Im Porträt: Thomas Segura und Markus Jesberger

„Von diesem Weg können wir nicht abgehen“

Vermögen weckt Begehrlichkeit. Unabhängige Beratung und ein Verzicht auf versteckte Kosten seien daher das A und O für die Betreuung äußerst wohlhabender Menschen, sagen Thomas Segura und Markus Jesberger, die seit 2016 gemeinsam ein Multi Family Office führen. Die Finanzbranche sehen sie kritisch.

„Von diesem Weg können wir nicht abgehen“

Von Jan Schrader, Frankfurt

Wo Vermögen liegt, liegt auch eine Geschäftschance. So beschreiben Thomas Segura und Markus Jesberger einen Interessenkonflikt, den Finanzunternehmen bei der Beratung wohlhabender Familien vor sich haben. Neben der Betreuung des Vermögens liege dann etwa ein hauseigener Fonds oder anderes Produkt im Portfolio oder eine fremde Währung werde mit einer zusätzlichen Marge getauscht, wie sie beispielhaft erzählen. Doch die Kundschaft habe ein Gespür dafür, wenn ihr Interesse in den Hintergrund trete. Für ihre Gesellschaft Segura & Jesberger nehmen sie in Anspruch, sich nicht von gegenläufigen Interessen leiten zu lassen und „Gebührenkaskaden“ zu umgehen. „Wir wollen unsere Philosophie bewahren“, sagt Segura dazu, „von diesem Weg können wir nicht abgehen“, bekräftigt Jesberger.

Die beiden geschäftsführenden Gesellschafter beraten wohlhabende Unternehmerfamilien zum Erhalt des Vermögens, aber auch zu anderen Fragen wie einem Generationenübergang, der Gründung einer Stiftung, dem Verkauf von Immobilien. „Wir sind Entscheidungsvorbereiter“, beschreibt Segura den Anspruch der gemeinsamen Firma, die sich als Multi Family Office bezeichnet. Um auch von Unternehmerfamilien unabhängig zu sein, gehört den beiden Managern das Unternehmen allein. Gegründet haben die beiden ehemaligen Geschäftsführer des heutigen Oddo BHF Family Office die Firma im Jahr 2016.

Sie konnten dabei bereits am Anfang mit vielen gewachsenen Kundenbeziehungen starten. Weil sie die meisten Aufgaben an andere Dienstleister abgeben, machen sie selbst nur wenig Geschäft, wie Segura verdeutlicht. Gemessen am betreuten Vermögen sei eine Marge von 10 bis 20 Basispunkten realistisch, während ein klassischer Vermögensverwalter etwa 50 bis 100 Basispunkte veranschlage. Rund 40 Klienten zählt die Gesellschaft heute, wozu überwiegend Unternehmerfamilien zählen, aber auch institutionelle Kunden wie eine Kirche, ein Arbeitgeberverband, eine Gewerkschaft und ein Unternehmen.

Annähernd 3 Mrd. Euro bringt das betreute Vermögen auf die Waage. Wer zu Segura & Jesberger kommt, ist also äußerst wohlhabend. „Das Kernthema ist, die Lebensleistung zu bewahren“, sagt Segura. Sofern die Familien das Unternehmen noch besitzen, ist die Fortführung des Geschäfts ein zentraler Wert. Viele Klienten melden sich laut Segura aber auch nach Verkauf eines Unternehmens, wenn plötzlich ein großer Geldbetrag auf dem Konto liege.

In der historischen Villa Manskopf am südlichen Frankfurter Stadtrand sitzt die Firma in den ehemaligen Gesinderäumen, wo einst das Hauspersonal der Weinhändlerfamilie Manskopf unterkam. Durch eine Empfangshalle mit imposantem Kronleuchter führt eine Treppe in die modern eingerichteten Büroräume. Die Firma teilt sich die Villa unter anderem mit dem Bildungsträger Akademie für Welthandel.

