Wirtschaftsprüfung

Testat ist keine öffentliche Kapital­markt­information

Eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg verhindert eine nicht gewollte Ausweitung des Gesetzes zu Kapitalanleger-Musterverfahren.

Testat ist keine öffentliche Kapital­markt­information

Von Martin Karwatzki*)

Die Frage, ob der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG) darstellt, ist im Rahmen des Wirecard-Komplexes vom Landgericht (LG) München I bejaht worden. Das Landgericht Hamburg wiederum hat nun Ende August mehrere Musterverfahrensanträge, die unter anderem mit der angeblichen Fehlerhaftigkeit von beklagtenseits erteilten Bestätigungsvermerken begründet worden waren, als unzulässig verworfen. Ein genauerer Blick auf die Entscheidung aus Hamburg zeigt, warum diese Kurskorrektur folgerichtig ist.

Im Jahr 2012 erwarb der Kläger eine Beteiligung an einer Fondsgesellschaft, die sich auf den Erwerb, das Halten und die Verwaltung von mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungen an geschlossenen Schiffsfonds spezialisiert hatte. Der Kläger nahm dann den Abschlussprüfer der Fondsgesellschaft wegen angeblicher Pflichtverletzungen im Vorfeld des Beteiligungserwerbs auf Schadenersatz in Anspruch.

Gemäß § 2 Abs. 1 KapMuG stellte der Kläger bereits in der Klageschrift einen Musterverfahrensantrag, mit dem festgestellt werden sollte, dass der von der Fondsgesellschaft herausgegebene Verkaufsprospekt in wesentlichen Punkten irreführend und unvollständig ist.

Neuer Kurs

Das LG Hamburg verwarf diesen Antrag wegen der fehlenden Prospektverantwortlichkeit der verklagten Abschlussprüferin als unzulässig. Daraufhin stellte der Kläger einen neuen Antrag, mit dem in Erweiterung der ursprünglichen Feststellungsziele festgestellt werden sollte, dass sowohl die im Verkaufsprospekt abgedruckten Jahresabschlüsse der Fondsgesellschaft und der Komplementärin als auch die ebenfalls im Prospekt abgedruckten Bestätigungsvermerke der Abschlussprüferin fehlerhaft sind. Die verklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft berief sich daraufhin auch hinsichtlich des neu gefassten Musterverfahrensantrags auf dessen Unzulässigkeit. Das LG Hamburg sah keine Veranlassung, die Angelegenheit zur Entscheidung über die Feststellungsziele dem übergeordneten Hanseatischen Oberlandesgericht vorzulegen. Stattdessen hat es den Musterverfahrensantrag mit folgender Begründung als unzulässig verworfen: Zwar liege eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KapMuG vor, soweit die angeblich fehlerhaften Jahresabschlüsse der Fondsgesellschaft und der Komplementärin Gegenstand der Feststellungsziele seien. Da die Beklagte die Jahresabschlüsse nicht aufgestellt, sondern lediglich testiert habe, sei die verklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft jedoch nicht deren Urheberin. Als Abschlussprüferin sei die Beklagte auch keinesfalls Verwenderin der Jahresabschlüsse im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG.

Bezogen auf die angegriffenen Bestätigungsvermerke gelte die Beklagte zwar als Urheberin. Die Bestätigungsvermerke seien jedoch keine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des § 1 Abs. 1, Abs. 2 KapMuG. Sie würden insbesondere nicht von den Regelbeispielen für öffentliche Kapitalmarktinformationen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KapMuG umfasst, weil hier nur von Jahresabschlüssen und Lageberichten die Rede sei.

Eine sonstige öffentliche Kapitalmarktinformation, die in den Regelbeispielen des § 1 Abs. 2 Satz 2 KapMuG bloß nicht explizit genannt werde, liege ebenfalls nicht vor. Bei dem Bestätigungsvermerk handele es sich vielmehr um die subjektive Bewertung eines Dritten und nicht um ein sonstiges Unternehmensdatum im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG; die gegenteilige Ansicht des LG München I sei abzulehnen. Die vom LG München I vertretene Auffassung sei nicht mit den gängigen KapMuG-Vorschriften und dem Willen des Gesetzgebers in Einklang zu bringen.

Ferner weist das LG Hamburg darauf hin, dass mit einem Vorlageschluss auch keine erleichterte Anspruchsdurchsetzung für die klagenden Anleger verbunden ist. Es war im konkreten Fall nämlich streitig, ob die klagenden Anleger den streitgegenständlichen Verkaufsprospekt im Vorfeld ihrer Anlageentscheidung überhaupt zur Kenntnis genommen hatten.

Das LG Hamburg kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers keine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des KapMuG darstellt. Für die Durchführung eines Musterverfahrens, dem sich unentschlossene Anleger anschließen könnten, bleibt kein Raum. Eine uferlose und vom Gesetzgeber nicht gewollte Ausweitung des Anwendungsbereichs des KapMuG wird dadurch verhindert.

Zudem kommt eine Aussetzung nach Auffassung des LG Hamburg erst dann in Betracht, wenn zuvor über die klägerseits behauptete Kenntnis vom Inhalt des Verkaufsprospekts und von den darin enthaltenen­ Bestätigungsvermerken Be­weis erhoben wurde. Denn an­derenfalls hängt die Entscheidung des zugrundeliegenden Rechtsstreits nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von den geltend gemachten Feststellungszielen ab.

Es bleibt abzuwarten, wie sich andere Landgerichte in gleich gelagerten Fällen positionieren werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine höchstrichterliche Klärung nicht in Sicht ist. Denn gemäß § 3 Abs. 1 KapMuG sind die Entscheidungen der Landgerichte unanfechtbar.

*) Martin Karwatzki ist Partner von Heuking Kühn Lüer Wojtek in Köln.

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