Wenn der Staat Firmen mit Gewinn retten will

Beteiligungen des Bundes an Krisenunternehmen werden kompliziert - Duff & Phelps: Anforderung lautet, marktüblich zu investieren

Wenn der Staat Firmen mit Gewinn retten will

Die Liste der Bedingungen ist lang: Damit der Bund zur Rettung einsteigt, soll ein Unternehmen keine andere Option haben, und die Anteile sollen zum marktüblichen Preis erworben werden. Der Konzern darf keine Dividenden ausschütten, und am Ende soll Gewinn herausspringen. Vorbild dafür sind die USA.cru Frankfurt – Die Bundesregierung will in der Coronavirus-Krise beim Einstieg in Unternehmen nach Möglichkeit auch Gewinne machen. Die verschärften Anforderungen an Unternehmen, um Investitionen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu erhalten, weisen deshalb starke Parallelen zu Spielregeln professioneller Investoren auf. Kein Wunder: Mit Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies und Finanzagentur-Geschäftsführerin Jutta Dönges sitzen gleich zwei Ex-Investmentbanker von Goldman Sachs in Berliner Schlüsselpositionen. Auf der anderen Seite wird die Lufthansa beim Staatseinstieg von Goldman-Sachs-Banker Tibor Kossa beraten. “Die Anforderung, “marktüblich” zu investieren bei zugleich fehlenden anderweitigen Finanzierungsoptionen, stellt eine Sondersituation für die Bewertung des Eigenkapitals dar”, beschreibt Andreas Stöcklin, Deutschland-Chef des Beratungshauses Duff & Phelps, die schwierige Situation. Denn das Fehlen anderer Finanzierungsauswege impliziert, dass die Eigenkapitalanteile keinen Wert mehr haben. “Es ist davon auszugehen, dass dies zu intensiven Verhandlungen führen wird zwischen Staat und Unternehmensführung.” Bei der Lufthansa etwa wird über einen Kapitalschnitt samt Herabsetzung des Nennwerts der Aktie gesprochen, der mit 2,56 Euro schon jetzt deutlich unter dem Kurs von 8 Euro liegt. Die genaue Beteiligung des Staates und sein Einfluss sind noch umstritten.Fairness Opinions sind nach Ansicht von Stöcklin in dieser Situation ein prädestiniertes Instrument, um die Unternehmensführung mit einer “unabhängigen Einschätzung” der Marktüblichkeit und finanziellen Angemessenheit zu unterstützen – etwa in Sondersituationen bei fehlendem Market-Clearing-Mechanismus (z. B. geordneter Transaktionsprozess) sowie nachträglichen, kritischen Überprüfungen durch Dritte. “Selbstbewusster Investor”Finanz-Staatssekretär Kukies hatte kürzlich auf einer SPD-Veranstaltung angekündigt: “Der Staat tritt hier als selbstbewusster Investor auf.” Es könne nicht darum gehen, nur die Verluste beim Staat abzuladen. Vor allem beim Einsatz von Eigenkapital werde eine “risikoadäquate Vergütung” angestrebt. Eine konkrete Höhe für die angepeilte Rendite nannte Kukies nicht. Der Steuerzahler müsse für seinen Einsatz einen fairen Anteil bekommen, damit es Akzeptanz für die milliardenschweren Staatshilfen gebe.Die Bundesregierung hat einen Rettungsschirm über 600 Mrd. Euro in Form des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) Ende März verabschiedet, um Unternehmen zu unterstützen, die von den Auswirkungen der Covid-19-Krise existenziell betroffen sind. Zur Stabilisierung dieser Unternehmen hält der WSF 400 Mrd. Euro für Garantien sowie 100 Mrd. Euro für Rekapitalisierungen bereit. Zusätzlich kann der Bund Kredite von bis zu 100 Mrd. Euro zur Refinanzierung von Sonderprogrammen der KfW aufnehmen.Staatssekretär Kukies sagte, es gebe beim WSF große Nachfrage. “Es ist also gut, dass wir es gemacht haben.” Die EU-Kommission, die mögliche Wettbewerbsverzerrungen in Europa aufgrund staatlicher Eingriffe prüft, muss dem Fonds aber noch grünes Licht geben. Hier sei die Bundesregierung kurz vor dem Abschluss der Verhandlungen.Die Rekapitalisierungen können unter anderem durch den Erwerb von Unternehmensanteilen und die Übernahme sonstiger Bestandteile des Eigenkapitals erfolgen. Ziel solcher Mittelzuflüsse ist die Überwindung von Liquiditätsengpässen und die Stärkung der Kapitalbasis, wenn der Fortbestand des Unternehmens erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft, technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder Arbeitsmarkt hat. Vorbild USANach erfolgreicher Stabilisierung wird eine Re-Privatisierung in Form eines zeitnahen Exits seitens des Staates unter “marktüblichen” Bedingungen angestrebt. Die Erfahrungen aus der zurückliegenden Finanzkrise 2008 und dem Finanzmarktstabilisierungsfonds (“Soffin”) über 400 Mrd. Euro sowie insbesondere der Vergleich mit dem US-amerikanischen Äquivalent Troubled Asset Relief Program (TARP) über 475 Mrd. Dollar haben zu verschärften Investitionskriterien und Renditeerwartungen geführt.Die USA konnten über vollzogene staatliche Exits durch Re-Privatisierungen Gewinne von umgerechnet gut 121 Mrd. Euro erzielen (siehe Grafik). “Die Anforderung, marktüblich zu investieren, macht die genaue Prüfung jeder Beteiligung in Form von Due Diligences nötig”, sagt Duff-&-Phelps-Manager Stöcklin. “Die Bundesrepublik Deutschland – die Finanzagentur, die den WSF verwaltet -, wird von einem breiten, externen Beraterpool unterstützt werden, um die Prüfungen und Bewertungen der Anfragen zeitnah zu bewältigen.” Um die Herausforderungen auf Unternehmensseite zu beurteilen, empfehle es sich, ebenfalls Experten für die Evaluierung hinzuzuziehen.Eine staatliche Investition bleibe nicht ohne Auswirkung auf die Unternehmensführung. “Ein Zielkonflikt könnte aus der Anforderung an die Wertmaximierung und Unternehmensfortführung in Verbindung mit Einschränkungen bei der Mittelverwendung, der Vergütung der Unternehmensorgane oder auch Dividendenausschüttungen entstehen”, sagt Stöcklin.Wichtig sei daher, dass die Unternehmensorgane davon überzeugt seien, insbesondere in Bezug auf die “Marktüblichkeit” der staatlichen Investitionen, angemessen im Sinne der Aktionäre zu handeln, warnt Stöcklin.