Recht und Kapitalmarkt

Böses Erwachen bei Mitarbeiterbeteiligungsplänen

Internationale Konzerne von nationalen Auslegungsspielräumen betroffen - Regulatorische Hürden drastisch erhöht

Böses Erwachen bei Mitarbeiterbeteiligungsplänen

Von Manuel Lorenz *)Werden deutsche Mitarbeiter großer US-Unternehmen künftig noch an globalen Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen teilnehmen dürfen? Daran kann gezweifelt werden.Mit dem am 1. Juli in Kraft getretenen Wertpapierprospektgesetz (WpPG) wurde die EU-Prospektrichtlinie von 2003 in deutsches Recht umgesetzt. Das WpPG bringt viele Änderungen für die Durchführung von Wertpapierangeboten und Börsenzulassungen. Die prominenteste Neuerung besteht in der Einführung des “Europapasses”: Mit vergleichsweise geringem Aufwand können Wertpapiere, deren Prospekt von der Behörde eines europäischen Landes geprüft wurde, in jedem anderen europäischen Land vertrieben werden. Lediglich ein kleiner Teil des Prospekts, die Zusammenfassung, muss in der jeweiligen Landessprache veröffentlicht werden. Für bestimmte Nichtdividendenpapiere und für Emittenten aus Drittstaaten kann die prüfende Behörde mehr oder weniger frei gewählt werden.Nachdem sich die erste Freude über diese Erleichterungen gelegt hat, haben Experten nun einen Blick auf die Feinheiten der Richtlinie und ihrer Umsetzung in nationales Recht geworfen. Für die globalen Mitarbeiterbeteiligungs- und -optionsprogramme internationaler Konzerne werden Verschlechterungen der Rahmenbedingungen identifiziert. Zwei ProblemeDabei zeichnen sich zwei Probleme ab. Erstens sind die regulatorischen Hürden für die Durchführung solcher Programme drastisch erhöht worden. Zweitens scheint sich die erhoffte europaweite Vereinheitlichung der Spielregeln durch die Richtlinie in engen Grenzen zu halten, weil erhebliche Auslegungsspielräume für die nationale Umsetzung verbleiben.Nach altem Recht waren in den meisten EU-Mitgliedstaaten Mitarbeiterbeteiligungs- und -optionsprogramme von der Prospektpflicht befreit. Die neue Richtlinie erlaubt dagegen prospektfreie Programme nur unter zwei Voraussetzungen: Erstens müssen die Wertpapiere des Arbeitgebers an einem regulierten Markt zugelassen sein, und zweitens muss den Mitarbeitern ein Dokument mit gewissen Mindestangaben zur Verfügung gestellt werden, also eine Art Mini-Prospekt. Schwierig für US-KonzerneDas erste Kriterium führt vor allem für US-Konzerne zu einem Problem, denn deren Aktien sind in Europa meist nicht oder nur im Freiverkehr gelistet, und dieser gilt nicht als regulierter Markt. In Deutschland bedient sich das WpPG zwar eines anderen Begriffs (“organisierter Markt”), und bei einer Auslegung rein nach dem Wortlaut scheint auch eine Börsenzulassung in den USA zu genügen. Die Gesetzesbegründung zeigt aber, dass der Gesetzgeber nicht von den Vorgaben der Richtlinie abweichen wollte. Die deutschen Behörden verlangen deshalb die Einreichung und Prüfung eines Prospekts für Aktienangebote an Mitarbeiter von US-Konzernen. Die Richtlinie enthält auf den ersten Blick eine Lücke, weil nach dem Wortlaut bei Angeboten von Aktien der ausländischen Muttergesellschaft (statt Aktien der lokalen Gesellschaft, bei der die Mitarbeiter angestellt sind) keine Börsenzulassung in Europa erforderlich zu sein scheint. Die meisten Wertpapieraufsichtsbehörden gehen aber von einem Redaktionsversehen des EU-Gesetzgebers aus und verneinen das Bestehen eines Schlupflochs.Unklar ist weiter, ob die Ausnahme von der Prospektpflicht für Angebote an Mitarbeiter die Zulassung der angebotenen Aktien an einer europäischen Börse erfordert oder ob die Zulassung anderer Papiere – z. B. Schuldverschreibungen – genügt. Hier zeichnet sich keine einheitliche Auslegung durch die Aufsichtsbehörden ab.Erste Gespräche mit den zuständigen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten haben darüber hinaus ergeben, dass sehr unterschiedliche Ansichten zu der Frage bestehen, ob auch US-Mitarbeiteroptionspläne (ESOP) oder technisch als Optionen ausgestaltete US-Aktienkaufprogramme für Mitarbeiter (sogenannte ESPP) als