Nach der Machtübernahme

Siemens Energy stoppt Projekt in Afghanistan

Das Unternehmen prüfte die Machbarkeit eines zuverlässigen Stromnetzes in dem Land. Konkrete Aufträge waren noch nicht vereinbart worden.

Siemens Energy stoppt Projekt in Afghanistan

jh München

Die Welt blickt mit Erschrecken auf die Ereignisse in Afghanistan. Siemens Energy hatte dort noch vor neun Monaten ein Abkommen zur Elektrifizierung des Landes unterzeichnet. Jetzt ruht dieses Vorhaben. „Wir betrachten die Entwicklung mit Sorge“, sagt ein Sprecher von Siemens Energy.

Aus Sicherheitsgründen äußert sich das Unternehmen nicht dazu, ob sich Mitarbeiter in dem Land aufhalten. Der Sprecher weist jedoch darauf hin, dass es aktuell in Afghanistan kein nennenswertes Geschäft des Konzerns gebe. Zudem werde das Land von der Siemens-Regionalgesellschaft in Pakistan betreut. Stützpunkte von Siemens Energy für den Nahen und Mittleren Osten sind in Abu Dhabi und Dubai.

Nach Informationen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) ist kein deutsches Unternehmen mit deutschen Mitarbeitern im Land präsent. Vor ei­nigen Tagen hieß es allerdings, afghanische Staatsangehörige, die von deutschen Unternehmen angestellt seien, befänden sich noch im Land. Es gebe Bemühungen, diese Ortskräfte in Sicherheit bringen zu lassen.

Die erste von drei Phasen

Im November des vergangenen Jahres hatten Manager von Siemens Energy und Repräsentanten der afghanischen Seite, darunter der stellvertretende Finanzminister, das Abkommen unterzeichnet – wegen Corona per Videokonferenz. Auch Präsident Ashraf Ghani, der nun vor den Taliban geflohen ist, hatte teilgenommen. Das Abkommen enthält drei Phasen für eine Elektrifizierung Afghanistans. Die erste, die Prüfung der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit, lief noch, als das Projekt nun beendet wurde.

Ob, wann und wie es weitergehen könnte, ist unklar. Es zeichnet sich ab, dass China und Russland an Geschäften mit den Taliban interessiert sind – vor allem mit Blick auf die Bodenschätze des Landes. Dass deutsche Unternehmen mit den zurückgekehrten Machthabern Verträge abschließen, lässt sich dagegen kaum vorstellen.

Ein Auftragsvolumen für die Stabilisierung und den Ausbau des Stromnetzes hatten Siemens Energy und die afghanische Seite nicht genannt. Diese zweite Phase des Abkommens hätte ohnehin erst begonnen, wenn die Machbarkeitsstudien positiv ausgefallen wären. Als Teil dieses Abschnitts war auch der Aufbau lokaler Erzeugungszentren vorgesehen, um erneuerbare Energien zu nutzen. Die dritte Phase hatte die Entwicklung des Sektors der erneuerbaren Energien und „weitere nachhaltige und kostengünstige Stromerzeugung“ enthalten.

Im vergangenen Herbst hatte Siemens berichtet, dass nur etwa 28% der 37 Millionen Einwohner Afghanistans Zugang zu elektrischer Energie hätten. Große Teile des Stromnetzes seien stark fragmentiert, die Regionen würden oft mit Strom aus den Nachbarländern versorgt. Ziel des Projekts war, mit einer zuverlässigen Energieinfrastruktur das Wachstum der Industrie und der gesamten Wirtschaft anzukurbeln.

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