Goodwill verliert an Resilienz

Konzerne schreiben zunehmend immaterielles Vermögen ab - Bilanzierungsänderung in der Diskussion

Goodwill verliert an Resilienz

Der obligatorische Test auf Werthaltigkeit von Firmenwerten und Goodwill bringt in Zeiten der Coronakrise vermehrt Abschreibungsbedarf ans Licht. Nach einer Studie von Duff & Phelps werden die Bilanzbereinigungen weiter zunehmen. Es trifft vor allem Firmen mit starren Geschäftsmodellen.swa Frankfurt – Die Einschläge nehmen zu. Im Zuge der Coronakrise müssen immer mehr Unternehmen immaterielles Vermögen in ihren Bilanzen wertberichtigen. Nach reger M&A-Aktivität in den vergangenen Jahren haben viele Konzerne hohe Goodwillbeträge aktiviert – mancherorts haben sie sich auf einen signifikanten Anteil am Eigenkapital aufgetürmt. Jüngste Beispiele für Wertberichtigungen sind Bayer oder Continental. Der Pharma- und Agrarchemiekonzern gab im dritten Quartal Impairments von 9,3 Mrd. Euro auf verschiedene Vermögenswerte und den Goodwill des Agrargeschäfts bekannt. Der Automobilzulieferer hatte schon 2019 den Goodwill um 2,3 Mrd. Euro reduziert und hat nun 2020 noch mal 650 Mill. Euro aus dem Bilanzansatz herausgenommen. Heidelberg Cement hat ihre aktivierten Geschäfts- und Firmenwerte im laufenden Jahr um gut ein Fünftel um 2,7 Mrd. Euro berichtigt.Das auf Unternehmensbewertungen und Corporate Finance spezialisierte US-Beratungshaus Duff & Phelps erwartet, dass europäische Konzerne 2020 mehr Luft aus den Bilanzen lassen werden als im vergangenen Turnus. Schon Anfang Oktober hätten sich die Top 10 der Firmenwertabschreibungen der im Stoxx Europe 600 geführten Firmen auf fast 25 Mrd. Euro summiert, was annähernd dem Niveau der Top 10 des Jahres 2019 entspreche.”Mit Blick auf die Zukunft zeigen die Daten bereits, dass die kumulierten Goodwill-Wertminderungen das Niveau von 2019 voraussichtlich übertreffen werden, da sowohl die Auswirkungen von Covid-19 als auch die anhaltende Unsicherheit bei den Brexit-Verhandlungen die Aussichten der Unternehmen weiterhin trüben”, erklärt Timo Willershausen, Managing Director bei Duff & Phelps. Damit würde die Summe der Wertminderungen der 600 größten europäischen Unternehmen das dritte Jahr in Folge zunehmen.Vor allem Unternehmen in Branchen, die durch die Pandemie einen beschleunigten Strukturwandel erlebten, würden weitere Einbußen verzeichnen, sofern sie ihre Geschäftsmodelle nicht an die neuen Gegebenheiten anpassen könnten. “Zwar wissen wir noch nicht, wie sich die Covid-19-Pandemie in ihrem vollen Umfang auswirken wird, allerdings haben sich die Aussichten für europäische Unternehmen seit Jahresbeginn bereits signifikant verschlechtert, und Analysten haben ihre Gewinnwachstumsprognosen für 2020 deutlich heruntergestuft”, ergänzt der Experte. Aderlass in der FinanzbrancheDie Studie von Duff & Phelps zeigt für 2019 einen Anstieg der Goodwillabschreibungen in dem untersuchten Kreis der 600 Firmen um 18 % auf 36,4 Mrd. Euro, womit der Höchststand seit 2015 erreicht worden sei. Die in dem Aktienindex enthaltenen deutschen Unternehmen meldeten 2019 kumuliert Wertminderungen von 5,7 Mrd. Euro, das war in Summe 27 % mehr als 2018, geht aus der Studie hervor. Die Finanz- und Immobilienbranche sowie zyklische Konsumgüter waren die Sektoren, die in Deutschland am stärksten ihren Goodwill zusammenstreichen mussten. Die Finanzbranche sei in ganz Europa besonders von der sich abschwächenden Weltwirtschaft und dem anhaltend niedrigen Zinsniveau betroffen. Auch die anhaltende Brexit-Unsicherheit belaste den Sektor.Die hohen Goodwillbeträge in Konzernbilanzen haben auch die Standardsetzer aktiv werden lassen. So hat der International Accounting Standards Board (IASB) im März ein Diskussionspapier über Unternehmenszusammenschlüsse veröffentlicht, wo auch Überlegungen zu Impairment-Tests sowie Geschäfts- und Firmenwerten erörtert werden. Die Kommentierungsfrist läuft bis Jahresende. Mehr InformationenDem Bilanzierungsgremium geht es vor allem darum, den Investoren mehr Informationen über den Erfolg von Unternehmenszusammenschlüssen zu verschaffen. Der IASB schlägt dabei keine Rückkehr zu einer planmäßigen Abschreibung von Goodwill vor. Gegen diese Haltung werden vermehrt kritische Stimmen laut. So spricht sich das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in seiner Stellungnahme zu den IASB-Vorschlägen ” klar für die Wiedereinführung einer planmäßigen Abschreibung von Geschäfts- oder Firmenwerten in Verbindung mit einer hinweisbasierten Prüfung auf außerplanmäßige Abschreibung aus”. Aus Sicht des IDW zeigt ein Blick auf die stetig wachsenden Goodwill-Positionen in den Bilanzen der Unternehmen – sogar in Zeiten der Finanzmarktkrise und der Coronavirus-Pandemie – die “mangelnde Praxistauglichkeit” der bisherigen Rechnungslegung mit Impairment-only. Das IDW unterstützt dagegen die Initiative des IASB, zu prüfen, ob die den Investoren zur Verfügung gestellten Informationen über Unternehmenszusammenschlüsse verbessert werden können.