Abrechnung auf der Bayer-Hauptversammlung

Glyphosat-Klagen überschatten Aktionärstreffen - Zahlreiche Investoren wollen Gremien nicht entlasten

Abrechnung auf der Bayer-Hauptversammlung

Die Hauptversammlung von Bayer ist erwartungsgemäß zum Tag der Abrechnung geworden. Angesichts des massiven Kursverlusts im Gefolge der Glyphosat-Klagen kündigten zahlreiche Investoren an, Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern. Bis zum Redaktionsschluss dauerte das Aktionärstreffen noch an.ab Bonn – “Die heutige Hauptversammlung ist keine Routine-Hauptversammlung.” Mit diesen Worten eröffnete Bayer-Aufsichtsratschef Werner Wenning das Aktionärstreffen, und er sollte recht behalten. Schon bevor in die Generaldebatte eingestiegen wurde, lagen 45 Wortmeldungen vor. Kurz nach 12 Uhr schloss Versammlungsleiter Wenning die Rednerliste. Dennoch lag bis zum Redaktionsschluss dieser Zeitung kein Abstimmungsergebnis vor.Im Zentrum der Aussprache stand die im vorigen Sommer abgeschlossene Übernahme von Monsanto. Damit holte sich Bayer auch die Klagewelle im Zusammenhang mit dem glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup ins Portfolio. Die beiden ersten Verfahren in den USA hat Bayer verloren, die Aktie ist binnen Jahresfrist um fast 40 % eingebrochen.Daran entzündete sich die Kritik der Aktionäre, die in der Hauptversammlung mit ihrem Ärger nicht hinter dem Berg hielten. “Die Bayer-Führung hat die Rechtsrisiken des Monsanto-Deals offenbar völlig unterschätzt”, sagte Janne Werning, der die Fondsgesellschaft Union Investment vertrat. Mit dieser Einschätzung war Werning nicht allein. Auch Nicolas Huber, Head of Corporate Governance bei DWS, und Ingo Speich von Deka Investment setzten dicke Fragezeichen hinter die Qualität der Due Diligence.”Das Management hat die Klagerisiken in den USA massiv unterschätzt”, sagte Speich und kündigte ebenso wie Werning an, Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern. Speich stellte allerdings auch klar, dass er die Verweigerung der Entlastung als “Warnsignal” verstanden wissen wolle. “Die reflexartige Forderung am Kapitalmarkt ist immer ein Austausch der Führungsriege. Davon sollte jedoch tunlichst Abstand genommen werden”, mahnte Speich. “Ein neues Management würde das Chaos noch vergrößern.”Wohl aus diesem Grund wollte sich die DWS bei der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat der Stimme nur zu enthalten. “Dies soll aber keinen Freibrief für das Management und den Aufsichtsrat darstellen, warnte Huber. “Vorstand und Aufsichtsrat können wir nicht entlasten”, schloss sich Joachim Kregel von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger der Kritik an.Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sprach von einem “Alptraum für Aktionäre” und regte an, die Beschlüsse zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu vertagen. “Selbst eine knappe Entlastung würde zu einer Personaldiskussion führen”, begründete Tüngler. Das könne niemand wollen. “Ziehen Sie den Karren wieder aus dem Dreck”, forderte der DSW-Vertreter.”Vorstand und Aufsichtsrat haben in jeder Hinsicht pflichtgemäß gehandelt. Es gab und gibt daher keinen Grund, die Entlastungsbeschlüsse zu vertagen”, lehnte Wenning die Forderung ab und verwies stattdessen auf zwei Gutachten – eines von Linklaters und eines vom Rechtswissenschaftler Mathias Habersack -, die belegten, dass der Vorstand seinen Pflichten nachgekommen sei. Im Februar dieses Jahres habe der Aufsichtsrat nochmals ausdrücklich bestätigt, die Strategie des Vorstands – das beinhalte die Übernahme von Monsanto – vollumfänglich zu unterstützen.Wissend um den Vertrauensverlust bei seinen Aktionären ging Bayer-Chef Werner Baumann in seiner Eröffnungsrede in die Offensive. “Der Erwerb von Monsanto ist und war der richtige Schritt für Bayer.” Zugleich signalisierte Baumann aber auch, verstanden zu haben. Bayer habe im abgelaufenen Geschäftsjahr “operativ wie strategisch viel erreicht”. Zugleich sei es aber wegen der ersten Urteile zu Glyphosat zu erheblichen Kursverlusten gekommen. “Da gibt es nichts zu beschönigen”, räumte der Bayer-Chef ein. Es dauert einige JahreVerständlicherweise treibe die Aktionäre die Frage um, wann sie von der Monsanto-Übernahme profitierten. “Wir können Ihnen hier keine kurzfristige und vollumfängliche Klärung versprechen”, sagte Baumann. Bayer arbeite mit Hochdruck daran, sich in Berufungsverfahren und den kommenden Gerichtsverhandlungen erfolgreich zu verteidigen. Es könne jedoch einige Jahre dauern, bis es zu klaren Ergebnissen in dem Verfahrenskomplex komme.Wenngleich die Entlastungsbeschlüsse im Fokus standen, sprachen sich Werning und Speich dagegen aus, die Möglichkeit zum Aktienrückkauf zu schaffen. Aktienrückkäufe seien aufgrund der hohen Rechtsrisiken in der derzeitigen Situation “mehr als überflüssig”, begründete Speich sein Votum.