Konjunkturflaute

Chemie steckt in der Krise fest

Nach einem sehr schwachen Geschäftsjahr zeichnet sich für die deutsche Chemieindustrie keine rasche Belebung ab.

Chemie steckt in der Krise fest

Chemieindustrie steckt in der Krise fest

Branche erwartet Belebung frühestens im zweiten Halbjahr und fordert bessere Standortbedingungen ein

swa Frankfurt

In der deutschen Chemieindustrie zeichnet sich noch keine Erholung ab. „Die Lage ist weiterhin extrem schwierig“, unterstreicht Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VCI, im Pressegespräch. Die Unternehmen leiden unter einer global schwachen Nachfrage und hohen Energiekosten.

Das Jahr 2023 habe mit einem schwachen Schlussquartal in der chemisch-pharmazeutischen Industrie „auf der ganzen Linie enttäuscht“, fasst Große Entrup das Szenario zusammen. Im Februar hätten nun einzelne Unternehmen zwar von einer leicht verbesserten Auftragslage berichtet, die konjunkturelle Trendwende sei aber noch nicht in Sicht. Eine Erholung erwartet der VCI frühestens in der zweiten Jahreshälfte.

Schwieriges Umfeld

Die Branche hat mit weiterhin schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Die Kosten für Energie und Rohstoffe seien immer noch um ein Vielfaches höher als in den USA und Asien. Im Chemiegeschäft gebe es derzeit erhebliche Überkapazitäten, vor allem in China. Chinesische Chemikalien drängten gegenwärtig mit niedrigen Preisen auf den Weltmarkt und setzten vor allem die europäischen und deutschen Hersteller unter Druck. Belastend komme hinzu, dass die globale Schifffahrt wegen der Huthi-Angriffe auf die wichtigste Handelsroute durch das Rote Meer gestört sei. Das verlängere nicht nur die Lieferzeiten, sondern treibe auch die Kosten in die Höhe.

Für 2024 stellt der Verband nun für die chemisch-pharmazeutische Industrie einen Umsatzrückgang von 3,5% in Aussicht. Im Dezember war noch ein Minus von 3% geschätzt worden. Der VCI spricht hier von einer statistischen Anpassung, nicht von einer Korrektur der Prognose. Die Erzeugerpreise dürften weiter zurückgehen, die Produktion auf niedrigem Niveau stagnieren.

Auslastung sinkt

Im vergangenen Jahr sank der Branchenumsatz um 12% auf 229,3 Mrd. Euro. Die Produktion war um 7,9% rückläufig, ohne Pharma ging es in der Chemie um 10,4% bergab. Einen solchen schlimmen Rückschlag habe die Chemieindustrie zuletzt 1995 erlebt. Die Kapazitätsauslastung habe im vierten Quartal 77,2% erreicht und liege damit deutlich unter Normalniveau.

Der VCI geht nicht davon aus, dass sich die Auftragslage im Inland absehbar deutlich verbessern wird. Impulse werden im Auslandsgeschäft erwartet, vor allem in den USA und in China. Große Entrup fordert eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik: „Wir müssen ran an die Standortfaktoren.“ Auch auf EU-Ebene gebe es viel zu tun. Es bedürfe eines neuen Politikstils in Brüssel. Die Politik müsse mehr fördern, Anreize setzen und Freiräume schaffen, meint der Verbandsvertreter und appelliert an „mehr Zuckerbrot statt Peitsche“.

Industrial Deal als Lichtblick

Als Lichtblick bezeichnet Große Entrup die auf dem Europäischen Industriegipfel im Februar von Wirtschaft und Politik auf den Weg gebrachte „Antwerpener Erklärung“, die flankierend zum Green Deal der EU einen Zehn-Punkte-Plan für einen Industrial Deal vorschlägt. Der Aufruf sei unterdessen von mehr als 700 Unternehmen unterschrieben worden. Die notwendigen Strukturreformen bedeuteten „einen immensen Kraftakt für alle Beteiligten“, sagt Große Entrup. Aber nur ein wirtschaftlich starkes Europa könne auch politische Stärke zeigen.