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Mit geringerem Volumen als geplant lanciert Bayer eine Kapitalerhöhung in rekordhohem Volumen für die deutsche Industrie

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Von Walther Becker, FrankfurtBei circa 17 Mrd. Euro lag die Erwartung der Eigenkapitalzufuhr für Bayer, als der Konzern die Monsanto-Übernahme verkündete. Als Cash Call reichen nun 6 Mrd. Euro. Doch wurden zuvor über eine Zwangswandelanleihe schon 4 Mrd. Euro eingeworben. Mit den 6 Mrd. Euro schlägt Bayer aber immer noch Rekorde: Für Europa in diesem Jahr und für den deutschen Markt überhaupt – ohne Banken, die ihre Aktionäre für Restrukturierungen angezapft hatten. Bayer hatte 2009 für die Schering-Akquisition neue Aktien im beschleunigten Verfahren verkauft. Für den Konzern ist die Bezugsrechtsemission mit der Ankündigung schon gelaufen, denn das Risiko in der voll unterschriebenen Platzierung liegt bei den Banken: An vorderster Front sind dies die M & A-Berater der Bank of America Merrill Lynch und Credit Suisse, die auch den Bezugsrechtshandel organisiert. Als weitere aktive Bookrunner sind Goldman Sachs, HSBC und J.P. Morgan tätig. Jedes Haus soll 11,7 % des Volumens verkaufen. Weitere fünf Banken schultern als passive Bookrunner je die Hälfte dieses Anteils. Hinzu kommen zehn Adressen – nach der Quote ausgesucht, mit der sie zur Brückenfinanzierung für die Monsanto-Übernahme beitrugen. Beschlossene Sache ist die Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten für die Anteilseigner aus genehmigtem Kapital um etwa 9 % oder 74,6 Millionen neue Aktien mit Gewinnberechtigung für 2018. Als Preis werden vor der für heute geplanten Veröffentlichung des Prospektes 81 Euro genannt. Aktionäre können für je 23 gehaltene Titel zwei neue erwerben. Daraus und aus der Zahl der Aktien errechnet sich ein Discount zum theoretischen Preis ex Bezugsrecht von 20,25 %. Insbesondere bei Emissionen zur Bilanzreparatur liegt dieser Abschlag meist deutlich darüber. Die heute beginnende Bezugsfrist endet am 19. Juni. Nicht ausgeübte Bezugsrechte von Privatanlegern verkaufen die Depotbanken am 15. Juni. Die Investmentbanken gehen von einer Aufnahme von 98 bis 99 % aus. Es wird erwartet, dass der neue Großaktionär Temasek auch mitzieht. Der Staatsfonds aus Singapur war im April über eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts mit etwa 4 % eingestiegen und hatte für 3 Mrd. Euro gezeichnet, was rechnerisch 96,77 Euro je Aktie entsprach. Größter Eigner ist BlackRock mit 7,4 %. Die Story sitztDie Banken sind sich sicher, dass sie nicht auf Aktien sitzenbleiben. Denn die M & A-Wachstumsstory von Bayer sei Investoren geläufig, der Verwendungszweck der Mittel klar und die Risikosituation nach Abschluss der Finanzierung des 62,5 Mrd. Dollar schweren Deals gut einzuschätzen. Die deutlich höher als erwartet ausfallenden Einnahmen aus den Covestro-Platzierungen, der Temasek-Einstieg, die weit größer als angesetzt ausfallenden Devestments aus Kartellauflagen – an BASF werden Assets für 7,6 Mrd. Euro veräußert -, die Pflichtwandelanleihen, das positiv laufende Monsanto-Geschäft und die Dollarkursentwicklung, welche die in der US-Devise fällige Ablösung der Brückenfinanzierung vergünstigt, haben Bayer geholfen, das Anzapfen des Eigenkapitalmarktes über die Bezugsrechtsemission im Endeffekt zu drücken. Der Umsatz der zu verkaufenden Aktivitäten ist die größte Veräußerung, die jemals im Rahmen eines US-Fusionsgenehmigungsverfahrens stattgefunden hat. Es ist der dritte Megadeal in der Branche nach der Fusion von Dow Chemical mit DuPont und der Übernahme von Syngenta durch Chemchina.Wiewohl institutionelle Investoren die Equity Story inzwischen hinlänglich kennen – immerhin zieht sich die Monsanto-Übernahme seit mehr als zwei Jahren -, geht es nun über Frankfurt und London nach New York, Boston und Chicago und wieder zurück nach Europa auf Werbetour bei großen Investoren. Für den deutschen Markt schlägt Bayer zwar Rekorde. Doch europaweit haben in der Vergangenheit France Télécom mit 15,3 Mrd. Euro (2003), British Telecom mit 9,9 Mrd. Euro 2001 und Enel mit 8,0 Mrd. Euro 2009 den Vogel abgeschossen, wie aus Daten von Dealogic hervorgeht. Danach stünde Bayer in Europa auf Platz 7.