Das Selbstverständnis des Multi Family Offices äußert sich auch in der Kunst: In einem Beratungsraum für Kunden im unteren Gebäudeteil hängt ein Bild, auf dem viele Hände in verschiedene Jackentaschen greifen – ein Symbol für intransparente Kosten in der Finanzbranche, von denen sich das Duo abgrenzen will. Im Flur vor ihren beiden Büros haben sie Zeichnungen der Augen bekannter Investoren, Zentralbanker und Politiker aufgehängt: Die charakteristischen Tränensäcke von George Soros, aber auch der Blick von Warren Buffett und André Kostolany hängen dort – von bekannten Investoren also, auf die sich Finanzprofis gerne berufen. Auch der Blick der ehemalige Fed-Chefin Janet Yellen und des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi sind in der Galerie zu finden. Als warnendes Beispiel zählt auch der Blick des Finanzgauners Bernard Madoff zu der Sammlung.

Segura, der in seiner Freizeit jagt, dekoriert sein Büro mit Hirsch­geweihen. Sein Hund Brown gehört mit zum Büroteam. Haustiere seien gut für das Betriebsklima, findet er. Jesberger liebt es, zu grillen und zu kochen – dies sei ein „kreativer Ausgleich“, wie er sagt. Als Duo haben sich Jesberger und Segura bereits eingespielt. Oft seien die beiden Geschäftspartner anderer Meinung, doch fänden sie nach einem Austausch bald zueinander, erzählt Jesberger. Reibung sei gut, denn man lerne, die Gegenseite zu verstehen. „Wir sind von ganz unterschiedlicher Denkweise“, sagt auch Segura. „Das Einzige, bei dem wir uns einig sind, ist Rotwein“, scherzt er.

Der Markt ist heterogen. Single Family Offices als Einheit familiengeführter Unternehmen zählen ebenso dazu wie unabhängige Multi Family Offices wie HQ Holding und WSH Deutsche Vermögenstreuhand oder banknahe Anbieter wie das jeweilige Family Office Deutsche Oppenheim und Oddo BHF. Der Begriff ist nicht trennscharf und Daten sind rar. Auch der berufliche Hintergrund in der Branche ist verschieden. Bankexperten, Vermögensverwalter, Steuerberater und Rechtsanwälte sind in Family Offices aktiv, aber auch Physiker, Controller und ehemalige Unternehmenslenker. Bankbetriebswirt Segura und Finanzfachwirt und Finanzökonom Jesberger haben damit eine klassische Laufbahn hinter sich, in ihrer Firma beschäftigen sie aber Fachleute der Mathematik. Insgesamt ist die Firma mit einer Hand voll an Beschäftigten klein.

Für die Auswahl von Vermögensverwaltern verfolgt das Duo genau, nach welcher Anlagemethode verschiedene Häuser ein Portfolio steuern. Gebe das Team etwa eine bestimmte Aktienquote vor, weiche manch ein Vermögensverwalter nur geringfügig davon ab, während andere die Quote offensiv in die eine oder andere Richtung anpassten.

Um gute Vermögensverwalter aufzuspüren, reiche es nicht aus, allein das Anlageergebnis zu betrachten, sagt Jesberger. Viel wichtiger sei es, die Anlagestrategie zu verstehen, um den Kunden ein Gefühl zu geben, was von einer Vermögensverwaltung zu erwarten sei. Auf die Anlagerichtlinien komme es an, ergänzt Segura, um Spielraum in der Geldanlage und Kostenkontrolle sicherzustellen.

Wenn eine Unternehmerfamilie indes die Nachfolge rechtlich regeln wolle, bringen Jesberger und Segura einen „Beauty Contest“ von Kanzleien auf den Weg. Dann schildern sie den Fall der Familie anonymisiert, holen Ratschläge ein und unterbreiten diese dann ihren Klienten. „Die Entscheidung treffen die Mandanten“, sagt Segura.

Die Gefahr von Interessenkonflikten sehen die beiden Partner in allen Geschäften. Beim Rechtsanwalt, der auf Zeithonorar tätig werde, ticke die Uhr. Eine Beratung könne da schon einmal ausführlicher ausfallen, sagt Jesberger. Daher komme es darauf an, die Fragen einzugrenzen. Ein geschlossener Fonds wiederum rufe zugesagte Mittel, nach deren Höhe sich die Vergütung richtet, nicht immer vollständig ab. Hier achte die Gesellschaft bei der Auswahl darauf, wie hoch die Quoten in der Vergangenheit lagen. Wer vermögend ist, braucht also ein strenges Auge. Darauf ruht das Firmenversprechen.