister vermittelt wurden, keiner Erlaubnis des Einlagen- und Kreditgeschäfts bedürfen. Es können also zukünftig auch nichtnachrangige Kredite ohne Zwischenschaltung einer Fronting-Bank vermittelt werden. Dies ist besonders für kapitalsuchende Unternehmen interessant, da sie durch den Wegfall der von den Fronting-Banken vereinnahmten Gebühren auf günstigere Finanzierungen hoffen dürfen.

Die neue Verordnung deckt indes nicht den gesamten Bereich des Crowdfunding ab. Sie gilt weder für Schwarmfinanzierungen mit Verbrauchern als Projektträgern noch für Schwarmfinanzierungsangebote eines Projektträgers mit einem Gesamtgegenwert von mehr als 5 Mill. Euro p.a. Da die Schwarmfinanzierungs-VO nur Kredite erfasst, bei denen sich der Darlehensnehmer zur unbedingten Rückzahlung verpflichtet, sprechen zudem gewichtige Argumente dafür, dass Darlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Für qualifiziert-nachrangige Darlehen gilt damit weiterhin das nationale Recht. Der Wegfall aufsichtspflichtigen Einlagen- und Kreditgeschäfts auf Seiten der Anleger und Projektträger im Geltungsbereich der Verordnung wird jedoch eine Strukturierung von Kreditforderungen als qualifiziert-nachrangig ohnehin entbehrlich machen.

Trotz des nicht umfassenden An­wendungsbereichs ist die neue Verordnung zu begrüßen. Insbesondere KMUs werden vom erleichterten Zu­gang zu den europäischen Kapitalmärkten auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie erheblich profitieren.

*) Dr. Marco Brand ist Rechtsanwalt bei Covington & Burling in Frankfurt.