Telekommunikation

1&1 gibt Startschuss für eigenes Mobilfunknetz

Die United-Internet-Tochter 1&1 hat ihr Mobilfunknetz in Betrieb genommen. Den behördlichen Vorgaben hinkt das Unternehmen hinterher.

1&1 gibt Startschuss für eigenes Mobilfunknetz

1&1 startet eigenes Mobilfunknetz

Netzausbau hängt behördlichen Vorgaben bislang deutlich hinterher

dpa-afx Montabaur

Nach einer deutlichen Verzögerung beim Ausbau steht nun mit dem Telekommunikationsanbieter 1&1 das vierte deutsche Handynetz in den Startlöchern. Das Netz sei voll funktionsfähig, sagte Firmenchef Ralph Dommermuth einer Mitteilung zufolge. "Mit 1&1 haben wir einen vierten Netzbetreiber, der durch den Einsatz modernster Technologie dazu beitragen wird, Deutschland bei 5G an die Spitze zu bringen." Bisher gibt es hierzulande Handynetze der Deutschen Telekom, von Vodafone sowie von Telefónica Deutschland (O2).

Das Netz existiert zunächst nur im Mini-Format: Ende September waren 60 Antennenstandorte bereit für die Handyverbindungen, Anfang 2024 sollen 200 aktiviert sein. Zum Vergleich: O2 hat bundesweit mehr als 28.000 Standorte.

Der Netzausbau war bisher keine Erfolgsgeschichte für 1&1. Laut einer staatlichen Vorschrift hätte die Firma Ende 2022 schon 1.000 5G-Standorte aktiviert haben müssen, es waren aber nur fünf. Das begründete 1&1 mit Lieferschwierigkeiten von Ausbaupartnern. Wegen der Verzögerung droht der Firma ein Bußgeld durch die Bundesnetzagentur.

Überall dort, wo 1&1 keine Antennen hat, werden Neukunden mit dem O2-Netz verbunden. Die Bestandskunden wiederum bekommen ohnehin O2-Netz, da die Firma bislang nur als virtueller Handynetzbetreiber tätig war. Für das eigene Geschäft wurden Kapazitäten bei der Konkurrenz angemietet, vor allem beim Wettbewerber O2.

Milliardenschwere Auktionsteilnahme

2019 entschied sich Firmenchef Ralph Dommermuth für ein eigenes Netz, um den Handynetzbetreibern Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland auf Augenhöhe begegnen zu können. Damals ersteigerte 1&1 erstmals Frequenznutzungsrechte für rund 1,1 Mrd. Euro. Hinzu kommen milliardenschwere Ausbaukosten.

Wer schon jetzt 1&1-Kunde ist, für den ändert sich zunächst nichts. Denn mit dem Netzstart haben zwar Neukunden Zugriff auf die Antennen, der Bestand an den rund 12 Millionen Vertragskunden wird hingegen erst schrittweise bis Ende 2025 auf das neue Netz umgebucht. Im Sommer oder Herbst 2024 greift zudem ein Vodafone-Vertrag zum National Roaming, also zur Funkverbindung abseits der 1&1-Standorte. Das heißt vereinfacht gesagt: Wo heute 1&1 draufsteht, ist viel O2 drin. Und künftig wird viel Vodafone drin sein.

1&1 setzt auf ein offenes Funkzugangsnetz (Open Ran). Diesem Konzept wird auch von der Konkurrenz großes Potenzial beigemessen: Im Gegensatz zu den von der Branche bisher genutzten geschlossenen Systemen, die an einzelne Hersteller gebunden sind, sind beim Open Ran die Standards und Schnittstellen offen. Dadurch können Komponenten unterschiedlicher Firmen genutzt werden. Das innovative Netz soll eine sehr geringe Reaktionszeit (Latenz) haben.

Ausbau verlief bisher schleppend

Um einer anderen Vorschrift Genüge zu tun, hatte 1&1 vor knapp einem Jahr ihre wenigen Antennen für ein Festnetz-Ersatzprodukt in Betrieb genommen: Haushalte in der Nähe der Standorte konnten Mobilfunk bekommen und brauchten daher keinen Festnetzvertrag. Wer mit seinem Smartphone an den Antennen vorbeilief, wurde aber nicht verbunden. Der Handynetz-Start wurde zunächst für das Sommerquartal 2023 geplant, dann aber verschoben. Nun ist es so weit.

Nach den Schwierigkeiten soll der Ausbau im kommenden Jahr Fahrt aufnehmen. Laut Auflagen der Bundesnetzagentur müssen die Antennen des Unternehmens bis Ende 2025 mindestens 25% der deutschen Haushalte erreichen und bis Ende 2030 mindestens 50%. Die restlichen Haushalte sollen über Roaming Netz bekommen.

Wichtig ist zudem die Frage, ob im nächsten Jahr eine weitere Mobilfunkauktion stattfindet. Denn bisher nutzt die Firma nur Frequenzblöcke in zwei Funkbändern, für ein optimales flächendeckendes Netz sind aber weitere Blöcke in anderen Bändern nötig. Daher will 1&1 nachkaufen. Nach Plänen der Bundesnetzagentur soll die Versteigerung aber ausfallen, und bisherige Nutzungsrechte sollen verlängert werden. Dann bliebe 1&1 hierbei außen vor, und den Platzhirschen Telekom, Vodafone und 1&1 würde der Rücken gestärkt. In Montabaur werden diese Behördenpläne sehr kritisch gesehen.

Positive Folgen für Verbraucher erwartet

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wertet den Handynetz-Start von 1&1 positiv. "Für die Verbraucher und Unternehmen ist der Markteintritt eines vierten Netzbetreibers eine sehr gute Nachricht", sagt er. "Das bedeutet: mehr Auswahl, steigende Netzqualität und attraktive Preise." Er erwarte, dass der Ausbau der Mobilfunknetze einen zusätzlichen Schub erhalte.

Auch der Daumen von Verbraucherschützern zeigt nach oben. "Die bestehenden Netze der drei Anbieter werden zwar stetig verbessert und leistungsfähiger, trotzdem sehen sich Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin Funklöchern und neuerdings auch leicht steigenden Preisen einiger Anbieter ausgesetzt", sagt Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale NRW. "Der Start eines weiteren Netzes kann hier zu neuem Wettbewerb in einem etablierten Markt führen, der in besseren Netzen und günstigeren Preisen für die Verbraucherinnen und Verbraucher münden kann."

Jens-Uwe Theumer vom Vergleichsportal Verivox sagt, dass der vierte Netzbetreiber frischen Wind und mehr Wettbewerb in den Markt bringen werde. In Deutschland gab es lange Zeit vier Handynetze, 2014 fusionierten aber O2 und E-Plus. Nun steigt die Zahl der Handynetze wieder auf vier. "Fast zehn Jahre lang gab es drei etwa gleich große Anbieter, die kein Interesse an großen Verwerfungen hatten", sagt Branchenexperte Theumer. "1&1 bricht das jetzt auf." Der Markt werde dynamischer werden, mit mehr Wahlmöglichkeiten für Verbraucher. "Dies ist dringend zu wünschen: Derzeit ist Deutschland mit einem durchschnittlichen Gigabyte-Preis von 2,50 Euro der drittteuerste Anbieter für mobiles Internet in Europa."