Analysten wittern Morgenluft für die Ölindustrie

Seit zwei Monaten steigen Ölpreis und Konzernbewertungen - Shell kündigt Milliardenbelastungen an

Analysten wittern Morgenluft für die Ölindustrie

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtSeit Ende Oktober haben die Kurse der Ölkonzerne und Ölfeldausrüster kräftig angezogen. Vor zwei Monaten lagen die Notierungen nahe ihren Jahrestiefs, da der Ölpreis – die wichtigste Determinante für die Ergebnisse – bis auf rund 37,50 Dollar je Barrel Brent (159 Liter) gesunken war und die Quartalsberichte der Ölmultis mit Abschreibungen in Milliardenhöhe aufwarteten, weil die Reserven und Vorräte neu bewertet werden mussten. Zwar hat sich der Ölpreis – und mit ihm die Bewertung der Ölunternehmen – erholt, doch die Zeit der niedrigeren Wertansätze muss damit noch nicht vorbei sein.So teilte am Montag Royal Dutch Shell mit, dass der Konzern im vierten Quartal von milliardenschweren Belastungen ausgehe. Nach Steuern würden diese wegen Wertminderungen, Restrukturierung von Vermögenswerten und belastenden Verträgen 3,5 bis 4,5 Mrd. Dollar betragen. Die Kosten im Zusammenhang mit dem Umbau des niederländisch-britischen Konzerns würden voraussichtlich 2021 verbucht, hieß es.Obwohl der Ölpreis ein beeindruckendes Comeback feiert – ein Barrel Brent kostete am Dienstag gut 50 Dollar -, steckt in den Bewertungen der US-Konzerne sehr viel Zuversicht. Während die europäischen Branchenriesen Royal Dutch Shell, Total und BP auf Basis der Konsensgewinnschätzungen für 2021 mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen zwischen 10,5 und knapp 16 verhältnismäßig moderat bewertet sind, liegen die KGVs von Exxon & Co. für nächstes Jahr so hoch, dass eine Trendwende beim Ölpreis nach unten sofort starke Korrekturen auslösen dürfte. Denn KGV-Multiples zwischen 27 und 30 für Schlumberger, ExxonMobil, Halliburton und Chevron sind aus historischer Sicht überdurchschnittlich hoch. Angesichts der – selbst auf Basis erwarteter Gewinnsteigerungen – hohen Bewertungen ist nur schwer nachvollziehbar, dass Analysten im Schnitt so positiv für die US-Ölaktien eingestellt sind. Bei Schlumberger, Chevron und Halliburton wird mit unterschiedlichem Nachdruck zum Kauf geraten, bei Exxon zum Halten. Die Research-Häuser setzen im Grunde eine baldige Rückkehr zu Vor-Corona-Zeiten voraus. So basierte die jüngste Rally des Ölpreises und der Ölaktien vor allem auf Erfolgsmeldungen zu Impfstoffen, die Hoffnung auf eine rasche Konjunkturerholung und damit auch auf einen steigenden Ölverbrauch genährt hatten. Neue Meldungen über Virusmutationen oder schwache Konjunkturdaten könnten schnell zur Ernüchterung führen.