Wachstumsunternehmen

Start-up-Förderung hat weiterhin Schwächen

Der Gesetzgeber ist bemüht, die Beteiligung der Mitarbeiter junger Firmen am Kapital ihres Unternehmens steuerlich zu fördern, die Neuerungen gehen aber nicht weit genug.

Start-up-Förderung hat weiterhin Schwächen

Von Matthias Scheifele und

Jens Wenzel*)

Junge technologie- und wachstumsorientierte Unternehmen gewinnen auch in Deutschland als Wirtschaftsfaktor an Gewicht. Der Bundesverband Deutsche Start-ups zählte jüngst in einer Studie rund 450000 Mitarbeiter, die in der Szene tätig sind, Tendenz stark steigend. Denn zahlreiche ehemalige Gründungen sind inzwischen zu etablierten, börsennotierten Unternehmen geworden, ob Auto1, Hellofresh, Delivery Hero oder Zalando. Fast immer stehen die neuen Geschäftsmodelle im internationalen Wettbewerb mit Konkurrenten aus anderen Teilen Europas und der Welt, auch und ganz besonders beim Kampf um technologieaffine Talente.

Die Entwicklung des hiesigen Start-up-Ökosystems litt bis zuletzt auch unter den im internationalen Vergleich ungünstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland. Attraktive Mitarbeiterbeteiligungen sind ein wesentlicher Treiber für eine prosperierende Start-up-Szene. Erst durch sie lassen sich viele hochqualifizierte Talenten von einer Karriere im Start-up-Bereich überzeugen, weil durch sie das erhöhte Risiko eines Verlusts des Arbeitsplatzes durch die Chance auf Teilhabe an der Unternehmenswertsteigerung kompensiert werden kann.

Kompliziert und schwerfällig

Weil die Gewährung echter Anteile oder Anteilsoptionen im deutschen Gesellschaftsrecht vergleichsweise kompliziert und schwerfällig ausgestaltet ist, waren hierzulande bislang „virtuelle“, rein schuldrechtlichen Beteiligungsprogramme vorherrschend. Das hing auch damit zusammen, dass es bislang kaum einen steuerlichen Anreiz gab, Mitarbeitern echte Anteile oder Optionen auf den Erwerb solcher zu gewähren. Hatte das Unternehmen schon einen gewissen Wert erreicht, mussten die Mitarbeiter den in der unentgeltlichen oder verbilligten Abgabe der Kapitalbeteiligung liegenden Vorteil sofort als Lohn versteuern, ohne dass ihnen die zur Begleichung der Steuerschuld erforderlichen Geldmittel bereits zugeflossen wären („Dry Income“).

Gewährte man den Mitarbeitern stattdessen eine bloße Option auf den Anteilserwerb zu einem späteren Zeitpunkt, wurde zwar zunächst ein lohnsteuerpflichtiger Zufluss vermieden. Im Zeitpunkt der Optionsausübung mussten aber sämtliche Wertzuwächse bis dahin zum ungünstigeren progressiven Steuertarif von bis zu 47,4% und nicht nach dem für Kapitaleinkünfte geltenden Abgeltungssteuertarif von 26,375% (jeweils gegebenenfalls zuzüglich Kirchensteuer) versteuert werden.

Standortnachteil

Diese steuerlichen Rahmenbedingungen erwiesen sich im internationalen Vergleich als nicht mehr wettbewerbsfähig. Während einige Länder seit Jahren flexible und attraktive Besteuerungsregime für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) anbieten, zum Beispiel die sog. „EMI Schemes“ im Vereinigten Königreich oder die sog. „Bons de Souscription de Parts de Créateur d’Entreprise“ (BSPCE) in Frankreich, gab es in Deutschland bislang keine vergleichbare Förderung. Deutsche Start-up-Unternehmen sahen sich dadurch im zunehmend internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Mitarbeiter einem erheblichen Standortnachteil ausgesetzt.

Vor diesem Hintergrund ist zu begrüßen, dass sich der Gesetzgeber noch zum Ende der laufenden Legislaturperiode des Problems angenommen hat. Mit dem neuen §19a EStG wird die Gewährung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen durch Start-up-Unternehmen seit dem 1. Juli 2021 steuerlich begünstigt. Konzeptionell vermag die Neuregelung durchaus zu überzeugen. Sie löst – jedenfalls im Grundsatz – das „Dry Income“-Problem und sorgt außerdem dafür, dass Wertzuwächse ab dem Zeitpunkt der Gewährung der Beteiligung nicht mehr als hochversteuerte Lohneinkünfte, sondern grundsätzlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen mit dem Abgeltungssteuertarif von 26,375% erfasst werden. Erreicht wird dies, in dem die Lohnversteuerung des geldwerten Vorteils aus der unentgeltlichen oder verbilligten Gewährung der Beteiligung grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der späteren Veräußerung der Beteiligung unverzinslich hinausgeschoben wird.

