Die Engel fallen vom Himmel

S&P erwartet mehr Kreditausfälle in Europa - Zahl der "Fallen Angels" wächst - In Deutschland herrscht Ruhe vor dem Sturm

Die Engel fallen vom Himmel

Bisher gibt es keinen einzigen Kreditausfall der gerateten deutschen Unternehmen in diesem Jahr. Doch bald dürfte die Ruhe vor dem Sturm enden. Zu den größten “Fallen Angels” in Europa, die ihr Rating im InvestmentGrade-Bereich verloren haben, zählen laut S&P Schaeffler, ZF Friedrichshafen und Lufthansa.cru Frankfurt – Die Gläubiger europäischer Unternehmen dürften bald unruhiger schlafen als bisher. Die Zahl der Kreditausfälle hat sich bei den von der Ratingagentur S&P in Europa begutachteten Unternehmen 2020 bis dato schon von 13 auf 42 erhöht. Weltweit waren es 223 – doppelt so viel wie im Vorjahr und zugleich so viele wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr. “Für 2021 erwarten wir europaweit einen Anstieg der Kreditausfälle von 5 % auf 8 % bis September”, sagte S&P-Deutschlandchef Tobias Mock der Börsen-Zeitung.Am stärksten gefährdet sind gemessen am Rating die Unternehmen mit einem “B-“-Rating oder schlechter und negativem Ausblick. Davon gibt es 93 in Europa, die meisten davon in den besonders stark von der Coronakrise betroffenen Branchen für Freizeit und Transport. Im scharfen Kontrast dazu steht die Lage in Deutschland. Hierzulande gab es 2020 noch keinen einzigen Kreditausfall unter den 115 gerateten Unternehmen. “Das liegt nicht an der üppigen Staatshilfe”, erklärt Mock. “In Deutschland ist das Konjunkturprogramm samt Unternehmenshilfen zwar größer als in anderen Ländern. Aber es ist weniger Geld tatsächlich ausgezahlt worden.” Staatshilfe nur begrenztNur sechs von 115 gerateten Unternehmen in Deutschland haben Staatshilfe erhalten. “Die Verschuldung deutscher Unternehmen ist dabei nur um 2,5 % angestiegen”, rechnet Mock vor. “Sie sind weniger von Kreditausfällen gefährdet, weil sie mit stärkeren Bilanzen in die Krise gegangen sind. Außerdem enthält der Branchenmix in Deutschland einen geringeren Anteil von Wirtschaftszweigen, die besonders stark von der Coronakrise betroffen sind, wie Freizeit und Transport samt Airlines.” Zwar sei auch in Deutschland wie in ganz Europa im Jahr 2020 öfter das Rating heruntergestuft worden als jemals zuvor – aber der Ausblick falle bei den deutschen Unternehmen besser aus, weil sie sich schneller erholen. Als Beispiel kann die Autoindustrie dienen: Neben dem Absatzaufschwung in China haben hier Kostensenkungen zur Verbesserung der Schuldensituation beigetragen.Insgesamt stehen 1,1 Bill. Euro an Schulden bei 115 deutschen Unternehmen aus, die von S&P geratet werden. Von dieser riesigen Summe ist allerdings nur ein kleiner Bruchteil gefährdet. Denn der Großteil der Schulden liegt bei großen Unternehmen mit einem soliden Investment-Grade-Rating. Zu den Top-10-Schuldnern weltweit zählen etwa VW, Daimler und BMW, die aber alle drei auch ein Investment-Grade-Rating haben. Ihre Schuldensituation hat sich formal auch durch den Absatzrückgang verbessert, weil ihre hauseigenen Finanzierungssparten weniger Autokäufe für die Kunden vorfinanzieren. Es gibt aber auch drei negative Ausreißer: Zu den größten “Fallen Angels” in Europa, die ihr Rating im Investment-Grade-Bereich verloren haben, zählen Schaeffler, ZF Friedrichshafen und Lufthansa.Staatliche Kreditprogramme, ein funktionierender Kapitalmarkt für Investment-Grade- und Hochzinsanleihen sowie eine lockere Notenbankpolitik haben bisher dafür gesorgt, dass Firmen ihre Liquidität sichern konnten. Mehr als 130 Mrd. Euro Liquidität horten allein die 30 Dax-Konzerne. Hinzu kommt, dass von März bis Ende September die Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen ausgesetzt war und für überschuldete Unternehmen auch noch bis Anfang 2021 ausgesetzt wird. Das staatliche Kurzarbeitergeld tut ein Übriges.Doch bald dürfte die Ruhe vor dem Sturm enden. Als Kreditausfall wertet S& P, wenn Unternehmen entweder ihren Gläubigern einen Kapitalschnitt aufdrängen (“Distressed Exchange Offer”) oder Zins und Tilgung nicht wie vereinbart zahlen – oder wenn die Firmen Insolvenz anmelden. “In letzter Zeit haben wir schon deutlich mehr Distressed Exchange Offers in Europa beobachtet”, warnt Mock. Verzögerten sich die Impfungen oder gäbe es einen weiteren harten Lockdown, dürften die Kreditausfälle noch stärker zunehmen als bisher erwartet.