RECHT UND KAPITALMARKT

Eine Brückentechnologie als Sackgasse?

Eigentümlicher Ansatz im Gesetzentwurf für elektronische Wertpapiere

Eine Brückentechnologie als Sackgasse?

Von Bernd Geier *)Der jüngst veröffentlichte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung elektronischer Wertpapiere (Ref-E) zielt auf die Begebung elektronischer Wertrechte mit Wertpapierfunktionen ab – auch in Form von Kryptowertpapieren. Er war lange erwartet worden und erhielt viel Lob als Beitrag zur Modernisierung des Wertpapier- und Verwahrrecht. Andere Länder haben es vorgemacht. Liechtenstein erließ jüngst sogar ein Gesetz speziell für blockchainbasierte Token. Deutschland geriet ins Hintertreffen: Die Gesetzeslage war zu sperrig, wenig anwenderfreundlich und nur schwer verständlich. Dass sich die Bundesregierung der Thematik annahm und sogar eine Blockchain-Strategie verabschiedete, ist daher sehr begrüßenswert. Ziel der Strategie ist es, für Innovationen zu sorgen und die Potenziale der Technologie für Deutschland zu erschließen.Es stellt sich jedoch die Frage, ob die vom Ref-E konkret verwendete Mechanik das Potenzial hat, sich langfristig auch international im Markt durchzusetzen. So wird seit einiger Zeit vertreten, dass deutsche System der Girosammelverwahrung sei archaisch, stoße im internationalen Effektenverkehr an seine Grenzen und die Technik des Ref-E sei bestenfalls eine Brückentechnologie. Das ist dem Ref-E auch bewusst: In der Begründung stellt er ausdrücklich klar, dass eine umfassende Reform noch ausstehe und die Diskussion dazu nicht beendet werden solle.Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, sich schrittweise einer umfassenden, nachhaltigen Lösung zu nähern. Dies setzt jedoch voraus, dass die Einzelschritte zielgerichtet erfolgen. Andernfalls besteht die Gefahr, am Ende in einer Sackgasse zu landen.Der Ref-E beschreitet einen sehr eigentümlichen, deutschen Sonderweg: Er erklärt elektronische Inhaberpapiere zu fiktiven Sachen mit fiktivem Besitz, deren Inhaber (das heißt Eigentümer) durch Registereintrag festgelegt werden. Der Inhaber ist vom Investor (Berechtigten) zu unterscheiden. Ersterer wird zum Treuhänder ohne Berechtigung erniedrigt und der Berechtigte zum Miteigentümer nach Bruchteilen fiktiv erhöht. Dies soll ermöglichen, elektronische Wertrechte als fiktive Inhaberpapiere wie bewegliche Sachen zu übertragen (obwohl sie dies gerade nicht sind) und sie so dem System der Girosammelverwahrung zuzuführen. Berechtigte erlangen fiktiven mittelbaren Besitz und können durch Geheißerwerb das fiktive Inhaberpapier durch “Einigung und Übergabe” übertragen. Antworten fehlenDie Mechanik ist nicht intuitiv und gerade im Ausland nur schwer zu erklären. Zahlreiche Fragen müssen erst noch beantwortet werden: Wie gehen ausländische Rechtsordnungen mit den Fiktionswirkungen und der im Ref-E enthaltenen Kollisionsnorm um? Entwickeln Intermediäre tatsächlich den für Übertragungen erforderlichen Besitzmittlungs- und Rechtsbindungswillen, um eine bewegliche Sache zu übereignen (obwohl es an dieser Sache gerade fehlt)? Kryptowertpapiere haben aus Marktsicht wenig mit klassischen Inhaberschuldverschreibungen gemein. Zwar besteht insoweit auf Basis des Ref-E die Möglichkeit, anders als bei sonstigen elektronischen Wertpapieren, auch ohne zwischengeschalteten Treuhänder Eigentum direkt zwischen Investoren zu übertragen (Einzeleintragung). Das setzt jedoch auch insoweit den Willen der Beteiligten voraus, sich dinglich auf die Übertragung einer beweglichen Sache zu einigen.Der Ref-E läuft daher Gefahr, eine hochkomplexe Regelung mit geringer internationaler Marktakzeptanz zu schaffen. Elektronische Wertpapiere in ein Verwahrsystem zu zwängen, dass für Wertpapiere i. e. S. konstruiert wurde (Girosammelverwahrung), ist der Versuch einer Quadratur des Kreises. Es stellt sich die Frage, ob kein einfacherer Weg zur Verfügung stünde.Hier bietet sich die Gutschrift in Wertpapierrechnung an – ein Verwahrsystem, das schon heute gut mit unverbrieften Wertrechten umgehen kann; es bedarf keiner fiktiven Sache. Um es für deutsche, elektronische Wertpapiere nutzbar zu machen, müssten lediglich klassische Funktionen elektronischer Wertpapiere kodifiziert werden: im Wesentlichen die Entstehung durch Registereintrag, Übertragung durch Registereintrag, ggf. gutgläubiger Erwerb auf Basis von Registereinträgen, Erlöschen durch Löschung aus dem Register, ggf. “Umwandlungsrechte” in und aus Verbriefungsformen – sowie die formelle Legitimationsfunktion des Registereintrags.Damit wäre ein funktionsfähiges, erheblich zukunftsfähigeres System geschaffen, dessen Komplexität auch überschaubar wäre. Dieses könnte später weiter im Rahmen einer umfassenden Reform ausgebaut werden. Es käme dann auch nicht (mehr) darauf an, ob das Wertpapier auf DLT-Basis geführt wird oder nicht. Lediglich im Rahmen der Regulatorik (Registerführung, Zulassung, Organisations-/Verhaltensvorschriften, Haftung) wären DLT-Besonderheiten zu beachten. Zu dieser Regulatorik ist zeitnah auch mit der Veröffentlichung von Vorschlägen auf EU-Ebene zu rechnen.Der Beitrag ist daher ein Plädoyer für die Einführung elektronischer Wertpapiere in Deutschland, jedoch unter Nutzung eines erheblich schlankeren und einfacheren Regelungsansatzes. *) Prof. Dr. Bernd Geier ist Partner von Bryan Cave Leighton Paisner in Frankfurt.