Rolf Hellermann

„Der Börsengang ist eine Option“

Der Medienkonzern Bertelsmann liebäugelt mit dem Börsengang des Callcenter-Geschäfts. Entschieden ist jedoch noch nichts, wie Finanzchef Rolf Hellermann im Interview sagt.

„Der Börsengang ist eine Option“

Annette Becker.

Herr Hellermann, Bertelsmann hat im ersten Halbjahr operativ deutlich zugelegt. Welche Treiber jenseits der Erholung der Werbemärkte stecken dahinter?

Von der Erholung der Werbemärkte hat besonders die RTL Group profitiert. Daneben hat vor allem Penguin Random House ein superstarkes Halbjahr mit einer sehr starken Publikationsliste abgeliefert. Doch auch unser Dienstleistungsgeschäft Arvato und dort insbesondere unsere Customer-Experience-Tochter Majorel und das Supply-Chain-Business haben zu der Entwicklung beigetragen.

Wie ist das weitere Vorgehen bei Majorel? Im Raum steht ein Börsengang, womöglich noch in diesem Jahr.

Wir sind mit der Geschäftsentwicklung von Majorel sehr, sehr zufrieden. Nicht nur im ersten Halbjahr, sondern seit dem Start des Unternehmens Anfang 2019. Majorel ist ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen mit der Saham Group. Wir sehen uns beide auch in der Zukunft in der Gesellschafterrolle bei Majorel. Aber es ist richtig, dass ein Börsengang immer eine Option ist, um künftiges Wachstum zu generieren. Das schließen wir auch bei Majorel nicht aus. Zu diesem Zeitpunkt können wir darüber hinaus keine weiteren Informationen geben.

Die Pläne scheinen jedoch schon sehr konkret, ist doch die Rede von einem IPO in Amsterdam noch in diesem Jahr.

Der Börsengang ist eine mögliche Option. Es gibt aber zum jetzigen Zeitpunkt keine feste Entscheidung, diesen Weg zu gehen.

Da Sie sagen, beide Partner möchten auch künftig an Bord bleiben, erfolgte der Börsengang im Rahmen einer Kapitalerhöhung?

Wie gesagt, es gibt zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung.

Auch Sondereinflüsse haben im ersten Halbjahr zu dem Sprung im Ergebnis vor Zinsen und Steuern beigetragen. Wie setzen sich die Sonderfaktoren von fast 1 Mrd. Euro zusammen?

Der größte Teil entfällt auf Veräußerungsgewinne, wobei zwei Transaktionen hervorzuheben sind: zum einen der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf unserer Adtech-Tochter Spotx in den USA von 745 Mill. Euro und zum anderen der Gewinn aus dem Verkauf unserer französischen Zeitschriftentochter Prisma Media von 49 Mill. Euro.

Zugleich haben Sie Beteiligungen hochgeschrieben. Das bescherte weitere 200 Mill. Euro an Buchgewinn. Was steckt dahinter?

Da geht es vor allem um Beteiligungen aus unserem Unternehmensbereich Bertelsmann Investments, die wir at Fair Value bewerten. Es hat vor allem bei BAI in China im ersten Halbjahr zwei Börsengänge gegeben, so dass diese Beteiligungen seither mit dem Börsenwert in den Büchern stehen.

Sie haben die Prognose erhöht. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Operating Ebitda) ist im ersten Halbjahr um mehr als 40 % gewachsen. Lässt sich das auf das Gesamtjahr hochrechnen?

Wir waren bislang davon ausgegangen, dass unser Operating Ebitda auf vergleichbarer Basis, also ohne die Immobilien-Veräußerungsgewinne im Vorjahr, stabil bleibt. Mittlerweile erwarten wir ein deutliches bis starkes Wachstum. Wir gehen davon aus, dass sich die gute Geschäftsentwicklung durchtragen wird. Ein Zuwachs um 40 % dürfte es dennoch nicht werden, weil das zweite Halbjahr 2020 schon sehr stark war.

Bis wann rechnen Sie mit dem Abschluss der Übernahme des US-Buch­verlags Simon & Schuster und wie wird sich das auf die wirtschaftliche Verschuldung auswirken?

Wir haben im Mai bereits die Genehmigung der britischen Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde erhalten. Die behördliche Prüfung in den USA dauert an. Durch die Übernahme wird unsere wirtschaftliche Verschuldung natürlich steigen, aber aller Voraussicht nach unter unserem selbst gesteckten Ziel vom maximal 2,5-Fachen des Operating Ebitda bleiben. Wir haben vorgesorgt und sind in der Lage, die Akquisition aus den vorhandenen Mitteln zu bestreiten.

Sie sitzen auf Cash von 3,7 Mrd. Euro. Simon & Schuster kostet 2,2 Mrd. Dollar. Ist der hohe Cash-Bestand gerade in Zeiten negativer Zinsen nicht ungesund?

Angesichts der Unsicherheiten an den Kapitalmärkten im vergangenen Jahr haben wir im letzten Jahr die Fälligkeiten der kommenden zwei Jahre vorfinanziert und damit bewusst eine höhere Liquidität in Kauf genommen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben wir eine Reihe von Schritten unternommen, um die Liquidität wieder zurückzuführen. In Summe haben wir Verbindlichkeiten von über 1 Mrd. Euro getilgt und damit auch die Verwahrentgelte reduziert. Aber wir haben auch nach der Kaufpreiszahlung noch genügend Liquidität, um im nächsten Jahr in unsere Geschäfte zu investieren.

Der Umbau von RTL ist im ersten Halbjahr vorangekommen. In Frankreich und den Niederlanden sind Zusammenschlüsse mit anderen TV-Gruppen geplant. Wie sieht der Plan B aus, sollten die Vorhaben am Widerstand der Kartellbehörden scheitern?

Es ist richtig, dass die Transaktionen der Zustimmung der Kartellbehörden und der Medienaufsicht bedürfen. In Frankreich dürfte die Entscheidung erst im zweiten Halbjahr 2022 fallen. In den Niederlanden könnte es etwas schneller gehen. Wir sind zuversichtlich und warten den Ausgang der Verfahren ab. Wir haben in beiden Ländern eine gute Marktposition.

Das Interview führte

BZ+
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