Hedgefonds wetten gegen Corona-Verlierer

Viele Aktivitäten bei Short-Positionen - Deutsche Lufthansa, Tui, MTU und CTS Eventim im Visier - BaFin prüft Tui-Kursentwicklung

Hedgefonds wetten gegen Corona-Verlierer

Die Coronakrise lockt Hedgefonds an. Diese Marktspezies hat sich gegen Unternehmen positioniert, die zu den Verlierern der Pandemie gehören. In Deutschland sind nach Recherchen der Börsen-Zeitung die Deutsche Lufthansa sowie – mit Abstand – Tui, MTU Aero Engines und CTS Eventim betroffen.Von Stefan Kroneck, MünchenLufthansa, Tui, MTU Aero Engines und CTS repräsentieren jene Branchen, deren Geschäftsmodelle aufgrund der Lockdowns unter starken Druck geraten sind: Luftfahrt, Reiseveranstalter, Tourismus und Kulturereignisse. Deren Aktien haben sich aber vom Crash im März 2020 deutlich erholt. Die Kurserholung spiegelt die Hoffnung, dass die Wirtschaft 2021 die Rezession hinter sich lässt, wenn das Virus mit Hilfe von Kontaktbeschränkungen und Impfungen erfolgreich bekämpft wird.Hedgefonds wollen aufgrund der Schwäche der Unternehmen viel Geld verdienen. Sie wetten gegen die börsennotierten Gesellschaften, indem sie Leerverkaufspositionen halten in der Erwartung, dass die Aktienkurse wieder fallen. Im Fachjargon heißt das, sie gehen short.Bei der Deutschen Lufthansa verfügen nach Meldeangaben aus dem Bundesanzeiger elf Hedgefonds über Netto-Leerverkaufspositionen, die zusammen 7,3 % des ausgegebenen Aktienkapitals umfassen. Das entspricht einem Marktwert von 444 Mill. Euro. Die Quote ist augenfällig hoch, lag sie doch nach Informationen dieser Zeitung vor einem Jahr – also kurz vor Ausbruch der Seuche in Europa – bei 1 % bis 2 %. Zu den Spekulanten, die gegen die Lufthansa wetten, gehören Häuser aus den USA und Großbritannien. Darunter zählt mit Marshall Wace sogar eine Adresse, die sich im Vorjahr gegen Wirecard in Stellung gebracht hatte, bevor der Zahlungsabwickler aus Aschheim bei München im Frühsommer 2020 wegen eines aufgeflogenen Bilanzbetrugsskandals zusammenbrach (siehe Tabelle).Von Lufthansa ist zu hören, dass die Short-Investments im Frühsommer 2020 noch viel größer waren, nämlich bei über 16 %. Erst mit den staatlichen Liquiditätshilfen im Umfang von 9 Mrd. Euro und dem Einstieg des Bundes (20 %) hatte sich die Lage etwas beruhigt. Die Leerverkaufspositionen nahmen zwar schrittweise ab, haben aber immer noch Gewicht. Trotz der jüngsten Erholung der Lufthansa-Aktie sind Analysten skeptisch. Im Verhältnis zu der hohen Verschuldung des Unternehmens ist aus ihrer Sicht der Kurs zu rasch in die Höhe geschossen. Der Equity Value liege darunter. Am Montag notierten die Titel zeitweise bei 10,20 Euro (- 2,5 %).Im Vergleich zum Wettbewerber Air France-KLM steht die Lufthansa allerdings besser da. Bei der Holdinggesellschaft mit Sitz in Paris haben sich noch mehr Hedgefonds mit deutlich höheren Leerverkaufspositionen in Stellung gebracht, wie zu hören ist. Offenbar bestehen im Markt Zweifel am Rettungsplan für die französisch-niederländische Airline. Anleger erwarten Nachbesserungen. Vielzahl an Mini-InvestmentsIn Deutschland sind im Bundesanzeiger nicht sämtliche Positionen erfasst. Wie die Finanzaufsicht BaFin der Börsen-Zeitung auf Nachfrage berichtete, muss