Milliardentransaktion

Adnoc ringt mit Brüssel um Covestro-Deal

Adnocs Übernahme von Covestro für 15 Mrd. Euro droht wegen der monatelangen EU-Subventionsprüfung zu kippen. Es bleibt eine letzte Frist bis zum 2. Dezember zur Klärung. Adnoc-Manager Klaus Fröhlich bleibt optimistisch, trotz vergangener Rückschläge.

Adnoc ringt mit Brüssel um Covestro-Deal

Adnoc ringt mit Brüssel um Covestro-Deal

Milliardentransaktion steuert auf „Long Stop Date“ am 2. Dezember zu – Group Chief Investment Officer Fröhlich: Kapitalerhöhung kommt

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Der staatliche Ölkonzern Adnoc aus Abu Dhabi trifft mit der geplanten 15 Mrd. Euro schweren Übernahme des Kunststoffkonzerns Covestro in Brüssel auf Schwierigkeiten, die die gesamte Transaktion gefährden, weil Fristen verletzt werden könnten. Die EU-Kommission hat die Prüfung des Deals Anfang September ausgesetzt, woraufhin die Covestro-Aktie um 11% einbrach, aber kurz darauf wegen der Hoffnung auf eine Einigung wieder zulegte. Am 28. Juli war bereits eine eingehende Untersuchung gemäß der Verordnung über ausländische Subventionen (Foreign Subsidies Regulation, FSR) eingeleitet worden.

Dennoch zeigt sich Adnoc-Manager Klaus Fröhlich, der Group Chief Investment Officer und Architekt des Übernahme-Deals, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zuversichtlich: „Die Aussetzung der Prüfung durch die EU-Kommission bedeutet nicht, dass die Transaktion gefährdet wäre“, sagte Fröhlich, der Covestro in seiner Zeit als ECM-Banker bei Morgan Stanley in Frankfurt an die Börse gebracht hatte.

Araber kaufen erstmals im Dax ein

Mit dem Covestro-Deal verbunden ist ein „Long Stop Date“ am 2. Dezember. Im M&A-Geschäft ist das ein festgelegter Stichtag, bis zu dem alle vertraglich vereinbarten Bedingungen für eine Transaktion erfüllt sein müssen. Wird dieser Termin überschritten, ohne dass die Bedingungen erfüllt sind, kann dies zum automatischen Ende des Vertrags oder zum Rücktritt einer Partei führen. Es dient somit als eine Art letzte Frist, um die Vollendung der Transaktion sicherzustellen. „Wir haben jetzt bis zum 2. Dezember Zeit, weil zu diesem „Long Stop Date“ alle vertraglich vereinbarten Bedingungen für den Deal erfüllt sein müssen. Aber es hat alles schon sehr lang gedauert inklusive der Investitionskontrolle. Bisher betrachten wir das Unternehmen ja noch immer von außen. Wir wollen jetzt endlich loslegen“, sagt Fröhlich.

Mit der Übernahme von Covestro erwirbt erstmals ein staatlicher Ölriese aus den Golfstaaten einen Dax-Konzern. Nicht nur die schiere Größe der Akquisition – inklusive Schulden wird Covestro mit rund 15 Mrd. Euro bewertet – zeigt die Bedeutung. Covestro soll auch zum fünftgrößten Chemiekonzern der Welt ausgebaut werden. Schließlich hat Adnoc 150 Mrd. Dollar für Investitionen und Akquisitionen zur Verfügung. Adnoc ist bereits Miteigentümer des österreichischen Ölkonzerns OMV und Partner bei einer geplanten Milliardenfusion der Petrochemietöchter Borealis und Borouge von Adnoc und OMV, die Anfang 2026 abgeschlossen werden soll. Bei Covestro hält Adnoc bereits mehr als 90% der Anteile.

Kein Gesellschafterdarlehen

Es geht in Brüssel nun um die Prüfung auf Basis der Foreign Subsidies Regulation, die ein Level Playing Field in Europa sicherstellen soll. „Wir erhalten aber keinerlei Subventionen vom Staat, sondern zahlen im Gegenteil sehr hohe Steuern an die Vereinigten Arabischen Emirate“, sagte Fröhlich. „Im Moment läuft der Informationsaustausch dazu. Wir sind sehr zuversichtlich, dass alles rechtzeitig fertig wird – was die anhaltende Rolle Europas als attraktiver Standort für internationale Investitionen widerspiegelt.“

Es gebe entgegen anders lautender Meldungen bisher keine Gespräche dazu, die geplante Kapitalerhöhung bei Covestro durch ein zu verzinsendes Gesellschafterdarlehen zu ersetzen: „Ich bin nicht sicher, woher dieses Gerücht kommt“, sagte Fröhlich. „Es ist nach wie vor geplant, nach dem Closing eine Kapitalerhöhung von 1,2 Mrd. Euro zu machen. Damit kann Covestro wachsen. Außerdem werden wir vier der zwölf Sitze in dem paritätisch besetzten Aufsichtsrat erhalten.“

Rückzug bei Santos

Die lange Prüfung des Covestro-Deals ist nicht der erste Rückschlag für die 2024 gegründete Adnoc-Investmenttochter XRG. Das Unternehmen hat kürzlich erst die 19 Mrd. Dollar schwere Übernahme des australischen Erdgasproduzenten Santos aufgegeben. Die Hürden, denen sich Adnoc und die Tochter XRG bei ihren beiden größten Deals gegenübersehen, verdeutlichen die Herausforderungen beim Abschluss großer grenzüberschreitender Transaktionen. Aber das Platzen des Santos-Deals zeigt auch der EU-Kommission, dass Adnoc bereit ist, hart zu verhandeln.

