5G steckt in den Kinderschuhen fest

Vergaberegeln weiter ungeklärt - Experte schlägt staatliche Netzgesellschaft zur Finanzierung vor - Geschäftsmodelle unzureichend

5G steckt in den Kinderschuhen fest

Der 5G-Ausbau ließe sich beschleunigen, wenn der Staat in Vorlage ginge – zum Beispiel mit einer Netzgesellschaft, die sich aus Einnahmen der Vermietung an die Betreiber finanziert, meint EY-Telekomexperte Olaf Riedel. Indes stellen noch immer ungeklärte Vergaberegeln eine weitere Hürde dar.Von Heidi Rohde, FrankfurtDie Coronakrise hat den im vergangenen Jahr zugespitzten Hype um den künftigen Mobilfunkstandard 5G und seine Gefahren wie auch Segnungen für die Wirtschaft praktisch im Keim erstickt. Die Ausbauauflagen, die bis Ende 2022 in Deutschland praktisch den flächendeckenden Ausbau von hochbitratiger Netzinfrastruktur vorsehen sind unverändert anspruchsvoll, die Herausforderung ist für die Telekommunikationsbranche sogar gestiegen.Denn zum einen sind die Bedingungen für die Vergabe an die verschiedenen Ausrüster nach wie vor ungeklärt. Das heißt insbesondere die Frage, in welchem Umfang und unter welchen Restriktionen der chinesische Technologiekonzern Huawei mit Komponenten zum Einsatz kommen darf, ist noch offen. Der Sicherheitskatalog, den die Bundesnetzagentur (BNetzA) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erarbeitet hat, sollte ursprünglich noch vor Ostern in die parlamentarische Abstimmung gehen, um so schnell wie möglich eine Grundlage für die Vergabe zu schaffen. Nun ist von der BNetzA zu hören, wann es damit vorangehe, sei “zurzeit nicht absehbar”. Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland hängen damit prinzipiell weiter in der Luft – auch wenn teilweise schon Fakten geschaffen werden. So haben alle drei großen Netzbetreiber einen substanziellen Anteil ihrer bestehenden Netze mit Huawei gebaut.Die Chinesen gelten seit längerem nicht nur als Preisführer, sondern sind auch technisch den Wettbewerbern voraus. Da die Unternehmen in einem ersten Schritt zu 5G zunächst ihre 4G-Infrastruktur mit 5G-Komponenten aufrüsten, teilweise nur durch ein Software-Update, teilweise durch weitere Hardware-Komponenten, ist ein gewisser Marktanteil für die Chinesen gleichsam schon gesichert. Denn die Komponenten der einzelnen Hersteller sind nicht kompatibel; auf eine Huawei-Basisstation lässt sich kein Ericsson-5G-Modul aufsetzen und umgekehrt. Technische HürdenDa diese Aufrüstung einen guten Teil des 5G-Ausbaus ausmacht, wäre ein Verzicht auf die Chinesen wohl deutlich zu teuer. Einen Rückbau, auch der Vorgängertechnik und Ersatz durch Teile von Ericsson oder Nokia scheint daher nicht tragbar. Nicht ohne Grund hat Großbritannien als Vorschlag zur Güte eine “Marktanteilsbegrenzung” von Huawei bei 5G verabschiedet, so dass die Chinesen zumindest ihre Beteiligung behalten.Danach sieht es auch in Deutschland aus. Offen ist jedoch die Beteiligung der Chinesen an der Verdichtung der Netze, also an neuen Basisstationen, die nötig sind, um die Kapazitätsfrequenzen für 5G nutzen zu können. Auch hier dringen die Telekomfirmen auf eine freie Auswahl unter den Ausrüstern nach Maßgabe der Sicherheitskriterien. Denn sonst droht eine Kosteninflation, die den 5G-Ausbau hemmt.So ist schon die Zertifizierung unter Experten umstritten. Während die einen darauf hinweisen, dass eine “Zertifizierung in Papierform” praktisch ohne Wert ist, betonen die anderen, dass eine tatsächliche Prüfung einzelner Komponenten zu viel Zeit und Geld kosten würde. Damit würde der 5G-Ausbau zum Jahrhundertprojekt, und zwar in Jahren.Olaf Riedel, Leiter des Bereichs Telekommunikation bei EY, schlägt deshalb vor, das Modell der staatlichen Netzgesellschaft zu erweitern, die bisher nur dafür gedacht ist, dort ein Netz zu bauen, wo es sich für keinen der drei Wettbewerber lohnt. “Die Netzgesellschaft könnte das ganze Netz, also ein Netz für Deutschland, bauen und an die Telekommunikationsbetreiber vermieten.” Das würde zum einen den Finanzbedarf insgesamt senken und zum anderen auch die Überprüfung von Sicherheitsstandards beschleunigen. “Der Staat könnte die Finanzierung über die Mieteinnahmen sicherstellen und außerdem durch Öffnung an private Investoren eine weitere Finanzierungsquelle erschließen und das 5G-Netz dann auch sukzessive ganz oder in Teilen an die Betreiber veräußern”, meint Riedel. Chancen nicht schlechtPrinzipiell erscheinen die Chancen für eine solche Lösung nicht schlecht. Infrastruktur hat als Assetklasse in den vergangenen Jahren vor allem bei Private Equity eine große Bedeutung erlangt. Eine Vielzahl entsprechender Fonds mit längeren Laufzeiten und gemäßigteren Renditezielen als im klassischen Leveraged Finance sind entstanden und suchen nach Geldanlage. Einige sind bereits auf passive Netzinfrastruktur wie Glasfaser oder Kabel oder Antennenmasten spezialisiert. Gerade Tower Companies sind verstärkt ins Rampenlicht gerückt und an der Börse zu Stars avanciert.Allerdings dürfte die Bundesregierung bei den Telekomkonzernen vermutlich auf Granit beißen. Diese sind bisher darauf aus, sich durch die Qualität ihrer Netze zu differenzieren, nicht durch Dienste oder andere Produkte. “Die Telekom ist ein Infrastrukturanbieter mit ein paar Diensten obendrauf”, formulierte Telekomlenker Tim Höttges noch vor kurzem deutlich. Auch die Konkurrenz wetteifert um die Gütesiegel von Connect und Co. Dienste und Plattform-Ökonomie kommen trotz aller Lippenbekenntnisse kaum voran.Riedel geht allerdings davon aus, dass Telekommunikationsunternehmen eine nur darauf ausgerichtete Strategie nicht dauerhaft durchhalten können. “Für ein 5G-Geschäftsmodell wird der reine Infrastrukturbetrieb nicht ausreichen. Mit den neuen Technologien können die Konzerne sich neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten erschließen.” Seine Auffassung wird gestützt durch Erhebungen des Bitkom zur Zahlungsbereitschaft für 5G. Ein Drittel der Befragten will gar keine zusätzlichen Kosten für 5G-Technik akzeptieren, ein weiteres Viertel nur maximal 10 Euro im Monat. Bei privaten Nutzern ist seit längerem deutlich geworden, dass insbesondere für fortgeschrittene Dienste und Anwendungen Zahlungsbereitschaft besteht. Bestes Beispiel sind die Streaming-Services für Musik oder Video, die 4G (LTE) zum Durchbruch verhalfen oder sich dank 4G entwickelten – Spotify oder Netflix. Trotz dieser Erfolgsgeschichte blieben die Preise für die reinen Datenpakete unter Druck. Auch dies sollte zum Umdenken in der Infrastrukturfinanzierung beitragen.