Das ist steuerpolitisch schlüssig. Denn es ist kaum nachzuvollziehen, warum etwa die Gesellschafter der ersten Stunde mit ihrem oft überschaubaren Kapitalinvestment steuerlich erheblich bessergestellt werden als Arbeitnehmer, die durch ihr Wissen und ihre Arbeitskraft einen maßgeblichen Beitrag zum unternehmerischen Erfolg geleistet haben und damit aus wirtschaftlicher Sicht eine immaterielle Einlage in das Unternehmen erbracht haben.

Wo Licht ist, ist leider oft auch Schatten. So erweist sich der neue §19a EStG im Detail als zu halbherzig. Ob man dem Gesetzgeber dabei vorwerfen kann, dass er den Anwendungsbereich der Neuregelung auf Unternehmen beschränkt hat, die weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von maximal 50 Mill. Euro oder eine Jahresbilanzsumme von maximal 43 Mill. Euro aufweisen, mag man noch diskutabel finden. Schließlich orientiert er sich an der KMU-Definition der EU-Kommission.

Fakt ist aber, dass die Regelung mit diesen Schwellenwerten erheblich an praktischer Bedeutung verliert. Gerade stark wachsende Start-ups (Scale-ups) fallen schnell aus der Förderung heraus. Laut einer aktuellen Studie beschäftigen nur 0,9% der erfassten Start-ups mehr als 500 Mitarbeiter. Auf diese 0,9% entfallen damit allerdings 38% der insgesamt gezählten Mitarbeiter, die damit von der Förderung ausgeschlossen sind.

Vorbild Frankreich

Überzeugender erscheint hier der Ansatz Frankreichs. Dort dürfen die Start-ups lediglich nicht börsennotiert sein oder – falls doch – nur eine geringe Marktkapitalisierung von 150 Mill. Euro aufweisen, um ihren Mitarbeitern die steuerlich vorteilhaften BSPCE gewähren zu können. Außerdem beschränkt der Gesetzgeber auf bis zu zwölf Jahre alte Unternehmen, während wiederum Frankreich mit einem Höchstalter von 15 Jahren großzügiger ist.

Fragen wirft auch das Erfordernis auf, dass die Beteiligung „vom Arbeitgeber“ gewährt werden muss. Zu hoffen bleibt, dass damit nicht die Gewährung von Anteilen durch den oder die Gründungsgesellschafter von der Förderung ausgeschlossen werden soll. Eine baldige Klarstellung durch die Finanzverwaltung wäre wünschenswert. Ebenso sollte die Wandlung bereits bestehender virtueller Beteiligungsprogramm in echte Mitarbeiterkapitalbeteiligungen von der Neuregelung profitieren.

Unverständlich ist ferner, dass der Besteuerungsaufschub nicht auch auf die Sozialversicherung erstreckt wurde. Diese ist weiter bereits bei Gewährung der Beteiligung zu entrichten. Ebenso kritisch zu sehen ist die gesetzlich angeordnete Nachholung der Besteuerung, zu der es bereits vor und auch ohne Veräußerung der Anteile im Falle eines Arbeitsplatzwechsels, spätestens aber nach zwölf Jahren kommt. Dann stellt sich doch wieder das „Dry Income“-Problem.

Verlässliche Regeln fehlen

Für die Praxis besonders bedauerlich ist das Fehlen verlässlicher Regeln zur verbindlichen Feststellung des gemeinen Werts der gewährten Beteiligung im Vorhinein. Aufgrund der oft nur bedingt aussagekräftigen Finanzhistorie ist die Bewertung von Start-ups naturgemäß besonders schwierig. Hilfreich wäre es gewesen, wenn der Gesetzgeber ähnlich wie in Frankreich Bewertungsvorgaben gemacht hätte (zum Beispiel im Hinblick auf Bewertungsabschläge aufgrund abweichender Ausgestaltung von Anteilsklassen). Zumindest aber hätte man dem Arbeitgeber einen gesetzlichen Anspruch einräumen können, sich den Wert der Anteile schon vor deren Gewährung verbindlich durch das Finanzamt bestätigen zu lassen. Stattdessen soll eine solche Auskunft erst nach Gewährung der Beteiligung – also nachdem die Beteiligten bereits disponiert haben – beantragt werden können, was dem Schutzzweck der verbindlichen Abklärung ersichtlich entgegensteht.

Auf Wiedervorlage

Es bleibt daher zu hoffen, dass der Gesetzgeber das Thema in der neuen Legislaturperiode zügig auf Wiedervorlage setzt und die Schwächen der Neuregelung beseitigt. Bei aller berechtigter Kritik sollten die Chancen, welche die Neuregelung Start-ups und ihren Mitarbeitern für die steuergünstige Ausgestaltung von Mitarbeiterbeteiligungen bietet, aber nicht übersehen und frühzeitig in die Strukturierungsüberlegungen einbezogen werden.

*) Dr. Matthias Scheifele und Dr. Jens Wenzel sind Partner von Hengeler Mueller in München und Berlin.