Die FSR-Regulierung, die jetzt zum Stolperstein zu werden droht, zielt darauf ab, Wettbewerbsverzerrungen durch ausländische Subventionen im EU-Binnenmarkt zu verhindern. „Dadurch wurde neben der Fusionskontrolle und der Investitionskontrolle ein drittes, unabhängiges Prüfverfahren geschaffen“, erklärt M&A-Anwalt Holger Hofmeister, Partner bei der Kanzlei Skadden. „Mit 180 Anmeldungen von Transaktionen und hochvolumigen öffentlichen Aufträgen seit Inkrafttreten der FSR im Januar 2023 liegt die Zahl der Verfahren deutlich über den erwarteten 30 Anmeldungen pro Jahr.“

Aufwendige Subventionsprüfung

Anders als etwa die Investitionskontrolle (FDI) betrifft die FSR laut Hofmeister keine bestimmten Sektoren, sondern sei branchenübergreifend anzuwenden. Das FSR-Prüfverfahren ähnele dem Verfahren nach der EU-Fusionskontrollverordnung und umfasse eine Voranmeldung sowie eine Phase-1-Prüfung von 25 Arbeitstagen. Bei wesentlichen Bedenken könne die Kommission eine Phase-2-Prüfung einleiten, die bis zu 90 Arbeitstage dauert (mit möglichen Verlängerungen) und es den Parteien ermöglicht, Abhilfemaßnahmen anzubieten. Anders als bei der Fusionskontrolle erlaubt das FSR-Verfahren jedoch keine bedingten Freigaben in Phase-1. Abhilfemaßnahmen können nur in Phase-2 angeboten werden.

In jüngsten FSR-Verfahren sei zu beobachten, dass die Detailtiefe der Prüfung deutlich über das aus anderen Prüfungsverfahren (wie Fusions- und Investitionskontrollen) bislang bekannte Maß hinausgehe. Die erhöhte Detailtiefe führe zu einem erheblichen Mehraufwand in der Vorbereitung und Durchführung von Transaktionen. Wegen teils zahlreicher Informationsanfragen (mit oft kurzen Fristen) sei der Aufwand eines FSR-Verfahrens vergleichsweise hoch. Durch die Möglichkeit, Prüffristen aufgrund unzureichender Informationen auszusetzen, könnten Verfahren länger dauern als ursprünglich im Rahmen von Transaktionen vorgesehen.

EU will mehr Informationen

„Denn die Kommission ist berechtigt, ihre Untersuchung und damit verbundene Fristen auszusetzen, wenn sie der Ansicht ist, dass ihre Auskunftsersuchen nicht vollständig waren oder nicht fristgerecht beantwortet wurden“, erklärt Skadden-Anwalt Hofmeister. „Die Aussetzung stellt keine Vorwegnahme des Ergebnisses der vertieften Prüfung dar, sondern dient der Kommission als Instrument, um ausreichend Zeit für eine umfassende Prüfung zu erhalten.“ Sobald die Kommission überzeugt sei, dass ihre Auskunftsersuchen vollständig erfüllt sind, werde die Aussetzung aufgehoben und die Frist laufe weiter. Soweit ersichtlich habe die Kommission bisher erst in zwei Verfahren von der Möglichkeit der Aussetzung Gebrauch gemacht. Bis zur Freigabe durch die Kommission gelte ein Vollzugsverbot und Verstöße seien bußgeldbewehrt.

Ein Beispiel ist die Übernahme der PPF Telecom Group durch die Emirates Telecommunications Group („e&“). Nach einer Phase-2-Untersuchung – sie wird eröffnet, wenn die zuvor bereitgestellten Informationen Anlass zu einer tiefergehenden Prüfung gaben – hat die EU-Kommission die Transaktion nur unter strengen Auflagen genehmigt. Unter anderem darf die Satzung von e& nicht vom Insolvenzrecht der VAE abweichen, um Finanzierungsgarantien aus den VAE auszuschließen.

Adnocs Übernahme von Covestro für 15 Mrd. Euro droht wegen der monatelangen EU-Subventionsprüfung zu kippen. Es bleibt eine letzte Frist bis zum 2. Dezember zur Klärung. Adnoc-Manager Klaus Fröhlich bleibt trotz der knappen Zeit optimistisch. Die neue Foreign Subsidies Regulation trägt zur Komplexität bei.