Abspaltung und US-Listing

Holcim spielt die Amerika-Karte

Zehn Jahre nach der Fusion zwischen Holcim und Lafarge will der Baustoffkonzern kein Global Player mehr sein. Das US-Geschäft soll unter Führung von Konzernchef Jan Jenisch vollständig abgespalten und unter neuem Namen mit Sitz in den USA weitermachen.

Holcim spielt die Amerika-Karte

Holcim gibt Position des Global Player auf

Der Baustoffkonzern will sein Nordamerikageschäft abspalten und in New York an die Börse bringen

dz Zürich

Zehn Jahre nach der franko-helvetischen Zementfusion zwischen Holcim und Lafarge gibt der Konzern die damalige Zielsetzung auf einen globalen "Champion" in einem wichtigen Wirtschaftszweig zu formen. Stattdessen beabsichtig Holcim nun, das Nordamerika-Geschäft vollständig abzuspalten und im ersten Halbjahr 2025 unter neuem Namen in New York an die Börse zu bringen.

Holcim-Chef Jan Jenisch beschrieb die überraschende Ankündigung als den "natürlichen nächsten Schritt" nach einer fulminanten Transformations- und Wachstumsphase der vergangenen Jahre.

Enorme Wachstumfantasie

Im US-Markt sieht Holcim große Wachstumschancen. Offensichtlich glaubt das Management, dass diese mit einer separierten amerikanischen Gesellschaft besser zu packen sind als dies in der aktuellen Konzernstruktur möglich wäre. Der Konzern sei groß genug, um sich zu teilen, sagte Jenisch. Die USA locken mit gewaltigen Investitionsplänen zur Erneuerung der Infrastruktur und mit der Wiederansiedlung von Industrieunternehmen.

Nach den Plänen von Holcim wird das Nordamerika-Geschäft den Umsatz von 11 Mrd. Dollar im laufenden Jahr bis 2030 auf 20 Mrd. Dollar verdoppeln können. Aktuell erreicht Nordamerika rund ein Drittel des Gesamtumsatzes von Holcim. Je ein Drittel stammt aus Verkäufen von Zement, Zuschlagstoffen und Beton sowie Bedachungslösungen.

Auf den Spuren der CRH

Die Wachstumsperspektiven in den USA haben es nicht nur Holcim angetan. Schon vor Jahresfrist hatte sich auch der irische Zement- und Baustoffkonzern CRH aufgemacht ein "wahrhaft amerikanisches" Unternehmen zu werden, wie Konzernchef Albert Manifold seinen Aktionären im Sommer erklärte, als diese über den Wechsel des Börsenplatzes für den Handel der CRH-Aktien von der London Stock Exchange an die New York Stock Exchange zu befinden hatten.

Seit September werden die CRH-Aktien nur noch in den USA gehandelt. Der Wechsel hat sich für die Aktionäre scheinbar ausbezahlt. Seit dessen Ankündigung im März 2023 haben sich die CRH-Papiere um nahezu 50% auf rund 70 Dollar verteuert. Die Holcim-Valoren legten in der gleichen Zeit nur rund 14% auf rund 67 sfr zu. Auch wenn man die Holcim-Performance um den schwachen Dollarkurses bereinigt, bleiben sie weit zurück.

Gut möglich, dass sich Holcim auch von solchen Betrachtungen zu dem Schritt verleiten ließ. Sicher ist, dass sich die Schweizer noch mächtig anstrengen müssen, um ihre Ziele in Nordamerika zu erreichen. Im Vergleich mit CRH, der die USA zum Lebensmittelpunkt für den gesamten Konzern gewählt hat, wählt Holcim einen Weg dazwischen. Die aktuelle Konzernzentrale in Zug soll die Schaltstelle für das gesamte bisherige Geschäft außerhalb von Nordamerika bleiben und der geteilten Holcim die Fortführung ihrer bisherigen Existenz auch als börsennotiertes Unternehmen an der Six Swiss Exchange ermöglichen. Zu einem Abbau von Stellen werde es deshalb nicht kommen, versprach Jenisch in der Telefonkonferenz.

Holcim ohne Nordamerika hat 2023 einen Umsatz von 17 Mrd. sfr eingespielt, und Jenisch verspricht bis 2030 ein Wachstum auf 22 Mrd. sfr. Die Differenz zu den Projektionen des viel dynamischeren US-Geschäftes ist eklatant. Der alten Holcim mit ihren Geschäften in Europa (56%), Asien (25%) und Lateinamerika (19%) fällt offensichtlich so etwas wie die "Milchkuhfunktion" zu. Im Einklang mit den Zielen der seinerzeitigen Architekten der Lafarge-Holcim-Fusion soll sie ihren Aktionären vor allem hohe Dividendenausschüttungen garantieren dazu die starke Marktposition mit möglichst geringen Umfang an Neuinvestitionen verteidigen. In der Person des bisherigen Europa-Chefs Miljan Gutovic ist der neue Chef für die alte Holcim auch schon bestimmt.

Die neue Strategie von Jan Jenisch und seinem Verwaltungsrat lässt sich vielleicht am besten unter dem Titel "Maximierung des Aktionärsnutzen" subsummieren. Ein Finanzanalyst meinte vermutlich nicht ganz frei von Ironie, die Strategie könnte gut auch aus der Feder von Holcims größtem Aktionär Thomas Schmidheiny (7,8%) stammen. Dieser hat seine Anteile von 20% nach der Fusion schrittweise veräußert, um sein Erbe zu regeln. Nun wird der inzwischen 78-Jährige mit dem Verkauf seiner künftigen Anteile am US-Geschäft nochmals eine sehr beträchtliche Summe lösen können.

Bereits am Montag durften sich Schmidheiny und seine Mitaktionäre über positive und vielversprechende Börsenreaktion freuen. Die Holcim-Titel stiegen um mehr als 4%.

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