prospektpflichtige Aktienangebote gelten. Unklar bleibt auch, zu welchem Zeitpunkt ein Prospekt vorzulegen wäre – bei Auflegung der Programme oder erst wenn Aktien bezogen werden können? Weitere AusnahmeDamit verbleibt für internationale Konzerne ohne Börsenzulassung in Europa oft nur die Berufung auf eine weitere Prospektausnahme: ein Angebot an weniger als 100 Personen pro Land. Viele ausländische Großkonzerne haben in Deutschland aber weit mehr als 100 Mitarbeiter, die sich für das Programm qualifizieren, so dass auch diese Möglichkeit verstellt ist.Eine weitere Kuriosität zeichnet sich in der Frage der für eine eventuelle Prospektprüfung zuständigen nationalen Behörde ab. Eine Übergangsbestimmung sieht vor, dass ein Wertpapierangebot nach dem 31. 12. 2003 bereits als (unwiderrufliche) Wahl der zuständigen Behörde des Angebotslandes gilt. Dabei bleibt im Dunklen, ob auch nach altem Recht prospektfreie Angebote an Mitarbeiter als – ungewollte – Wahl der Behörde ausgelegt werden und was bei annähernd gleichzeitigen Angeboten an Mitarbeiter in mehreren Ländern gelten soll. Unklar ist auch, ob ein Angebot nach dem 31. 12. 2003 mit geprüftem Prospekt nach nationalem Recht, zum Beispiel in Frankreich, eine Wahl der zuständigen Behörde bewirkt hat. Diese Wahl würde dann nicht nur für Angebote an Mitarbeiter gelten, sondern für jedes künftige Angebot von Wertpapieren in Europa. Die französische Aufsichtsbehörde AMF hat signalisiert, dass sie sich weiter damit begnügen wird, dass ein US-Emittent die von der amerikanischen SEC geprüften Dokumente und eine französische Zusammenfassung als europäischen Prospekt vorlegt. Ob die Behörden anderer Länder dem folgen, ist offen.Sollte sich bewahrheiten, dass ESOP und ESPP mit Umsetzung der Prospektrichtlinie in einigen oder allen Ländern der EU und des europäischen Wirtschaftsraums prospektpflichtig geworden sind, ergäbe sich ein erheblicher administrativer Aufwand: Ein einmal behördlich geprüfter Prospekt bleibt zwar zwölf Monate gültig. Das setzt aber voraus, dass er vor dem Angebot durch ebenfalls geprüfte Nachträge aktualisiert wird. Da viele Programme von US-Emittenten so gestaltet sind, dass praktisch laufend, z. B. bei Neueinstellungen, Optionen oder Ankaufrechte angeboten werden, entsteht eine fortlaufende Aktualisierungspflicht. Nach zwölf Monaten ist die Einreichung eines komplett neuen Dokuments erforderlich. Es ist dann nur ein schwacher Trost, dass der von der Behörde eines Landes geprüfte Prospekt als “Europapass” in allen anderen Ländern verwendet werden kann. In jedem Fall ist zusätzlich die Zusammenfassung in die lokale Sprache zu übersetzen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich ein extrem kurzes Dokument als Zusammenfassung vorgestellt (nach der Gesetzesbegründung “in der Regel nicht mehr als 2 500 Wörter”). Aber die ersten nach neuem Recht von der BaFin gebilligten Prospekte enthalten Zusammenfassungen, die diesen Rahmen um ein Vielfaches überschreiten. Nicht gewolltIn einer kürzlich mit Interessengruppen geführten Besprechung haben EU-Kommissionsmitglieder zum Ausdruck gebracht, man habe derart weitreichende Folgen und Auslegungsprobleme weder gewollt noch vorhergesehen. Auch die nationalen Behörden bemühen sich um Wohlwollen. Jedoch lassen sowohl die Richtlinie als auch die nationalen Gesetze nur geringen Spielraum für einen nachsichtigen Umgang mit Mitarbeiterprogrammen. Auch bleibt abzuwarten, ob sich die nationalen Behörden kurzschließen, um wenigstens eine halbwegs einheitliche Auslegung der Bestimmungen der von einem Praktiker bereits als “directive from hell” charakterisierten Prospektrichtlinie sicherzustellen. Es wäre bedauerlich, wenn vor allem US-Emittenten und deren europäische Mitarbeiter durch erhöhte Anforderungen an konzernweite Mitarbeiterbeteiligungs- und -optionsprogramme gegenüber ihren europäischen Wettbewerbern benachteiligt würden. Wegen der erhöhten Anforderungen wollen schon einige US-Emittenten europäische Mitarbeiter von globalen Programmen ausschließen.*) Dr. Manuel Lorenz ist Partner bei Baker & McKenzie LLP, Frankfurt.