IPO-Pläne

Permira lenkt Neuraxpharm auf Börsenkurs

Unter der Führung des britischen Finanzinvestors Permira soll der deutsche Spezialpharmahersteller Neuraxpharm in den kommenden Jahren zur Börsenreife heranwachsen – unter anderem mit medizinischen Cannabis-Produkten. „In drei oder vier Jahren wird...

Permira lenkt Neuraxpharm auf Börsenkurs

Unter der Führung des britischen Finanzinvestors Permira soll der deutsche Spezialpharmahersteller Neuraxpharm in den kommenden Jahren zur Börsenreife heranwachsen – unter anderem mit medizinischen Cannabis-Produkten. „In drei oder vier Jahren wird ein IPO für uns zum Thema werden“, sagte Jörg-Thomas Dierks, Vorstandschef des Unternehmens mit Doppelsitz in Düsseldorf und Barcelona, der Börsen-Zeitung. Bis dahin würden kleinere Akquisitionen aus dem eigenen Cash-flow finanziert, wenn sie einen strategischen Zweck erfüllen, wie etwa die Expansion in neue Märkte oder Geschäftsfelder. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat Neuraxpharm sieben solcher Übernahmen gestemmt. Bei größeren Zukäufen könnte Permira finanziell unterstützen. Der Private-Equity-Investor, der auch am deutschen Vernetzungssoftwarehersteller Teamviewer beteiligt ist, hatte Neuraxpharm 2020 für knapp 1,7 Mrd. Euro vom britischen Wettbewerber Apax erworben.

Neuraxpharm ist spezialisiert auf Medikamente, mit denen Ärzte wie Neurologen und Psychiater Erkrankungen des zentralen Nervensystems behandeln, darunter Epilepsie, Parkinson, Angstzustände, Schizophrenie, Schlafstörungen oder Depressionen. Der Umsatz ist im vergangenen Jahr der Pandemie gebremst gewachsen – um rund 5% auf etwa 500 Mill. Euro (davon gut ein Drittel in Deutschland), nachdem das jährliche Wachstum zuvor in den Jahren ohne Pandemie zweistellige Steigerungen erreicht hatte. In den vergangenen vier Jahren hat sich der Umsatz verdoppelt, aber im Coronajahr gab es weniger Arztbesuche, Medikationen wurden seltener geändert. „In diesem Jahr wollen wir trotz der anhaltenden Pandemie um rund 8% wachsen“, kündigt Dierks an. Die operative Gewinnmarge (Ebitda) liegt bei 30%.

Dierks, der aus Bad Kreuznach stammt und Medizin und BWL studiert hat, bringt 30 Jahre Erfahrung in der Pharmaindustrie mit – und zugleich umfangreiche Erfahrung mit dem Kapitalmarkt und Finanzinvestoren. Nach dem Verkauf der Pharmasparte von Degussa an den US-Finanzinvestor Advent blieb er an Bord und strukturierte das Unternehmen um. Bevor Dierks 2018 als Vorstandschef an die Spitze von Neuraxpharm wechselte, war er Chief Operating Officer, wissenschaftlicher Direktor und dann CEO des börsennotierten schwedischen Pharmakonzerns Meda (2 Mrd. Euro Umsatz), der 2016 vom niederländischen Konkurrenten Mylan übernommen wurde. Als er danach Meda verließ und von Stockholm nach London umzog, wurde Dierks dort vom damaligen Neuraxpharm-Eigentümer Apax für den Spitzenposten angeworben. Neuraxpharm entstand damals aus der strategischen Zusammenlegung von sechs spezialisierten Pharmaunternehmen: Neuraxpharm (Deutschland und Polen), Qualigen (Spanien), FB Health (Italien), Laboratoire Biodim (Frankreich) sowie Laboratorios Lesvi und Inke (Spanien) – daher auch der zweite Unternehmenssitz in Barcelona.

„Wir wissen sehr viel über die Patienten und ihre Erkrankungen, weil wir hoch spezialisiert sind. Deshalb gibt es auch kaum einen direkt vergleichbaren Wettbewerber“, sagt Dierks. Einzige Ausnahme ist das Hamburger Pharmaunternehmen Desitin, das ebenfalls auf die Behandlung neurologischer Erkrankungen spezialisiert ist. Auch Stada und Ratiopharm stellen solche Medikamente her, sind aber weniger stark auf die Bedürfnisse einzelner Gruppen von Ärzten und Patienten fokussiert.

Rund 50% vom Umsatz macht Neuraxpharm mit Nachahmermedikamenten. Weitere 35% entfallen auf sogenannte Value Added Medicines – das sind Medikamente, deren Wirkstoffdosierung oder Darreichungsform speziellen Bedürfnissen von Ärzten und Patienten angepasst werden. „So kann vielleicht eine normalerweise dreimal am Tag eingenommene Tablette durch einen Retardierungsmechanismus nur einmal am Tag genommen werden. Oder anstatt beispielsweise einer Tablette gibt es ein Pflaster“, nennt Dierks zwei Beispiele. Mittelfristig soll dieses Geschäftsfeld, das inzwischen 40 eigene Entwicklungen umfasst, rund 50% vom Umsatz ausmachen. Die übrigen 10% der Erlöse, die nicht auf Generika und Value Added Medicines entfallen, macht das Unternehmen mit rezeptfreien Produkten wie etwa Mitteln gegen Verstimmungen und Schlafstörungen oder Nahrungsergänzungsmitteln. Von den rund 900 Beschäftigten arbeiten jeweils rund 40% im Vertrieb und in der Produktion. Je 10% verantworten die Forschung und die Verwaltung.

Der Einfluss der Coronakrise auf den Gesundheitszustand der Menschen wird sich mittelfristig auch im Geschäft von Neuraxpharm niederschlagen – und zwar eher positiv: „Wir sind besonders in Deutschland sehr stark aufgestellt in Medikamenten gegen Depressionen. Nach der Akutphase der Pandemie werden depressive Verstimmungsstörungen in den Vordergrund rücken. Dies wird die Entwicklung, dass medikamentöse Behandlungen von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen in der Pharmabranche immer stärker an Bedeutung gewinnen, weiter vorantreiben – und das ist ja unser Schwerpunkt-Thema“, erwartet Dierks.

Ein weiteres Wachstumsfeld sollen verschreibungspflichtige Medikamente aus Cannabis werden. „Solche Arzneien kommen zum Beispiel in der Onkologie für die Schmerzbehandlung von Krebspatienten zum Einsatz“, sagt Dierks. „Unsere Produkte sind dort eine Art Bausätze – sogenannte Kits –, mit denen Apotheker die jeweils vom Arzt gewünschte Wirkstoffmischung herstellen können.“

Aufgrund der zunehmenden Legalisierung solcher „Medical Cannabis“-Produkte, die in Deutschland längst zugelassen sind, könnte das Geschäft damit bald schnell wachsen und bei Neurapharm bis Ende 2022 auf einen Umsatzanteil von 5 bis 10% kommen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.