ABB folgt dem Motto "Fix or exit"
Der schwedische CEO will den Geschäftseinheiten deutlich mehr Autonomie verleihen. Gleichzeitig verschärft er aber die Leistungskontrolle. Mit Minderleistern hat Rosengren wenig Geduld. Die ersten Entscheidungen über Desinvestitionen dürften schon bald nach dem Sommerurlaub fallen.Von Daniel Zulauf, ZürichBjörn Rosengren bezeichnet sich selbst mindestens in geschäftlichen Dingen gern als “unsentimental”. Er weiß, dass er damit bei vielen Investoren gut ankommt. Am Mittwochnachmittag, gut hundert Tage nach seinem Antritt als Chief Executive Officer von ABB, gab der 60-jährige Schwede in einer Videokonferenz eine erste öffentliche Kostprobe seines Managementstils. Mehr Portfoliomanagement”Das Portfoliomanagement wird künftig eine noch größere Rolle spielen”, versprach er seinem Publikum, das primär aus Finanzanalysten bestand. “Wir werden nicht davor zurückschrecken, Divisionen zu sanieren, zu veräußern oder auszubauen”, versicherte der Manager den Analysten. Unter “Divisionen” versteht Rosenberg die 18 operativen Einheiten innerhalb der vier Konzernbereiche Elektrifizierung, Industrieautomation, Antriebstechnik sowie Robotik und Fertigungstechnik. Der Skandinavier will die Verantwortung für den Geschäftserfolg künftig noch deutlich stärker dezentralisieren, als dies schon sein deutscher Vorgänger Ulrich Spiesshofer im Dezember 2018 an die Hand genommen hatte.Zu diesem Zweck hat Rosengren unter dem Namen “ABB Way” ein neues Betriebsmodell geschaffen, unter der schwedisch-schweizerische Elektrotechnikkonzern die Zahl der in zentralen Konzernfunktionen tätigen Mitarbeiter von 18 000 im Jahr 2019 auf weniger als 1 000 reduzieren will. Die Mehrheit der zu dezentralisierenden Mitarbeiter soll in die Geschäftsbereiche transferiert werden. Der dezentrale WegDiese erhalten zwar mehr Autonomie, müssen sich aber auch strengeren Leistungskontrollen unterwerfen. “Wir stärken unser Leistungsmanagement durch ein neues Punktesystem, das auf sehr transparenten und standardisierten Leistungskennzahlen basiert”, erklärte Rosengren gestern. Dazu gehören circa 15 Leistungskennzahlen wie Bestellungseingang, Umsatz, Gewinnmargen, Investitionen, Kapitalkosten oder auch der Personalbestand. Finanzchef Timo Ihamuotila bezeichnete die Scorecard als ein “mächtiges” Führungsinstrument, weil es absolute Eindeutigkeit im internen Leistungsvergleich erzeuge.Bleibt eine Division hinter den gesetzten Leistungszielen zurück, will der CEO nicht lange fackeln. Ist das Problem selbstverschuldet oder liegt es am Markt? Auf Diagnose folgt die therapeutische Antwort: “Fix or exit” – sanieren oder verkaufen.Das neue System zur Leistungsmessung soll im dritten Quartal eingeführt werden. Es ersetzt den bisherigen Budgetprozess durch eine rollende Planung in einem Horizont von 15 Monaten. Nach dem im Dezember 2018 beschlossenen Verkauf der traditionsreichen Stromnetzsparte an die japanische Hitachi steht den verbleibenden rund 110 000 ABB-Angestellten eine neue Zeit von größeren Veränderungen bevor. Noch unkonkretKonkrete Angaben zu möglichen Desinvestitionen machte Rosengren auch in der auf die Präsentation folgenden Fragerunde keine. Er verwies auf den für November terminierten Kapitalmarkttag, auf dem er vertieft auf die Umsetzung der operationellen Strategie eingehen werde. Entscheidungen dürften freilich schon bald fallen, denn der Verwaltungsrat müsse diese auf seiner Sitzung im September absegnen, sagte Rosengren. Keine Zukäufe auf der AgendaGrößere Akquisitionen stehen für Rosengren nicht mehr auf der Agenda. Unternehmen müssten zuerst Stabilität und eine ausreichende Profitabilität erreichen bis sie das Wachstum forcieren könnten. Sonst drohe eine Wertvernichtung. ABB ist als Konzern nicht auf dem von Rosengren anvisierten Leistungsniveau angelangt. 2019 schöpfte der Konzern aus einem Umsatz von 28,6 Mrd. Dollar eine operationelle Marge (Ebita) von 11,1 %. Rosengren will einen Wert von mindestens 15 %.Der Erlös aus dem bis Mitte des Jahres abzuschließenden Verkauf der Stromübertragungssparte an Hitachi im Volumen von rund 8 Mrd. Dollar will Rosengren weiterhin an die Aktionäre ausschütten. “Dazu haben wir uns verpflichtet”, sagte er. Doch die Ausschüttung müsse auf eine verantwortungsvolle Weise erfolgen. Das Kreditrating dürfe sich nicht verschlechtern.Moody’s hatte das ABB-Rating erst im April auf A3 gesenkt, womit die ABB-Anleihen immer noch als sichere Anlagen gelten, solange keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten. Hinter dem stabilen Ratingausblick steht allerdings die Erwartung von Moody’s, dass ABB den Aktienrückkauf “flexibel” handhabt und die Rückzahlung des Kapitals “über einen längeren Zeitraum” anvisiert.