IM BLICKFELD

Shoppingcenter in der Krise

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 2.12.2020 Die Aussicht auf verfügbare Impfstoffe gegen das neuartige Coronavirus in absehbarer Zeit hat zyklischen Titeln und Coronaverlierern zuletzt an der Börse Auftrieb gegeben. Das gilt etwa für...

Shoppingcenter in der Krise

Von Carsten Steevens, HamburgDie Aussicht auf verfügbare Impfstoffe gegen das neuartige Coronavirus in absehbarer Zeit hat zyklischen Titeln und Coronaverlierern zuletzt an der Börse Auftrieb gegeben. Das gilt etwa für Shoppingcenter-Betreiber wie Unibail-Rodamco-Westfield (URW) und Deutsche Euroshop, deren Aktien sich seit den Jahrestiefständen Ende September zumindest leicht erholt haben. Seit dem Beginn der zweiten Pandemiewelle hat sich der Kurs des an den Euronext-Börsen Amsterdam und Paris gelisteten französischen Immobilien- und Investmentunternehmens auf rund 63 Euro verdoppelt, während die in Hamburg ansässige SDax-Gesellschaft um über 90 % auf gestern 18 Euro anzog. Gleichwohl sind die Verluste beider Gesellschaften im bisherigen Jahresverlauf mit über 50 % bzw. einem Drittel nach wie vor beträchtlich. Corona-BebenDabei zeigt sich über die gravierenden Auswirkungen der Lockdown-Verfügungen in einzelnen Märkten auf die operative Entwicklung der Unternehmen hinaus ein differenziertes Bild. Noch wesentlich stärker als die Deutsche Euroshop – Deutschlands einzige Aktiengesellschaft, die ausschließlich in aktuell 21 Einkaufszentren investiert ist, die sich in Deutschland, Österreich, Polen und Ungarn befinden – spürt die an der Börse derzeit mit gut 8,2 Mrd. Euro bewertete URW in Anbetracht ihrer Schuldenlast das Beben, das die Coronakrise ausgelöst hat. Die Aktie des in zwölf Ländern auf zwei Kontinenten aktiven Konzerns, der 89 eigene Shoppingcenter betreibt, davon neun in Deutschland, profitiert nicht nur von Nachrichten vermutlich bald erhältlicher Covid-19-Gegenmittel.Die URW-Aktie reagierte auch positiv auf den gescheiterten Versuch einer Kapitalerhöhung von 3,5 Mrd. Euro. Zwei aktivistische Minderheitsaktionäre – der Gründer des Mobilfunkdienstleisters Iliad, Xavier Niel, und der frühere Unibail-Chef Léon Bressler – hatten wegen des verwässernden Effekts gegen die Kapitalmaßnahme Front gemacht, die das bisherige Management zur Stärkung des Finanzprofils durchsetzen wollte. Die Kapitalerhöhung fand auf der Hauptversammlung am 10. November nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit.Nachdem Standard & Poor’s das Investment-Grade-Rating von URW im Anschluss an das Aktionärstreffen von “A-” auf “BBB+” mit negativem Ausblick herabgesetzt hatte, folgte die Ankündigung, dass CEO Christophe Cuvillier Anfang 2021 durch Jean-Marie Tritant, ehemals Vorsitzender des URW-Management- Board, abgelöst werde. Ein sogenannter “Reset”-Plan hatte neben der Kapitalerhöhung und Dividendeneinsparungen von 1 Mrd. Euro auch vorgesehen, zum Schuldenabbau kleinere Zentren und andere Beteiligungen im Wert von 4 Mrd. Euro zu veräußern. Die aktivistischen Aktionäre um den bis 2006 amtierenden URW-CEO Bressler, der nun dem Aufsichtsrat vorsteht, setzen in Abgrenzung vom bisherigen Managementplan auf eine Strategie der Refokussierung, die unter anderem zum Ziel hat, amerikanische Einkaufszentren wieder zu verkaufen, die der Konzern vor zwei Jahren für rund 20 Mrd. Euro erworben hatte. Online-Trend eruptivGerade Malls in den USA, die auf vielfach größere Flächen pro Einwohner kommen als in Deutschland und in Großbritannien treiben Investoren aufgrund ausbleibender Mieteinnahmen und Schließungen um. Dass der in der Coronakrise beschleunigte, eruptiv wirkende Online-Einkauf über die Pandemie hinaus wächst und das Shopping-Verhalten der Menschen sich nachhaltig wandelt, trifft freilich auch die Zentren in Kontinentaleuropa.Der Markt für Shoppingcenter, der in Deutschland Mitte der 1960er Jahre entstand, ist gesättigt. Der Druck auf Mieten und auf die Bewertung der Center-Immobilien dürfte sich über die Coronakrise hinaus fortsetzen. Längst sehen Betreiber wie die Hamburger ECE, die von Alexander Otto geführt wird, dem jüngsten Sohn des Versandhausgründers Werner Otto, von Investitionen in neue Einkaufszentren ab. Stattdessen konzentrieren sie sich auf das Management bestehender Anlagen oder akquirieren Zentren, die als zukunftsfähig erachtet werden. Anpassung an sich ändernde Kundenwünsche, heißt die Devise.Je weiter Abstand vom einstigen Kerngeschäft der Entwicklung von Shoppingcentern genommen wird, umso mehr wenden sich Betreiber und Investoren alternativen Nutzungskonzepten zu. Dass Teile der Laden-, Keller- und Parkflächen zu Hotels, Wohnungen, zu Restaurants und Büros, aber auch zu Sportstätten, Logistikimmobilien und zu Distributionsstandorten für den Online-Handel umgewidmet werden, ist über Kontinente hinweg zu beobachten und keine neue Entwicklung mehr. Bei dem Shoppingmall-Betreiber ECE etwa stehen die Einkaufszentren inzwischen noch für rund 60 % des Geschäfts, andere Assetklassen für 40 %. Bessere Nutzungskonzepte?Inwieweit die Einnahmen aus Büro-, Hotel- und anderen Nutzungskonzepten auf Dauer für bessere Erträge sorgen werden, muss sich zeigen. Zweifel bestehen. Für Betreiber wie das inhabergeführte Familienunternehmen ECE und auch die Deutsche Euroshop – bei dem Unternehmen ist Alexander Otto mit einem Anteil von 20 % größter Einzelaktionär – ist von Vorteil, dass sie der Pandemie mit einer soliden Bilanz begegnen. Für die aktuellen Herausforderungen sei man mit niedriger Verschuldung und stabiler Liquiditätslage gut gerüstet, ließ die Deutsche Euroshop nach dem dritten Quartal in Anbetracht der zweiten Coronawelle durchklingen. Nach einem Verlust von gut 105 Mill. Euro in den ersten neun Monaten dieses Geschäftsjahres sieht das an der Börse aktuell mit 1,1 Mrd. Euro bewertete Unternehmen in Anbetracht von “deutlichen Unwägbarkeiten” von einer Prognose weiterhin ab.