Zementfirmen

Holcim düpiert Ex-Lafarge-Manager

Die von Anfang an schwierige franko-helvetische Zementfirmen-Heirat zwischen Holcim und Lafarge könnte vor dem Richter enden. Holcim wechselt gerade die Strategie im Syrien-Prozess. Der Konzern macht frühere La­farge-Manager persönlich für Bestechungszahlungen verantwortlich und will klagen.

Holcim düpiert Ex-Lafarge-Manager

dz Zürich

Wegen Bestechungszahlungen, die Lafarge während des Bürgerkrieges in Syrien in den Jahren 2012 bis 2014 geleistet hatte, steht die vom seinerzeitigen Holcim-Präsidenten Wolgang Reitzle und seinem französischen Gegenüber von Lafarge, Bruno Lafont, 2015 fusionierte Firma LafargeHolcim seit Jahren unter großem Druck. Im September bestätigte das höchste französische Gericht, der Kassationshof, dass sich Lafarge durch die wissentlich geleisteten Geldzahlungen an den Islamischen Staat und andere Bürgerkriegsparteien der Komplizenschaft in einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben könnte. Das Gericht korrigierte damit ein Urteil des Appellationsgerichtes aus dem Jahr 2019. Dieses hatte zwar die Rechtmäßigkeit einer Klage gegen neun frühere Lafarge-Manager, nicht aber gegen die Firma Lafarge selbst anerkannt. Die Geldzahlungen, die gemäß den bisherigen Erkenntnissen rund 13 Mill. Euro betrugen, hatten den Zweck, die rund 150 Kilometer östlich der syrischen Stadt Aleppo gelegene Lafarge-Fabrik am Laufen zu halten. Zwar hatten sich Lafarge und Holcim erst am 8. Mai 2015 per Aktionärsbeschluss zusammengetan. Doch die Verantwortung für die weiter zurückliegenden Ereignisse hat Lafarge quasi als Mitgift eingebracht.

Diese versucht sich nun offenbar mit einer Art Vorwärtsstrategie zu verteidigen, und zwar indem sie für den in Paris anstehenden Gerichtsprozess die Schuld ganz auf die vormaligen Lafarge-Manager unter Führung des einstigen Président Directeur Général (PDG) Bruno Lafont abwälzt, um die Firma soweit möglich schadlos zu halten.

Das ist der Schluss, zu dem die Lektüre einer jetzt von Holcim versandten Pressemitteilung führt. Am Montag waren Präsident Beat Hess und dessen Konzernjurist Matthias Gaertner zu einer Befragung durch die Justizbehörden in Paris. „Wir hatten zum zweiten Mal seit 2018 eine Chance, von den französischen Er­mittlern zu hören, wo das Verfahren steht“, sagte ein Holcim-Sprecher auf Anfrage. Und offenbar hat Holcim bei dem Treffen einige wichtige neue Erkenntnisse gewonnen.

Jedenfalls zeigte sich Hess im Namen des Verwaltungsrates „schockiert und entsetzt“ über die Vorwürfe gegen Lafarge und sagte explizit, die Vorgänge um Lafarge seien dem Verwaltungsrat von Holcim „zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses verschwiegen worden“. In der englischsprachigen Medienmitteilung, die als Übersetzungsvorlage für den deutschen Text gedient hat, ist von „concealed“ die Rede, was ein nicht nur passives Verschweigen, sondern ein aktives Verstecken impliziert, wie der Holcim-Sprecher einräumte.

Diese vielleicht spitzfindig an­mutende Differenz könnte in einem allfälligen Prozess von Holcim gegen Lafont & Co. eine entscheidende Bedeutung erlangen. Denn die vormaligen Lafarge-Verantwortlichen würden sich wohl nicht zuletzt mit dem Argument gegen eine Holcim-Klage verteidigen, dass die Holcim-Führung das Problem in Syrien selbst nicht erkannt hatte und im Rahmen der Fusionsvorbereitung keine oder mindestens nicht die richtigen Fragen zum Geschäft in dem bürgerkriegsgeplagten Land gestellt hätte.

„Für Holcim geht es in dem Prozess auch darum, den guten Ruf der Firma zu bewahren“, sagt der Firmensprecher. Doch es geht um mehr. Sollte Holcim als Firma schuldig gesprochen werden, wären Sanktionen von Regierungen nicht ausgeschlossen.