STROMNETZTECHNIK WIRD UMGEKREMPELT

ABB setzt zum Befreiungsschlag an

Stromenergie geht an japanische Hitachi - Konzern wird in vier unabhängige Einheiten aufgespalten

ABB setzt zum Befreiungsschlag an

Mit dem größten Bereichsverkauf in der Unternehmensgeschichte und einem erneuten Konzernumbau versucht ABB-Chef Ulrich Spiesshofer den Befreiungsschlag. Für 9,1 Mrd. Dollar verkauft der Konkurrrent von Siemens und General Electric den größten Teil der Stromnetzsparte an die japanische Hitachi.dz Zürich – Es kommt selten vor, dass ein Weltmarktführer sein Kerngeschäft an einen Konkurrenten weitergibt. Genau diesen Schritt vollzieht ABB nun mit dem soeben besiegelten Verkauf der Stromübertragungssparte an den japanischen Industriemulti Hitachi. Die Stromübertragung bildet sozusagen den letzten Rest des Urgeschäftes des vor 30 Jahren aus der Fusion der schweizerischen Brown Boveri mit der schwedischen Asea hervorgegangenen ABB-Konzerns. Ganz ohne äußeren Druck kommt die Trennung allerdings nicht zustande. Die schwedische Investmentgesellschaft Cevian, die hinter der schwedischen Industriellenfamilie Wallenberg den zweitgrößten Aktienanteil an ABB besitzt, hatte den Schritt schon vor drei Jahren öffentlich und mit einiger Vehemenz gefordert, war damit bei Spiesshofer zunächst aber auf taube Ohren gestoßen.Cevian kritisierte die unterdurchschnittliche Rentabilität des Stromübertragungsgeschäftes im Vergleich mit den anderen ABB-Aktivitäten sowie den hohen Kapitalbedarf und die schwere Planbarkeit des mehrheitlich von großen öffentlichen Infrastrukturaufträgen abhängigen Geschäftes.Gestern zeigte sich der ABB-Chef auf einer eiligst einberufenen Pressekonferenz in Zürich aber dennoch “sehr, sehr glücklich” über die getroffene Vereinbarung. Durch die Maßnahme entstehe “eine neue ABB, ein fokussierter Leader in der digitalisierten Industrie”. Hinter dem plakativen Statement gibt es einige profanere Gründe für den Gesinnungswandel. Einer davon ist, dass Spiesshofer so endlich auch seinen kritischen Großaktionär auf die eigene Seite ziehen kann. Lob von CevianCevian-Manager Lars Förberg, der auch im ABB-Verwaltungsrat sitzt, ließ sich gestern mit dem folgenden Statement zitieren: “Die heute angekündigten Maßnahmen sind die richtigen Schritte in der Entwicklung von ABB, sie stärken die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft. Die Fokussierung des ABB-Portfolios auf digitale Industrien und die weitere Vereinfachung des Geschäfts schaffen ein besseres Unternehmen und eine starke Basis für langfristiges Wachstum. Wir sind überzeugt, dass dies der richtige Weg für ABB ist. Wir unterstützen die von Verwaltungsrat und Management eingeschlagene strategische Richtung voll und ganz.”Ein anderer Grund für Spiesshofers neue Einsicht dürfte die enttäuschende Umsatzentwicklung in den übrigen Sparten gewesen sein. Der CEO hatte in den fünf Jahren seines Wirkens als ABB-Chef die eigenen Wachstumsziele immer wieder verfehlt und damit nicht nur bei Cevian den Verdacht genährt, dass der Konzern zu breit aufgestellt und zu verzettelt ist, um die sich bietenden Gelegenheiten in den Märkten auch entschlossen ergreifen zu können. Wenig überraschend legt Cevian den Finger just auf “die weitere Vereinfachung des Geschäfts”, das die Basis für kommendes Wachstum bilden soll. Was diese Vereinfachung bedeutet, erklärte Spiesshofer anhand von drei Schaubildern, welche die Entwicklung der Organisationsstruktur von ABB in den vergangenen 30 Jahren darstellt.Da ist zuerst die vom ersten ABB-Chef Percy Barnevik geschaffene Matrix mit einer komplexen und überaus feingliedrigen Aufteilung von Verantwortlichkeiten zwischen den Regionen, den operativen Geschäftseinheiten und den Konzernfunktionen. Das zweite Bild zeigt die aktuelle Situation, die im Prinzip immer noch gleich aussieht wie die alte, aber nach Spiesshofers Kahlschlag am Konzernhauptsitz in Zürich vor drei Jahren etwas leichter daherkommt. Das dritte und für die Zukunft relevante Bild zeigt vier klar getrennte Säulen die nur noch über eine dünne graue Linie, die mit “Corporate” und “ABB Ability” beschriftet ist, verbunden sind. Von den 10 000 ABB-Mitarbeitern die im Verkauf, im Marketing, in der Forschung oder in anderen Funktionen eine Klammer um die ABB gebildet hatten, werde man künftig 90 % in die operativen Einheiten integrieren. Mega-AusschüttungSpiesshofer verspricht sich von der Neuorganisation jährliche Einsparungen von 500 Mill. Dollar. Vom Erlös aus dem Verkauf der Stromnetzsparte wird dem CEO zunächst allerdings nichts zur Verfügung bleiben. Konkret verkauft ABB in einem ersten Schritt etwas mehr als 80 % der Anteile an der Stromübertragung, wobei sich die Parteien auf einen Gesamtwert der Sparte von 11 Mrd. Dollar geeinigt haben. Davon fallen 9, 1 Mrd. Dollar ABB zu – einschließlich Nettoschulden von 2,7 Mrd. Dollar. Davon erwartet ABB 2020 eine Nettozahlung von 7,6 bis 7,8 Mrd. Dollar. Diese soll vollständig an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Die Ausschüttung entspricht damit dem stattlichen Viereinhalbfachen der diesjährigen Dividendenzahlung.