Logistik

Suezkanal-Stau sorgt die Wirtschaft

Der havarierte Containerfrachter im Suezkanal bedroht die durch die Pandemie ohnehin angespannten Lieferketten der Indus­trie. Die deutschen Unternehmen beobachten derzeit die Lage genau. Wie stark die Auswirkungen sein werden, hängt ganz davon ab, wie lange die wichtige Wasserstraße blockiert sein wird.

Suezkanal-Stau sorgt die Wirtschaft

ak/md Köln/Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft blickt mit Sorge auf die Blockade des Suezkanals. Eines der größen Containerschiffe der Welt, die „Ever Given“, war am südlichen Eingang am Dienstag auf Grund gelaufen. Bis Donnerstagabend waren alle Bemühungen gescheitert, das knapp 400 Meter lange Schiff freizuschleppen.

Die deutschen Großkonzerne beobachten die Lage genau und sind dabei, die möglichen Auswirkungen auf ihre Lieferketten zu analysieren, wie eine Umfrage der Börsen-Zeitung ergab. „Wir erwarten Verzögerungen im Schiffsverkehr zwischen den Regionen EMEA und Asia-Pacific“, teilte BASF mit. Derzeit sei es jedoch noch zu früh, um die Effekte abzuschätzen.

Alles hängt davon ab, wie lange die Route zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer noch verstopft ist und ob die Schiffe, die den Kanal passieren wollen, die 7000 Kilometer längere Route um Afrika herum am Kap der Guten Hoffnung vorbei nehmen müssen. Das dauert je nach Schiffstyp etwa acht bis 14 Tage länger. Die Container-Reedereien A.P. Møller-Mærsk und Hapag-Lloyd erwägen bereits, ihre Schiffe auf die längere Route zu schicken.

„Wir sind gerade dabei, mögliche Auswirkungen gemeinsam mit den Reedereien zu klären“, berichtete Henkel. Der Klebstoff-Weltmarktführer und Konsumgüterproduzent transportiert nach eigenen Angaben einige Fertigprodukte und Rohstoffe auf der Route durch den Suezkanal.

„Die Störung kommt zu einem schlechten Zeitpunkt“, kommentierte der Verband der Chemischen Industrie (VCI). „Die Kapazitätsauslastung in der Chemie ist hoch. Entsprechend stark ist der Bedarf an Lieferungen aus Asien.“ Die indirekten Effekte dürften noch stärker sein, befürchtet VCI-Chefvolkswirt Henrik Meincke: „Wenn bei unseren indus­triellen Kunden in Europa die Produktion stillsteht, weil Lieferungen aus Asien ausbleiben, sinkt die Nachfrage nach Chemikalien.“

Langer Weg nach Asien

Der Industrieverband Klebstoffe (IVK) zeigte sich alarmiert. Er wies darauf hin, dass die Verfügbarkeit von Rohstoffen bereits zuvor eingeschränkt gewesen sei. Grund seien Anlagenstillstände von Zulieferern in Europa und den USA. So haben auch der Wintereinbruch in Texas und der Ausfall eines großen Teils der US-Raf­fineriekapazität dazu beigetragen. „Die Havarie des Frachters im Suezkanal könnte die bereits angespannte Situation weiter verschlechtern“, stellte der IVK fest.

Auch die Maschinen- und Anlagenbauer blicken mit Sorge auf die Havarie im Kanal. „Die asiatischen Märkte sind aktuell die Wachstumstreiber für den Maschinen- und Anlagenbau“, sagte der Chefvolkswirt des Branchenverbands VDMA, Ralph Wiechers. „Mit Blick auf die Exporte bedeutet der Stau im Suezkanal möglicherweise Verzögerungen in der Belieferung asiatischer Kunden mit Maschinen, Maschinenteilen und -Komponenten.“ Bei den Zulieferungen aus Asien spüre die Branche auch ohne diese Störung schon Engpässe – insbesondere bei elektronischen Komponenten und Halbleitern. „Abhängig vom gewählten Transportweg könnte es auch hier zu Verschärfungen kommen“, sagte Wiechers. „Da Seefrachten aber längere Zeit unterwegs sind, wird sich die aktuelle Lage am Suezkanal vermutlich erst in einigen Tagen bemerkbar machen.“ So gab sich Thyssenkrupp am Donnerstag noch entspannt. Derzeit seien keine direkten Auswirkungen erkennbar, ließ eine Sprecherin wissen.

Schlimmstenfalls Wochen

Der Suezkanal ist eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Etwa 12% des globalen Frachtvolumens und 30% des Containervolumens fließen durch sie.

Moody’s hält den Maschinenbau, die Auto- und Automobilzulieferer­industrie wegen ihre „Just-in-time“-Lieferketten für potenziell am stärksten betroffen. „Wir untersuchen aktuell, wie wir gegebenenfalls gegensteuern können“, sagte eine Sprecherin von Ford Deutschland. Derzeit seien aber ausreichend Vorräte vorhanden, so dass die Produktion nicht angehalten werden müsse.

Verzögerungen in den Lieferketten und deren Management gehören für die weltweit agierenden Konzerne jedoch auch zum täglichen Geschäft. „Als globales Logistikunternehmen sind Risikoszenarien und mögliche Störungen fester Bestandteil unserer Eventualfallplanung“, teilte Deutsche Post DHL auf Anfrage mit.

Im schlimmsten Fall könnte das Freischleppen der „Ever Given“ Wochen dauern. Bis Donnerstagnachmittag stauten sich 237 Schiffe nördlich und südlich des feststeckenden Frachters.