Deutsche Biotech wittert Morgenluft

EY: Positiver Trend - Chronisch unterfinanzierte Branche hofft auf wachsendes Interesse von Anlegern

Deutsche Biotech wittert Morgenluft

swa Frankfurt – Noch spielt die Musik im Ausland, doch die deutsche Biotech hofft auf zunehmendes Interesse von Investoren auch fern von den reiferen Märkten. “Wann, wenn nicht jetzt?”, macht Siegfried Bialojan, Leiter des deutschen Life Science Center der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, den Akteuren Mut. Zwar sind Umsatz und Anzahl der Unternehmen in der deutschen Biotech weiter rückläufig. Doch den Anstieg der Forschungs- und Entwicklungsausgaben sowie der Mitarbeiterzahl wertet der Berater als “klar positiven Trend”.Die Hoffnung auf mehr Aufmerksamkeit bei Investoren gründet vor allem auf der positiven Entwicklung in Großbritannien und speziell in den USA. So konnten Biotech-Firmen im amerikanischen Kapitalmarkt bei 63 Börsengängen im Jahr 2014 knapp 5 Mrd. Dollar aufnehmen. Diese Welle schwappt auf europäische Biotech-Firmen über, von denen im vergangenen Jahr 31 das IPO wagten, nach nur acht 2013. Dabei wurden in Summe 1,9 Mrd. Dollar eingesammelt.Den Schritt an den Kapitalmarkt wagen vor allem die Medikamentenentwickler, die in der Regel zudem einen gewissen Reifegrad erreicht haben, die also Produkte in fortgeschrittener klinischer Entwicklung in Phase 2 oder 3 haben. Größter Börsengang in Europa war die britische Circassia mit einem Volumen von über 250 Mill. Euro.Auch deutsche Branchenvertreter waren erstmals seit 2006 wieder dabei: Mit Affimed und Probiodrug starteten zwei Therapeutikaentwickler den Gang aufs Börsenparkett. Allerdings scheuten sie den heimischen Kapitalmarkt und entschieden sich für die Nasdaq beziehungsweise Euronext in Amsterdam.Die beiden Börsengänge sorgten in Summe für einen leichten Anstieg des Finanzierungsvolumens in der deutschen Branche um 5,4 % auf 155 Mill. Euro (siehe Grafik), womit nach wie vor chronischer Geldmangel herrscht. Ganz anders in Großbritannien, wo sich der Mittelfluss von Fremd- und Eigenkapitalgebern innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelte – zuletzt auf 447 Mill. Euro. Ähnlich groß ist der Schwung in der Schweiz angesichts eines regen Interesses von Venture Capital.Der Zug an die US-Börsen ist ungebrochen. Insgesamt zwölf europäische Unternehmen ließen sich an der Nasdaq listen mit einem durchschnittlichen IPO-Erlös von 58 Mill. Euro. Die Aufmerksamkeit im US-Kapitalmarkt ist aber nicht zwangsläufig gegeben. So zeigt die vor Medienvertretern präsentierte EY-Analyse, dass die Börsenperformance europäischer Firmen nach dem IPO zu wünschen übrig lässt. Über alle IPO-Märkte (Nasdaq, Euronext, London) lagen die Aktienkurse relativ unter dem Emissionspreis, wobei es bei einem Nasdaq-Listing besonders düster aussah. Das Bild der US-Biotech-Debütanten an der Nasdaq fällt indes positiv aus. Für Bialojan ein Hinweis, dass es europäischen Firmen schwerfällt, im US-Kapitalmarkt genügend Beachtung zu finden. RückwärtsdynamikAus Sicht von Bialojan sitzen auch hierzulande eine ganze Reihe von Biotech-Unternehmen in den Startlöchern für einen Börsengang. Firmen, die Produkte in Phase 2 oder 3 haben, sind für ihn potenzielle Kandidaten. Doch Frankfurt werde nach wie vor als Börsenplatz ausgeklammert. Auch den Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für einen Neuen Markt 2.0 hält Bialojan nicht für zielführend. Die Plattform sei nicht das Problem, es fehle an Investoren und Analysten, die ein Unternehmen begleiten. Die IPO-Welle im Ausland wird, so die Hoffnung des Beraters, aber die Venture-Capital-Finanzierung der Biotech ankurbeln.