Alexander Heise

„Die alte Arbeitswelt gibt es nicht mehr“

Die Ausweitung der Arbeit im Homeoffice führt zu einer niedrigeren Mitarbeiterbindung. Darauf müssten Unternehmen reagieren, sagt Hays-Vorstand Alexander Heise. Beim Outsourcing werde die Wertschöpfung wieder näher an Deutschland herangeholt.

„Die alte Arbeitswelt gibt es nicht mehr“

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Davon ist Alexander Heise vom Zeitarbeitskonzern Hays überzeugt. „Die alte Arbeitswelt gibt es so nicht mehr“, sagt das Vorstandsmitglied der in Mannheim ansässigen Hays AG, die zu dem börsennotierten britischen Personaldienstleister gehört. Zunehmend setzten sich flexible Hybridmodelle durch, also eine Kombination aus Arbeit im Büro und im Homeoffice. „Für starre Regelungen zahlen Unternehmen einen hohen Preis“, ist der 42 Jahre alte Manager überzeugt, der seit 17 Jahren bei Hays an Bord ist. Die Mitarbeiter wollten selbst entscheiden, wo sie arbeiten. Das führe zu einer höheren Zufriedenheit. „Die Beschäftigten wollen im Büro sein, aber sie wollen es nicht vorgeschrieben bekommen“, sagt Heise.

Das verstärkte Arbeiten im Home­office hat Folgen für die Personalstrategie. „Je höher der Anteil der Re­mote-Arbeit, desto niedriger die Mitarbeiterbindung“, gibt Heise zu bedenken. Daher müssten Unternehmen gezielt Formate, Plattformen und Erlebnisse entwickeln, um Mitarbeiter zu binden, und dafür ein Budget bereitstellen. „Unternehmen müssen viel mehr auf das Erlebniskonto einzahlen“, mahnt der Chief Strategic Client Officer, etwa durch Team- und Bereichsveranstaltungen. Personalchefs seien gefragt, dafür gute Modelle zu schaffen. „Da muss mehr investiert werden“, fordert Heise. Bisher seien die Firmen in Deutschland in diesem Punkt aber noch „sehr konservativ“. Freie Büroflächen sollten die Unternehmen nicht etwa einsparen, sondern dafür nutzen, Office-Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten.

In den vergangenen 18 Monaten seien 70% der Stellen, in denen Telearbeit möglich ist, ausschließlich digital besetzt worden. Auch das Onboarding erfolge digital. „Gegebenenfalls sehen sich Mitarbeiter und Unternehmen nach zwei, drei Monaten das erste Mal persönlich. Das ist unglaublich, aber es funktioniert“, sagt Heise. Inzwischen würden 11% der Stellen in Deutschland als reine Homeoffice-Arbeitsplätze ausgeschrieben. Nach Angaben des Ifo-Instituts hat sich das Angebot für Re­mote-Arbeit seit 2019 mehr als verdreifacht. Am stärksten sei der Anstieg in Berufen, in denen vor der Krise das ungenutzte Potenzial für Heimarbeit besonders hoch war.

Dem Kunden folgen

Hays zählt sich zu den führenden Personaldienstleistern für die Rekrutierung von qualifizierten Spezialisten. Ende Juni beschäftigte die Gruppe, die in 33 Ländern tätig ist, 10800 Mitarbeiter. Der Konzern vermittelt Spezialisten für Projektarbeit, Festanstellungen oder in Arbeitnehmerüberlassung. Aus Mannheim heraus wird das Geschäft in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Dänemark, Schweden und Russland gesteuert. „Der deutsche Markt spielt eine sehr große Rolle für Hays“, sagt Heise. „Denn wir erwirtschaften fast 30% des weltweit erzielten Gewinns.“

Eine Besonderheit des deutschen Geschäfts sei der hohe Anteil strategischer Kunden aus Sektoren wie Auto, Banken, Versicherungen, Pharma und Chemie. Die Anforderungen an das „Workforce Management“ hätten sich gewandelt: Großkunden wollten keine Lösung allein für ein Land, sondern ein länderübergreifendes Gesamtkonzept. „Wenn wir einen guten Service für Deutschland bringen, erwartet der Kunde das auch für die USA von uns. Folglich ist es unsere Aufgabe, dem Kunden international zu folgen, sei es durch Teams vor Ort oder Nutzung beispielsweise unserer indischen oder rumänischen Kapazitäten.“

Den größten Teil des Umsatzes erzielt die Hays AG mit Projektgeschäft, bestehend aus Dienst- und Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung, und übernimmt laut Heise auch komplette Projekte wie IT-Auslagerung, IT-Support und die Implementierung von SAP-Software. In Deutschland werde es immer schwerer, geeignete IT-Kräfte zu finden. Während der Pandemie habe sich der Mangel erheblich verschärft. „Mehr denn je geht es um Best­shoring“, sagt der Diplom-Kaufmann, der Anfang Juli 2021 in den Vorstand aufstieg. „Also um die Frage: Wo gibt es verfügbare Ressourcen, und wie können die Verträge gestaltet werden, um sie an Bord zu holen.“

Viel wichtiger geworden sei die Liefersicherheit, berichtet Heise. Daher werde die Wertschöpfung wieder näher an Deutschland herangeholt. Viele Projekte, die für Indien geplant waren, würden kurzfristig nach Osteuropa verlagert: „Das geschieht mit einer Geschwindigkeit, die wir vorher nie gesehen haben.“ Indien, lange bevorzugtes Land für IT-Outsourcing, habe in der Pandemie stark gelitten, gerade im Bankensektor. In den engen Großbüros des Landes hätten sich Fachkräfte in Scharen infiziert und seien deshalb ausgefallen. Das habe die Sicherheit der Wertschöpfung gefährdet. „Die Verfügbarkeit von IT-Ressourcen in Asien war nicht immer so gewährleistet, wie wir das vor vier, fünf Jahren angenommen haben. Außerdem hat die Zusammenarbeit mitunter nicht wirklich funktioniert“, sagt Heise.

Polen sei infolge stark gestiegener Gehälter „nicht mehr das ideale Land für jeden Skill“, meint der Manager. Stattdessen rede man jetzt über Rumänien und Usbekistan. Italien und Spanien seien ebenfalls attraktiv, gleichfalls Großbritannien, gerade beim Thema IT-Sicherheit, das derzeit dramatisch an Bedeutung gewinne. Entscheidender Faktor für die Länderwahl sei die Verfügbarkeit von Fachkräften nicht nur heute, sondern auch in zwei, drei Jahren. Insgesamt würden deutlich mehr Projekte als früher im deutschlandnahen Ausland angesiedelt.

Um den Fachkräftemangel hierzulande zu verringern, plädiert Heise für eine „andere Politik in der Rekrutierung aus dem Ausland“. Das zweite Thema sei Umschulung. Viele sehr gut ausgebildete Ingenieure würden in den kommenden Jahren ihren Job verlieren, etwa in der Autoindustrie und im Energiesektor. „Deutschland braucht einen Plan, wie wir diese Ressourcen auf neue Technologien umshiften“, fordert Heise. „Bisher sind die Antworten der Unternehmen noch nicht gut genug.“