Actelion unter Zugzwang
Actelion ist eine widerspenstige Braut. Diese Erfahrung scheint nun auch Johnson & Johnson zu machen. Der US-Mischkonzern möchte die Pharmafirma kaufen, doch die Schweizer zieren sich.dz Zürich – Im Übernahmepoker um die junge und überaus erfolgreiche Basler Pharmafirma Actelion überschlagen sich die Ereignisse. Dieses Verständnis legt zumindest das von börsennahen Nachrichtenagenturen wie Bloomberg kolportierte Vorgehen von Johnson & Johnson nahe. Einem gestern am späten Nachmittag verbreiteten Bericht zufolge soll dem Verwaltungsrat von Actelion bereits eine Kaufofferte des US-Mischkonzerns über 246 sfr pro Actelion-Aktie vorgelegen haben, die aber zurückgewiesen worden sei. Später behauptete Bloomberg unter Verweis auf ungenannte Quellen, die Amerikaner hätten das Angebot weiter erhöht.Die Actelion-Aktien legten kräftig zu. Die Titel stiegen am Dienstag um 10 % auf 209 sfr. Der Börsenwert des Unternehmens, das 2016 rund 2,5 Mrd. sfr Umsatz und einen Gewinn von rund 800 Mill. sfr ausweisen dürfte, erhöhte sich so auf über 22 Mrd. sfr. Ein Gebot von 246 sfr würde die Bewertung des erst 18 Jahre alten Pharmaunternehmens auf mehr als 26 Mrd. sfr erhöhen. Das entspräche dem 33-fachen Gewinn, wie er 2016 erwartet wird. Finanzanalysten sprechen von einer sehr hohen Bewertung, zumal Actelion über eine enge Palette von Medikamenten verfügt.Der hohe Preis, den Johnson & Johnson offenbar zu zahlen bereit ist, lässt auf ein zähes Ringen um den Einfluss bei Actelion schließen. Am Montag hatte die “Financial Times” noch berichtet, die beiden Parteien sprächen über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung. Gemäß dem Bericht hätte sich Johnson & Johnson mit Geld und der Zugabe von gewissen Geschäftsaktivitäten bei Actelion eingekauft, dem Unternehmen aber die wirtschaftliche Unabhängigkeit belassen.”Dieses Modell ist mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen vermutlich gestorben”, sagte ein Übernahmespezialist. Möglicherweise sei man bei Johnson & Johnson zum Schluss gekommen, dass ein solches Tauschgeschäft von den eigenen Aktionären als zu kompliziert und zu wenig attraktiv angesehen würde. Für Actelion wäre ein solcher Deal zweifellos die bevorzugte Variante. Der 61-jährige Firmengründer und CEO Jean-Paul Clozel und dessen Ehefrau Martine, die in der Forschung eine führende Stellung im Unternehmen hat, zeigten sich in der Vergangenheit fest entschlossen, die Gesellschaft aus eigener Kraft weiterzuentwickeln und als erstes europäisches Unternehmen in die “Major League” der globalen Biotechbranche aufzusteigen. Im Februar sagte Clozel bei der Verkündung des Jahresergebnisses: “Zum ersten Mal ist unsere Vision in Griffnähe.” Die Firma überschritt 2015 die Umsatzmarke von 2 Mrd. sfr und stellte die Ablösung des langjährigen Erfolgsproduktes Tracleer durch neue, wirkungsvollere Medikamente sicher.Actelion ist ganz auf die Behandlung des Bluthochdrucks im Lungenkreislauf eingestellt. Die Krankheit ist äußerst selten, und sie verläuft tödlich. Die Therapie mit dem Präparat der neusten Generation kostet rund 25 000 sfr im Jahr. Sie reduziert den Krankenhausaufenthalt der Patienten um die Hälfte und spart dem Gesundheitssystem damit erheblich Kosten. Obwohl Actelion in dieser Nische gut gedeiht, sucht die Firma seit längerem nach Möglichkeiten, die Palette der Therapien zu verbreitern. Über einen Deal mit Johnson & Johnson, wie ihn die “Financial Times” ventiliert hatte, wären die Clozels ihrem Ziel einen großen Schritt näher gekommen.Offenbar hat Johnson & Johnson nun aber doch den direkten Weg gewählt und strebt gegen den Willen des Unternehmerpaares die volle Kontrolle von Actelion an. Die Amerikaner müssten bei diesem Vorgehen auf das Wohlwollen des Verwaltungsrates der Schweizer hoffen. Diesem steht seit 2011 Jean-Pierre Garnier vor, den Actelion im Zug einer Abwehrschlacht gegen den US-Hedgefonds Elliott auf den Posten berufen hatte. Garnier war früher Chef von GlaxoSmithKline und erfüllt im Gegensatz zu den Clozels das Kriterium der “Unabhängigkeit”. Jean-Paul Clozel sitzt aber immer noch im zehnköpfigen Verwaltungsrat und dürfte weiterhin einen starken Einfluss auf diesen ausüben.Unter Übernahmespezialisten in Bankkreisen herrscht die Meinung vor, dass Actelion schon in Kürze mit einer Antwort auf die Entwicklungen aufwarten muss. Die Verunsicherung unter den eigenen Aktionären und vor allem auch unter den 2 500 Mitarbeitern lasse kein längeres Taktieren zu. Im Fall, dass es zu einer unfreundlichen Übernahmeschlacht kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass dem Unternehmen wichtige Mitarbeiter abhanden kämen.