GastbeitragWährungsrisiken

Hedging-Strategien auf dem Prüfstand

Im Licht anhaltend starker Marktvolatilität unterziehen immer mehr Unternehmen ihre Hedgingstrategien einer Überprüfung

Hedging-Strategien auf dem Prüfstand

Gastbeitrag

Hedging-Strategien auf dem Prüfstand

Von Johannes Banner

Die Bewältigung von Marktrisiken hat in den vergangenen Monaten eine neue Bedeutung gewonnen. Das geopolitische Umfeld und anhaltende Unsicherheit, einhergehend mit hoher Marktvolatilität, schafft ein ganz neues Komplexitätsniveau und stellt die Risikomanager der Unternehmen vor massive Herausforderungen. Absicherungsmaßnahmen, die in der Vergangenheit getragen haben, greifen spätestens seit der Covid-Pandemie nicht mehr. Immer mehr Unternehmen haben daher ihre Hedging-Strategien auf den Prüfstand gestellt.

Erhebliche Preiseffekte

In der Vergangenheit standen dabei vor allem Währungsrisiken im Mittelpunkt. So kann das volatile Marktumfeld beispielsweise bei M&A-Transaktionen zu erheblichen Verteuerungen führen. Aufgrund wachsender regulatorischer Anforderungen – von der zahlreiche Jurisdiktionen umfassenden Fusionskontrolle bis hin zur extensiveren Investitionsprüfung – sind die durchschnittlichen Zeiträume zwischen Signing und Closing einer Transaktion erheblich gestreckt worden.

Mit Kaufpreisfälligkeit nach Deal-Freigabe gehen mit nicht abgesicherten Positionen in dynamischen Währungsmärkten teilweise erhebliche Kaufpreiseffekte einher, die sich mitunter zum „Dealbreaker“ entwickeln können. Somit stellt sich die Frage für CFO und Treasurer, wie bereits bei Unterzeichnung des Kaufvertrags die Währung gesichert werden sollte, um dann zum Zeitpunkt der Zahlung „bei Closing“ der M&A-Transaktion auch Transaktionssicherheit zu haben.

Risiken an Bank abgegeben

Für die Sicherung der Fremdwährungsrisiken aus der Kaufpreisverpflichtung der Akquisition des US-Wettbewerbers Cypress Semiconductor hat der deutsche Halbleiterhersteller Infineon beispielsweise, ausweislich seines Geschäftsberichts für 2019, transaktionsabhängige (Deal Contingent) Absicherungsinstrumente mit Nominalvolumina von 6,6 Mrd. Euro abgeschlossen. Auf Grundlage der FX-Marktbewegungen zwischen Bekanntgabe des Deals bis zur Fälligkeit des Kaufpreises bei Abschluss hätte das Unternehmen ohne Absicherung bis zu 411 Mill. US-Dollar mehr bezahlen müssen.

Siemens Healthineers hat die Akquisition von Varian Medical Systems, wie im Geschäftsbericht 2021 ersichtlich, mit einem transaktionsbedingten Devisentermingeschäft über 7,5 Mrd. Euro abgesichert. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags war der Euro-US-Dollar-Wechselkursmarkt sehr volatil, so dass eine Marktbewegung von nur einer Standardabweichung zu Mehrkosten von bis zu 820 Mill. Dollar geführt hätte. Siemens Healthineers hat durch den Abschluss des Deal Contingent Forward nicht nur dieses hohe Marktrisiko an die absichernde Bank abgegeben, sondern damit auch die wesentlichen M&A-Risken abgesichert.

Eine frühzeitige Einbeziehung von Markets-Teams und Hedging-Instrumenten wie FX-Optionen und Deal Contingent Forwards ist daher bei jeder größeren Cross-Border-Transaktion mit Fremdwährungskomponenten schon in der Phase der Strukturierung hilfreich und auch üblich. Bei der Wahl der M&A-beratenden Bank ist die Risikokapazität des Hedging-Buchs somit auch ein wesentlicher Entscheidungsfaktor.

Keine Energiewende ohne Hedging

Eine ähnliche Risikoexposition wie bei großvolumigen M&A-Transaktionen birgt eines der Schlüsselthemen unserer Zeit, die Energiewende. Globale Projekte in diesem Bereich erfordern in der Regel einen extrem großen Kapitaleinsatz und dauern sehr lange. Zwischen einer Projektentscheidung und der Realisierung kann mehr als ein Jahrzehnt liegen, zumeist sind es mehrere Jahre auch zwischen Projektentscheidung und der Finanzierung.

Neben der Komplexität spielen hier vielschichtige Risikodimensionen eine Rolle – von Wechselkursen, verbunden mit dem globalen Sourcing für Baumaterialien, Rohstoffen und Maschinen wie Turbinen, über das Zinsniveau und Inflation bis hin zu spezifischen Fragen der Lieferkette. Ohne zugeschnittene Absicherungsinstrumente wird sich der Appetit auf diese wichtigen Investitionen in Grenzen halten, da bei einem Auseinanderlaufen der Planungsrentabilität und der tatsächlichen Rentabilität ggf. das Zielniveau nicht gehalten werden kann.

Regeln anpassen

Dabei erfordert die Transition unserer Energieerzeugung globale Investitionen in einem deutlich dreistelligen Billionen-Dollar-Umfang. Insbesondere Projekte in Regionen des globalen Südens mit weniger entwickelten Finanzmärkten, die aber dennoch eine große Rolle für die Energieversorgung der Zukunft spielen werden, brauchen Unterstützung auf der Risikomanagementseite.

Neben der Absicherung von Währungsrisiken ist spätestens seit dem begonnenen Kampf der Notenbanken gegen die grassierende Inflation, verbunden mit spürbaren Zinsschritten, das Zinsrisiko zurück auf der Risikomanagement-Bühne. Mit höheren Kupons und Kumulationseffekten, die es im Ergebnis erheblich teurer machen können als Devisenrisiken, sollte es inzwischen sogar Priorität genießen. Da die internen Hedging-Richtlinien auf Unternehmensseite oft noch Zeiten geringer Volatilität und des Niedrigzinsniveaus entstammen, ist es daher an der Zeit, die bestehenden Regeln für das Risikomanagement der neuen Normalität und Marktlage anzupassen.

Set-up prüfen

Auch Effizienzaspekte treten bei den Hedging-Strategien der Unternehmen zunehmend in den Mittelpunkt. So sichern zahlreiche Unternehmen Währungsrisiken oft noch regional zu vergleichsweise hohen Preisen ab. Mit der Öffnung vieler Märkte, wie beispielsweise in den vergangenen Jahren im asiatischen Raum zu beobachten war, ist dies jedoch nicht mehr notwendig. Mit einer Anpassung des Set-ups und Verlagerung des Hedgings zur Unternehmenszentrale nach Europa lassen sich hier mitunter große Potenziale in Bezug auf Effizienz, Transparenz und Kontrolle der Cashflows heben.

Johannes Banner ist europäischer Leiter des Unternehmens- und Privatkundenvertriebs für Rates & FX sowie DACH-Country Head of Sales and Marketing bei J.P. Morgan.

Johannes Banner

verantwortet bei J.P. Morgan den Vertrieb für Rates & FX für Unternehmenskunden in Europa