der Bonner Behörde derzeit ein Investment dieser Art gemeldet werden, wenn die Quote 0,1 % des ausgegebenen Aktienkapitals des betreffenden Unternehmens erreicht. Erst ab 0,5 % “muss sie zudem im Bundesanzeiger veröffentlicht werden”. Deshalb ist davon auszugehen, dass eine Dunkelziffer von Mini-Investments existiert – die Engagements von Hedgefonds dürften noch umfangreicher sein.Short-Investments hatten im Fall von Wirecard für Wirbel gesorgt, als die BaFin im Frühjahr 2019 nach mehreren Attacken gegen das einstige Dax-Unternehmen solche Positionen gegen Wirecard kurzzeitig untersagt hatte. Die Behörde begründete dies seinerzeit damit, dass die Stabilität des Marktes gefährdet sei. Mit Blick auf den später aufgeflogenen Betrug erwies sich dieser (schon damals umstrittene) Schritt ex post als falsch.Unterdessen tummeln sich beim Reisekonzern Tui ebenfalls Hedgefonds, die gegen das Sanierungskonzept der Unternehmensleitung wetten. Zu den Adressen, die Short-Positionen eingegangen sind, gehören BlackRock Investment Management (0,9 %), World Quant (0,82 %), Melqart Asset Management (0,5 %), Renaissance Technologies (0,49 %) und Park West Asset (0,11 %). Bei Tui heißt es, dass sich die Engagements von Hedgefonds inzwischen reduziert hätten. 2020 seien es mehr gewesen. Zuletzt seien die Aktivitäten im Markt sehr umfangreich gewesen aufgrund des Bezugsrechtshandels im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung. Derweil will die BaFin auffällige, erklärungsbedürftige Kursentwicklungen der Aktie vor der Entscheidung über ein weiteres staatliches Stützungspaket von Anfang Dezember prüfen. Der Haushaltsexperte der Grünen-Fraktion im niedersächsischen Landtag schaltete die Aufsicht ein. Der Bund dürfte im Zuge dessen Großaktionär von Tui werden. Am Montag verlor der Titel 7 % auf 3,88 Euro (Xetra-Schluss). Der Marktwert der Short-Positionen gegen Tui beträgt 65 Mill. Euro.Bei MTU Aero Engines sind AQR Capital Management (0,49 %), Citadel Advisors (0,48 %), Pictet Asset Management aus Genf, Marshall Wace (jeweils 0,46 %) und Citadel Europe (0,26 %) dran. Deren Quote umfasst zusammen 2,15 %, die derzeit am Markt 242 Mill. Euro auf die Waage bringt. Im Gegensatz zu Lufthansa und Tui befindet sich das Dax-Mitglied nicht in einem Restrukturierungsprozess. Der Triebwerkproduzent spürt zwar die Malaise der Airlines und der Flugzeughersteller Airbus und Boeing, schreibt aber nach wie vor schwarze Zahlen. MTU konnte nach eigenen Angaben “diese Krise dank eines widerstandsfähigen Geschäftsmodells erfolgreich meistern”. Die Aktie spiegele das wider, so MTU.Bei CTS Eventim sind AQR (0,89 %) und Marshall Wace (0,58 %) mit von der Partie. Deren Engagement ergibt einen Marktwert von 75 Mill. Euro. Beide Adressen waren beim MDax-Mitglied erstmals 2019 aufgetaucht – also lange vor Beginn der Coronakrise. Dem Duo steht bei CTS aber ein Block von strategischen und langfristig orientierten institutionellen Aktionären gegenüber, die zusammen 58,6 % des Grundkapitals kontrollieren – darunter die KPS Stiftung von Dauer-Vorstandschef Klaus-Peter Schulenberg mit 38,8 %. Das erschwert die Position von Spekulanten. So wundert es nicht, dass AQR und Marshall Wace ihre Quoten reduzierten.